Stefan Bellmont startet als erster Schweizer bei der Darts-WM in London. Der Chamer hat sich mit dem Auftritt im berühmten Alexandra Palace einen Traum erfüllt, den er möglichst lange leben will.
Die Tür zu «Belli’s Darts House» steht offen. Es ist ein kühler Nachmittag Anfang Dezember, als Stefan Bellmont in sein Reich in einem Chamer Industriegebiet einlädt. Gut drei Monate ist es her, dass der 35-Jährige im Untergeschoss eines Solartechnikunternehmens sein eigenes Dartslokal eröffnen und sich damit einen lang gehegten Traum erfüllen konnte.
Bellmont winkt zur Begrüssung. Er ist am Telefon und läuft zwischen Tischen und Dartscheiben umher. Der Chamer bespricht gerade einen Artikel, der irgendwann über ihn erscheinen wird. Eigentlich, sagt er später, mache er die Sachen mit den Medien gar nicht so gern. «Am liebsten würde ich einfach Darts spielen. Aber es gehört halt dazu.»
Der Grund, weshalb der gelernte Koch in den medialen Fokus gerückt ist, lässt sich an einer Scheibe aufzeigen, die im Lokal einen ganz besonderen Platz links vom Eingang erhalten hat. Sie sieht aus wie jede andere Dartscheibe, die an der rechten Wand aufgehängt ist. Mit Feldern in schwarz, rot, grün und weiss, umrandet von Zahlen von 1 bis 20.
Doch drei Löcher in der aus Sisal hergestellten Scheibe, die sich nach wie vor erahnen lassen, haben eine ganz besondere Bedeutung für Stefan Bellmont. Er steckt einen Pfeil in die Triple-20, einen in die einfache 14 und einen in die Mitte, ins Bullseye. Eigentlich, sagt Bellmont mit einem Lachen, hätte er das Triple-Feld der 14 treffen und dann mit einem Treffer in die Doppel-11 abschliessen wollen. Doch als sein zweiter Pfeil das Ziel um Millimeter verfehlt, stellt er um und schreibt mit seinem Wurf in die Mitte der Scheibe Dartsgeschichte, indem er sich zum ersten Schweizer WM-Teilnehmer macht.
Starke Nerven in Kalkar
Knapp einen Monat ist es her, dass Bellmont in Kalkar im Nordwesten Deutschlands nahe der niederländischen Grenze ein Qualifikationsturnier für die Weltmeisterschaft bestritt. 92 Dartsspieler aus Europa versuchten, sich mit dem Turniersieg das einzige verfügbare Ticket für die WM im berühmten Alexandra Palace in London zu sichern, wo zwischen dem 15. Dezember und dem 3. Januar der Weltmeister gekürt wird.
Schon viermal hatte der Zuger probiert, sich auf diesem Weg auf die grösstmögliche Bühne zu spielen, die es für einen Dartsspieler gibt. Im letzten Jahr scheiterte er im Halbfinal. Doch diesmal flogen die Pfeile bis zum Schluss zu seinen Gunsten. Wobei es in den insgesamt sieben Runden doch auch heikle Momente zu überstehen gab. Vorab im Final, als der Niederländer Jimmy van Schie zwei Matchdarts besass, diese aber ungenutzt liess. Und natürlich im entscheidenden 13. Leg, als Bellmonts Kontrahent noch 58 Punkte übrig hatte, der Zentralschweizer also praktisch gezwungen war, seine verbleibenden 124 Punkte auszuchecken und das Spiel zu beenden. Was ihm mit besagter Kombination aus Triple-20, 14 und Bullseye gelang.
«Ich habe immer an mich geglaubt», sagt Bellmont. «Es macht mich sehr stolz, ist alles so perfekt aufgegangen.»
