Bluttat in Brüssel Das ist über den Schützen bekannt – und das über die Opfer

DPA, red.

17.10.2023 - 12:11

Nach Anschlag in Brüssel: Polizei schiesst Verdächtigen nieder

Nach Anschlag in Brüssel: Polizei schiesst Verdächtigen nieder

Nach dem Mordanschlag auf zwei Schweden in Brüssel hat die belgische Polizei am Dienstag einen bewaffneten Verdächtigen niedergeschossen. Ob es sich dabei um den Todesschützen vom Montagabend handelt, war zunächst unklar.

17.10.2023

Der Mann, der am Montagabend in der Brüsseler Innenstadt zwei schwedische Fussballfans erschossen hatte, wurde am Dienstag bei einem Polizeieinsatz getötet. Eines der Opfer trug eine Schweizer ID auf sich.

17.10.2023 - 12:11

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Am frühen Montagabend ist ein bewaffneter Mann in Brüssel von einem Roller abgestiegen und hat auf der Strasse Schüsse abgegeben.
  • Ein Tatverdächtiger wurde am Dienstagmorgen von der Polizei erschossen. Er starb bei einem Einsatz in der Gemeinde Schaerbeek.
  • Zwei Schweden kamen ums Leben. Sie starben rund fünf Kilometer entfernt von einem Fussballstadion, wo die Nationalmannschaften Belgiens und Schwedens in einem EM-Qualifikationsspiel gegeneinander spielten.
  • Einer der beiden Getöteten trug eine Schweizer Identitätskarte auf sich.
  • Ein drittes Opfer, ein Taxifahrer, ist laut Staatsanwaltschaft inzwischen ausser Lebensgefahr.

Was ist über den Täter bekannt?

Nach den tödlichen Schüssen auf zwei Schweden in Brüssel wurde der Tatverdächtige von der Polizei getötet. Die belgische Innenministerin Annelies Verlinden sagte dem Rundfunksender VRT, der Verdächtige sei von der Polizei erschossen worden.

Der mutmassliche Islamist war nach stundenlanger Fahndung am Dienstagmorgen von der Polizei in einem Café im Viertel Viertel Schaerbeek gestellt worden. Bei dem 45-jährigen Tunesier, einem abgelehnten Asylbewerber, wurde den Angaben zufolge eine Waffe gefunden, die die Tatwaffe vom Montagabend sein könne.

Der belgische Ministerpräsident Alexander De Croo teilte bereits zuvor mit, dass es sich bei dem Tatverdächtigen um einen tunesischen Staatsbürger gehandelt habe, der sich irregulär im Land aufgehalten habe. Mit einer Militärwaffe habe er am Montagabend zwei schwedische Staatsbürger erschossen und einen weiteren schwer verletzt.

Die belgische Bundesanwaltschaft äusserte sich vorsichtiger und teilte mit: «Es gibt starke Vermutungen, aber keine Gewissheit», dass der Mann der Schütze gewesen sei.

Nach Angaben von Staatsanwalt Frédéric Van Leeuw postete der Mann nach der Tat ein Video im Internet, in dem er sich zur Tötung dreier schwedischer Staatsbürger bekannt haben soll (eines der Opfer überlebte aber, siehe unten). Der Koran sei «eine rote Linie, für den er bereit sei, sich selbst zu opfern», soll der Mann demnach erklärt haben.

Schweden hatte im August die Terrorwarnstufe verschärft, nachdem es zu einer Serie von Koran-Verbrennungen durch einen im Land lebenden Iraker gekommen war. Dies erzürnte islamistische Gruppen. 

Polizeibeamte sichern den Einsatzort, wo der mutmassliche Täter «neutralisiert» wurde.
Polizeibeamte sichern den Einsatzort, wo der mutmassliche Täter «neutralisiert» wurde.
Bild: AP

Der belgische Justizminister Vincent Van Quickenborne erklärte, ein Asylantrag des Tatverdächtigen sei 2019 abgelehnt worden. Der Mann sei polizeibekannt, mutmasslich in Menschenschmuggel verwickelt gewesen und sei verdächtigt worden, eine potenzielle Gefahr für die Staatssicherheit zu sein.

Eine ausländische Regierung soll den belgischen Behörden Informationen zugespielt haben, wonach der Mann sich radikalisiert und die Absicht gehegt habe, zum Dschihad ins Ausland zu gehen. Da die belgischen Stellen dies jedoch nicht bestätigen konnten, wurde er nicht als Gefährder eingestuft.

