Ex-Präsident dominiert Vorwahlen «Trump gefällt sich in der Figur des Retters»

Von Dominik Müller

24.1.2024

Auf dem Vormarsch: Alle Umfragen sprechen dafür, dass Donald Trump als republikanischer Kandidat gegen Präsident Biden zur Wahl antreten wird.
Auf dem Vormarsch: Alle Umfragen sprechen dafür, dass Donald Trump als republikanischer Kandidat gegen Präsident Biden zur Wahl antreten wird.
Keystone

Nur noch Nikki Haley steht Donald Trump im Kampf um die republikanische Präsidentschaftskandidatur im Weg. USA-Expertin Claudia Brühwiler erläutert, was eine erneute Wahl Trumps bedeuten würde.

Von Dominik Müller

24.1.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Ron DeSantis ist weg, Nikki Haley verbleibt als letzte Konkurrentin von Donald Trump im Rennen um die republikanische Präsidentschaftskandidatur.
  • Bei den Folgen einer allfälligen Wiederwahl Trumps als Präsident werden laut USA-Expertin Claudia Brühwiler bewusst Ängste durch die Demokraten geschürt.
  • Unentschlossene Wähler*innen würde die ständige Berichterstattung über die Prozesse von Trump motivieren, demokratisch zu wählen – zwar nicht unbedingt für Biden, aber gegen Trump.
  • Auch Prognosen, wonach die USA mit einem Präsidenten Trump aus der Nato austreten und die Ukraine-Hilfe einstellen könnte, erachtet Brühwiler als verfrüht.
  • Für Europa hätte seine Wahl wohl insbesondere auch wirtschaftliche Konsequenzen.

Nach dem Rückzug von Ron DeSantis ist Nikki Haley die Einzige, die gegen Donald Trumps erneute Präsidentschaftskandidatur der Republikaner noch Widerstand leistet. Bisher vergebens: Nach Iowa entscheidet Trump in New Hampshire auch die zweite Vorwahl für sich.

Für USA-Expertin Claudia Brühwiler ist die Messe aber noch nicht gelesen, auch wenn Haleys Chancen klein seien. Im Interview mit blue News erklärt sie, was für Konsequenzen eine erneute Wahl Trumps in das mächtigste Amt der Welt hätte.

Frau Brühwiler, rechnen Sie Trump-Rivalin Nikki Haley überhaupt eine Chance auf die Kandidatur der Republikaner aus?

Im Englischen gibt’s den Ausdruck: It’s an uphill battle. Nikki Haleys Chancen sind durchaus vorhanden, sie sind aber sehr klein. Sämtliche Umfrage-Ergebnisse bisher sprechen klar für Donald Trump. Das schliesst aber nicht aus, dass Haley ein Momentum entwickeln und das Blatt wenden könnte. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies passiert, ist nicht besonders hoch – aber sie ist vorhanden.

Wie schätzen Sie Trumps Chance auf eine Wiederwahl ein?

Zur Person
Claudia Franziska Brühwiler wird mit dem Forschungspreis Walter Enggist 2023 ausgezeichnet.
Kanton Thurgau

Prof. Dr. Claudia Franziska Brühwiler ist promovierte Staatswissenschafterin, USA-Expertin und Privatdozentin an der Universität St. Gallen. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen amerikanischer Konservatismus und amerikanische politische Kultur.

Im Moment sprechen die Umfragen für Trump und gegen Joe Biden, aber die Differenz ist sehr knapp. Und bis zum November bleibt noch viel Zeit für den amtierenden Präsidenten, um das Narrativ zu seinen Gunsten zu verändern. Joe Bidens grösstes Problem ist einerseits, dass die Amerikaner die wirtschaftliche Lage schlechter einschätzen, als sie ist. Er muss die Leute davon überzeugen, dass es ihnen besser geht, als es die allgemeine Stimmung suggeriert.

Und andererseits?

Viele Menschen, die 2020 ihre Stimme Joe Biden gaben, sind sich noch nicht sicher, ob sie dies erneut tun werden. Vieles spricht aber dafür, dass sie es wieder tun werden, weil man sie jetzt regelmässig daran erinnern wird, warum sie 2020 mobilisiert worden sind. Als Gedächtnisstütze helfen da die vielen Gerichtstermine von Trump.

Man könnte aber auch behaupten, die Prozesse gegen Trump haben ihm eher genützt als geschadet und ihm eine Bühne geboten. Teilen Sie diese Einschätzung?

