Das Warten für die Darts-Fans hat ein Ende. Heute Dienstag beginnt die Weltmeisterschaft, die bis ins neue Jahr dauert. Vor dem Start hat «blue Sport» mit der Weltnummer 1, Michael van Gerwen, über die spezielle Ausgangslage in diesem Jahr gesprochen.
Michael van Gerwen, sind Sie vor einer Weltmeisterschaft eigentlich noch nervös?
Nein, nervös nicht, es ist mehr eine grosse Vorfreude da. Ich bin zwar noch jung, aber doch schon relativ lange dabei. Da gewöhnt man sich dran. Ich hatte in den letzten Jahren so viel Druck auf meinen Schultern, dass mich das nicht mehr belastet.
2020 war in vielerlei Hinsicht speziell. Inwiefern hatte die Corona-Pandemie Einflüsse auf Sie als Sportler?
Natürlich, es behindert uns ja alle im Alltag. Jeder musste sich irgendwie anpassen und mit der neuen Situation zurechtkommen. Es ist nun leider einfach so, dass es ein Teil des Lebens ist. Man muss sich damit abfinden und Lösungen finden. Denn wenn man stillsteht, ist es, als ob man rückwärtsgehen würde.
Michael van Gerwen
Michael van Gerwen (25. April 1989) ist ein niederländischer Dartspieler. Sein Spitzname lautet «Mighty Mike». Derzeit ist er die Nummer 1 der Welt auf der «PDC Order of Merit». 2014 gewann er die PDC-Weltmeisterschaft und wurde damit zum bisher jüngsten PDC-Weltmeister. 2017 und 2019 holte er den Titel erneut.
Die WM im ‹Ally Pally› wird anders werden. Es wird zwar Zuschauer haben, aber sie dürfen sich nicht verkleiden und auch nicht aufstehen und singen. Ändert das etwas für Sie auf der Bühne?
Es ist nun fast schon ein Jahr so, ich habe mich schon etwas daran gewöhnt. Natürlich hätte ich gerne Zuschauer. Ich liebe es, vor einer grossen Menge zu spielen. Aber ich kann es ja nicht ändern, also muss ich mich einfach damit zurechtfinden.
Ebenfalls neu ist, dass es die ‹Two-clear-Legs-Regel› nicht mehr gibt. Was halten Sie davon?
Ich muss einfach schauen, dass ich nicht in die Situation komme, wo es ein Problem werden könnte (lacht). Natürlich wäre es mir lieber, wenn es diese Regel noch gäbe, da es für mich ein Vorteil wäre. Aber ich verstehe es voll und ganz. Wir können ja froh sein, dass wir überhaupt spielen dürfen.
Darts-WM: Die wichtigsten Infos
- Die Darts-Weltmeisterschaft 2021 startet am 15. Dezember 2020 und endet mit dem Final am 3. Januar 2021.
- Seit Ende 2007 findet die Darts-WM im altehrwürdigen Alexandra Palace in London statt – besser bekannt als Ally Pally.
- Bei der WM liegt das Preisgeld bei insgesamt 2,5 Mio. Pfund – der Sieger bekommt 500'000 Pfund, das sind rund 600'000 Franken.
- Die Favoriten sind die üblichen Verdächtigen: Angefangen mit Michael van Gerwen, Gerwyn Price oder auch dem amtierenden Weltmeister Peter Wright.
Sie hatten in diesem Jahr keine wirklich gute Saison und mussten lange auf einen grossen Titel warten. Ende November konnten Sie dann die ‹Players Championship Finals› gewinnen. Eine grosse Erleichterung?
Ja, natürlich, denn ich musste lange darauf warten. Klar war ich über den Verlauf meiner Saison enttäuscht, aber ich habe mir dann gesagt, dass ich einfach noch härter arbeiten muss, um noch stärker zurückzukommen.
Wie sieht harte Arbeit bei einem Dartsprofi aus? Arbeitet man mehr an der Technik oder im mentalen Bereich?
Beides, aber jeder Spieler hat seine eigene Routine. Ich trainiere anders als die meisten Spieler. Sie spielen oft gegeneinander. Ich denke aber, dass das Unsinn ist. Ich trainiere mehr mit Visualisierungen. Ich stelle mir Situationen aus einem Match vor und spiele diese dann.
Haben Sie jemals an sich gezweifelt?
Nein, gezweifelt habe ich nie. Ich hatte nicht mein bestes Jahr, aber ich habe dennoch von allen Spielern das meiste Preisgeld gewonnen. Also kann es nicht so schlecht gewesen sein, oder?
Wie halten Sie die Motivation aufrecht, wenn es mal nicht so läuft?
Ich will immer gewinnen. Wenn ich nicht gewinne, arbeite ich noch härter. Das motiviert mich. Ich stehe nie still und sehe die Zukunft immer positiv.