Van Quickenborne ergänzte weiter, dass der Verdächtige in einer Asylunterkunft eine andere Person bedroht habe. Zu dem Fall hätte es am Dienstag eine Anhörung geben sollen. Da der Mann nach Ablehnung seines Asylantrags abgetaucht sei, hätten ihn die Behörden nicht aufspüren und seine Abschiebung in die Wege leiten können, sagte die zuständige Staatssekretärin Nicole de Moor.

Was ist passiert?

Am frühen Montagabend war laut Nachrichtenagentur Belga ein bewaffneter Mann im Norden der Brüsseler Innenstadt von einem Roller abgestiegen und hatte auf der Strasse Schüsse abgegeben. Als mehrere Menschen in einen Hauseingang flohen, soll er sie verfolgt und auf sie geschossen haben. Die Polizei bestätigte diese Angaben zunächst nicht.

Was ist über die Opfer bekannt?

Zwei Fussballfans aus Schweden kamen ums Leben. Sie starben rund fünf Kilometer entfernt vom Brüsseler Fussballstadion, wo die Nationalmannschaften von Belgien und Schweden in einem EM-Qualifikationsspiel gegeneinander spielten. Die Nachricht vom Tod der beiden Schweden verbreitete sich in der Halbzeitpause, die Partie wurde daraufhin abgebrochen

Ein drittes Opfer, ein Taxifahrer, wurde verletzt. Der Mann ist laut Staatsanwaltschaft inzwischen ausser Lebensgefahr.

Einer der beiden getöteten Schweden lebte gemäss Angaben des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) in der Schweiz. Das EDA habe Kenntnis von einem schwedischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in der Schweiz, der Opfer des Anschlags vom Montagabend in Brüssel wurde, hiess es auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Bereits davor war bekannt geworden, dass eines der Todesopfer eine Schweizer Identitätskarte (ID) auf sich trug. Das gab die mit dem Fall beauftragte belgische Generalstaatsanwaltschaft am Dienstagmorgen bekannt.

Ihr zufolge waren alle drei Opfer – die beiden Getöteten und der verletzte Taxifahrer – schwedischer Herkunft.

Wieso ist von einem terroristischen Motiv die Rede?

Für Brüssel wurde am Montagabend die höchste Terrorstufe ausgerufen. Wegen eines «potenziell terroristischen Motivs» zog die Bundesstaatsanwaltschaft die Ermittlungen an sich. Auch Ministerpräsident Alexander De Croo sprach von Terror und rief alle Menschen in Brüssel zu erhöhter Wachsamkeit auf. 

Ermittler arbeiten am Montagabend am Ort der Tat in Brüssel.
Ermittler arbeiten am Montagabend am Ort der Tat in Brüssel.
Bild: Keystone/EPA/Olivier Hoslet

Es ist nicht das erste Mal, dass in Brüssel Menschen Opfer eines Anschlags werden. Erst vor rund vier Wochen endete der Prozess zu den Brüsseler Terroranschlägen von 2016. Drei Selbstmordattentäter der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) hatten damals Bomben am Brüsseler Flughafen Zaventem sowie in einer U-Bahn-Station im Herzen der belgischen Hauptstadt gezündet. Sie töteten über 30 Menschen, 340 weitere wurden verletzt.

Für Fassungslosigkeit bei den Hinterbliebenen sorgten damals auch Medienberichte, wonach mehrere der Angeklagten vor den Anschlägen von den belgischen Sicherheitsbehörden überwacht worden waren – und später dennoch ihre Bluttaten verüben konnten.

Wurden gezielt Schweden als Opfer ausgesucht?

Das ist denkbar, aber noch nicht bestätigt. Die Nachrichtenagentur Belga zitierte einen Sprecher der Bundesstaatsanwaltschaft, wonach auch die schwedische Staatsangehörigkeit der Opfer eine Motivation für die Tat sein könnte. In diesem Jahr hatten Menschen in Schweden und später auch in Dänemark mehrmals Koran-Exemplare verbrannt und damit wütende Reaktionen unter Muslim*innen ausgelöst. Für die skandinavischen Länder hatte dies diplomatischen Ärger nach sich gezogen.

Der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson rief seine Landsleute in Belgien zur Vorsicht und Wachsamkeit auf.  Der belgische Regierungschef De Croo drückte Kristersson sein aufrichtiges Beileid aus: «Als enge Partner ist der Kampf gegen den Terrorismus ein gemeinsamer Kampf.» Der Sprecher der Bundesstaatsanwaltschaft stellte allerdings klar, dass es bislang keine Verbindung zwischen dem Anschlag und dem israelisch-palästinensischen Konflikt gebe.

DPA, red.