Die Frage ist, welchen Effekt man betrachtet. Auf Trumps Anhänger wird das keine grossen Auswirkungen haben. Und auch auf viele Wähler*innen der Republikaner, die Trump nicht als idealen Kandidaten sehen, werden die Prozesse keine abschreckende Wirkung haben, weil sie in erster Linie Opponenten der Demokraten sind. Entsprechend werden sie die bittere Pille von Trumps allfälliger Nominierung einfach schlucken. Ein anderer Effekt wird aber sein, dass bei vielen Leuten, die aktuell nicht glücklich sind mit der Politik Bidens, der Hass auf Trump verglichen mit der mangelnden Zufriedenheit mit Biden überwiegt. Für sie ist die Berichterstattung über die Prozesse eine ständige Erinnerung an diese Denkweise. Es wird sie motivieren, wieder demokratisch zu wählen – zwar nicht für Biden, aber gegen Trump.

Manche Medien und Beobachter gehen von grossen Veränderungen aus, sollte Trump wieder an die Macht kommen, teils wird über die Errichtung einer Diktatur spekuliert: Teilen Sie diese Sorgen?

Solche Befürchtungen sehe ich kritisch. Sollte er gewählt werden, würde mit Trump sicherlich kein lupenreiner Demokrat an der Macht sein. Das hat man insbesondere am Umgang mit seiner Wahlniederlage vor vier Jahren gesehen. Aber bereits 2016 stand die Sorge im Raum, Donald Trump würde einfach durchregieren. Und es kam trotz republikanischer Mehrheiten im Kongress, im Senat und im Supreme Court zu einer relativ konventionell republikanischen Regierung.

Nun wird manches etwas anders sein, weil Trump neue Leute um sich hat. Aber die Zeichen stehen für die Demokraten insofern gut, als dass viele Prognosen davon ausgehen, dass sie das Repräsentantenhaus werden halten können. Dies dürfte die Politik Trumps bereits etwas blockieren. Auch der Supreme Court hat nicht immer im Sinne der Regierung Trump entschieden, obschon er konservativ dominiert ist. Insofern muss man sich fragen, wer ein Interesse daran haben könnte, die Angst einer möglichen Diktatur hochkochen zu lassen.

Haben Sie eine Antwort auf diese Frage?

Im Moment ist es so, dass Joe Bidens Hauptargument gegen Trump lautet: Eine Stimme für Trump ist eine Stimme gegen die Demokratie. Entsprechend befeuert er diese Ängste. Obwohl es nicht die Aufgabe eines Präsidenten sein kann, das Vertrauen in die Institutionen und deren Widerstandsfähigkeit weiter zu schwächen. Es wird ja suggeriert, der Präsident könne alles tun – und das ist eben nicht der Fall.

Trump ist kein Freund der Nato. Was hätte eine erneute Wahl von ihm für Konsequenzen für den Ukraine-Krieg?

Es ist tatsächlich so, dass sich Trump bisher sehr skeptisch zur Militärhilfe der USA für die Ukraine geäussert hat. Darum hat auch Selenskyj kürzlich das direkte Gespräch mit ihm gesucht. Gleichzeitig wissen wir, dass Donald Trump nicht immer seinem eigenen Wort folgt. Er hat auch schon öfter mit der Idee eines Nato-Austritts der USA gespielt und dabei grossen Gefallen an den Ängsten, die diese Statements ausgelöst haben, gefunden. Von daher erachte ich es als zu früh, um sich in Horrorprognosen zu üben.

Er wird sicher weiterhin forcieren, dass Europa selbst mehr Verantwortung für die eigene Sicherheit übernehmen muss. Aber dass er der Ukraine-Hilfe radikal den Stecker zieht, würde ich nicht als in Stein gemeisselt sehen. Er ist nämlich durchaus auch überzeugbar, das hat er in seiner ersten Amtszeit gezeigt. Und er gefällt sich in der Figur, als Retter auftreten zu können.

Was hätte aus Ihrer Sicht eine zweite Amtszeit von Trump für weitere Auswirkungen für Europa?

Er hat bereits angekündigt, dass die amerikanische Wirtschaftspolitik wesentlich protektionistischer würde. Der Tonfall und die Gangart gegenüber China würden sich verschärfen. Entsprechend könnte sich auch der Druck auf viele europäische Länder erhöhen, Redundanzen in den Lieferketten zu schaffen, um im Handel mit den USA weiterhin gut dazustehen.

Der Freihandel gilt als Feindbild von Trump. Im Wahlkampf hat er einen universellen Zoll von 10 Prozent auf Importe aus allen Ländern angekündigt und sich selbst als «Tariff Man» bezeichnet.

Aber auch da gilt: Sobald das negative Folgen für die amerikanische Wirtschaft haben wird, ist ein solcher «Tariff» auch schnell wieder weg.

Also «America First», aber nicht um jeden Preis?

Genau, vor allem nicht um den Preis, dass es ihn seine Anhängerschaft kosten könnte.