Rituale für den Fokus
Wie so viele Darts-Karrieren hat auch diejenige von Stefan Bellmont seine Anfänge in einer Kneipe. Als er nach der Lehre als Koch arbeitet, trifft er sich manchmal nach Feierabend mit Kollegen in einer Bar in Steinhausen. Irgendwann wirft auch er ein paar Pfeile auf einen der E-Dart-Kästen, die dort aufgestellt sind. Da er gut trifft, wird er bald einmal gefragt, ob er Teil eines Teams sein und regelmässig trainieren wolle.
Vor zehn Jahren beginnt er dann auch Steel-Darts zu werfen. Da er bei dieser Variante des Darts die Punkte selber zusammenrechnen muss, hegt er lange einen gewissen Vorbehalt. «Heute kann ich nur darüber lachen», sagt Bellmont, der dank der Infrastruktur in seinem Lokal bis zu fünf Stunden pro Tag trainiert.
Aus dem gemütlichen Zeitvertreib ist also längst eine Passion geworden. Neben den Sessions am Board tauscht sich Bellmont auch regelmässig mit einem Mentaltrainer aus. Denn der Kopf spielt im Darts eine ebenso wichtige Rolle wie der Wurfarm. Der Zuger erzählt von seinem ersten Turnier im Ausland, das im Internet live mitverfolgt werden konnte. Damals sei er im Kopf gar nicht bereit gewesen. Der Gedanke, dass nun alle gleich sehen würden, wenn er in einer Aufnahme nur 60 oder 45 Punkte werfen würde, blockierte ihn.
Mittlerweile hat er Strategien parat, die ihm helfen, den Fokus zu behalten. Rituale wie das Händewaschen vor einem Spiel geben ihm Sicherheit. Und ermöglichen ihm, auf internationalem Parkett für Aufsehen zu sorgen. Zwei Turniere der Challenge Tour hat er gewonnen, und dank konstant guten Leistungen in dieser zweitwichtigsten Turnierserie des Welt-Dartsverbands PDC konnte er in diesem Jahr als Nachrücker auch insgesamt 22 Mal auf der Pro Tour, der wichtigsten Turnierserie, starten.
Gotthard im «Ally Pally»
So auch am 9. April in Leicester. Und der Ausflug in die englischen East Midlands sollte ein denkwürdiger werden. Denn mit Michael Smith in der zweiten und Rob Cross in der vierten Runde mussten die Weltmeister von 2023 und 2018 Stefan Bellmont zum Sieg gratulieren.
Bis zur geschafften WM-Qualifikation waren dies die grössten Erfolge in der Karriere des Schweizer Meisters von 2022 gewesen und ein Beleg dafür, dass sich das Training, für das er seinen Teilzeitjob in der Logistik eines Darts-Onlineshops aufgegeben hat, auch in den Resultaten auszahlt. Doch nun konnte Bellmont sich als WM-Teilnehmer einen nächsten Traum erfüllen, den er vor zehn Jahren nur aus Jux schon mal ins Auge gefasst hatte.
Damals war er als Zuschauer in London bei den Halbfinals dabei und sagte zu seinen Begleitern, wenn er das nächste Mal herkomme, stehe er dann auf der Bühne. Am Sonntag gegen 21 Uhr wird es nun so weit sein, wird mit «Lift U Up» von Gotthard erstmals ein Einlaufsong einer Schweizer Band durch den «Ally Pally» dröhnen und die feiernden Fans animieren.
In der ersten Runde bekommt es Bellmont, die Weltnummer 124, mit dem Niederländer Jermaine Wattimena (36) zu tun. Sollte er sich durchsetzen, käme mit James Wade (16) am Montag eine grosse Herausforderung auf ihn zu. Doch so weit denkt Stefan Bellmont nicht. Auch nicht daran, ob er bei einem Sieg die Scheibe wieder nach Hause nehmen würde. Er sagt: «Ich freue mich riesig auf diese WM-Erfahrung. Ich habe nichts zu verlieren.»