Darts-Legende Phil Taylor hat 14 WM-Titel gewonnen. Ist das eine Art Fernziel für Sie?
Nein, das wäre nicht vernünftig. Als Phil seine ersten Titel gewann, nahmen an einer WM nur 16 Spieler teil, nun sind es 96. Es ist nun eine andere Ära, das kann man nicht vergleichen.
Aber im Darts gibt es ja eigentlich kein Ablaufdatum für Spieler …
Ja, wenn man das Feuer und die Kraft noch hat, könnte man praktisch ewig spielen. Aber das will ich nicht. Ich habe mich in eine sehr schöne Position gebracht, aber das Wichtigste für mich ist, dass ich Spass an dem habe, was ich tue. Ich liebe es immer noch, Darts zu spielen, obwohl ich schon fast 16 Jahre auf dem höchsten Level spiele. Das ist also ein gutes Zeichen.
Trotz der eher durchzogenen Saison sind Sie immer noch die Weltnummer 1. Also auch der Favorit für die WM?
Ich werde immer der Favorit sein, die Leute wissen das. Ich bin derjenige, auf den sie am meisten schauen. Sie wissen, dass ich schwer zu schlagen bin, wenn ich mein Spiel aufziehe. Für mich ist es wichtig, dass ich nicht auf andere schaue oder höre, sondern das tue, worin ich am besten bin: Darts spielen.
Darts-WM: Die wichtigsten Regeln
- Die Regeln: Ein Spiel ist in «Sets» und «Legs» unterteilt. Man gewinnt ein «Leg», in dem man als Erster die 501 Punkte exakt herunterspielt. Die letzten Punkte muss man mit einem Treffer eines Doppelfeldes oder «Bulls-Eye» erzielen, um das «Leg» zu gewinnen. Einen Satz gewinnt man, wenn man eine bestimmte Anzahl an Legs gewonnen hat. Bei der Darts WM sind dies drei «Legs».
- Ab der ersten Runde wird «Best of 5» gespielt – also drei Sätze benötigt man zum Sieg.
- Dies steigert sich dann in der zweiten und dritten Runde auf «Best of 7» – also vier Gewinnsätze. Im Viertelfinal sind es schon «Best of 9» (fünf Gewinnsätze).
- Im Halbfinal wird ein «Best of 11» (sechs Gewinnsätze) gespielt.
- Im Final wird ein «Best of 13» bestritten. Sieger ist derjenige, der sieben Sätze gewinnt. Hinzu kommt, dass der Gewinnsatz mit zwei Legs Vorsprung gewonnen werden muss.
Denken Sie, dass die anderen Spieler Sie nach diesem Jahr etwas anders sehen?
Klar. Sie denken, dass es etwas zu holen gäbe. Sie alle reden, doch sie reden alle nur Unsinn. Sie sagen, was sie tun werden. Doch erst sollen sie es tun, dann können sie den Tapferen spielen. Solange ich die Weltnummer 1 bin und die anderen mich immer noch jagen wollen, weiss ich, dass ich ein starker Spieler bin.
Spüren Sie die Nervosität der anderen Spieler, wenn Sie auf der Bühne stehen?
Ich weiss, dass sie nervös sind, wenn sie gegen mich spielen. Nicht alle, aber die meisten. Du musst das richtig nutzen. Dein Fokus, deine Energie, dein Mindset. Wenn du das musst und auch willst, kannst du sie so an der richtigen Stelle treffen.
Ihre Einlaufmusik ist ‹Seven Nations Army›. Was fühlen Sie während des ‹Walk On›?
Es fliesst Energie durch meinen Körper. Insbesondere wenn Fans da sind, gibt es mir einen richtigen Kick und ich kriege Gänsehaut.
Wie investieren Sie eigentlich all Ihr Preisgeld?
Zuletzt habe ich mein Haus erweitert. Den Rest spare ich und zahle Steuern. Glauben Sie mir, in Holland sind diese deutlich höher als in der Schweiz.
Warum ist eigentlich Darts in der Schweiz nicht so populär wie in Holland oder Deutschland?
Ich weiss es nicht, es kam irgendwie nie richtig an. Ich hätte eigentlich in Zürich spielen sollen, aber der Anlass wurde leider abgesagt. Es wäre toll gewesen, in einem neuen Land einen Reiz zu setzen.
Dann erklären Sie uns Schweizern doch bitte mal die Faszination Ihres Sports.
Wenn man sich erst einmal mit dem Spiel befasst, lässt es viele nicht mehr los. Es ist ein Sport, der einfach zu verstehen ist. Wenn in einem Fussballspiel wenig los ist, langweilen sich die Leute. Im Darts herrscht in jedem ‹Leg› Druck, es gibt keine Zeit, sich auszuruhen. Und man hat immer einen Favoriten, deshalb ist es sehr aufregend, zuzuschauen.