Heute vor 33 Jahren endete die längste Siegesserie auf der Tartanbahn: Der amerikanische 400-m-Hürdenläufer Edwin Moses musste sich in Madrid nach 122 Siegen in Folge geschlagen geben.
9 Jahre, 9 Monate und 9 Tage herrschte Ed Moses ungeteilt über die 400-m-Hürden. Von den Olympischen Spielen 1978 in Montreal bis zum Meeting in Madrid am 4. Juni 1987 war der elegante Läufer aus Ohio meistens um einige Klassen besser als die Konkurrenz. Je zweimal wurde er Olympiasieger und Weltmeister, viermal verbesserte er den Weltrekord. In Zürich feierte er seinen 83., in Lausanne unter anderem seinen 100. Sieg in Folge.
Tiger Woods, der Rekordjäger im Golf, nannte die Erfolgsserie von Moses die eindrücklichste überhaupt im Sport: «Eines dieser Rennen muss man doch verlieren? Irgendwann muss man an einer Hürde ankommen?» Moses war derart überlegen, dass er sich auch kleine Fehler leisten konnte. Sein Triumphzug durch die Stadien wuchs zu einer Serie an, die in der Leichtathletik nur die Hochspringerin Iolanda Balas übertraf. Die Rumänin reihte in den Fünfziger- und Sechzigerjahren über 140 Siege aneinander. Aber kein Läufer hat Moses' Marke auch nur annähernd erreicht: Usain Bolt gewann 45 Rennen in Serie, Michael Johnson 58.
Der von Woods angesprochene fatale Stolperer kam bei Moses dann doch. Im Estadio Vallehermoso, im Zentrum Madrids, lieferte er sich mit Landsmann Danny Harris auf der Zielgerade ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Bei der zehnten und letzten Hürde unterlief Moses der entscheidende Fehler: Er touchierte die Hürde, warf sie um und verlor damit auf seinen Gegner den halben Meter, der ihm schliesslich zum Sieg fehlte. Im Nachhinein bereute Moses vor allem, dass er das Rennen bestritten hatte, obwohl er sich krank fühlte.
In 13 grossen Schritten
Die Siegesserie endete vor den 12'000 spanischen Fans so überraschend wie sie fast zehn Jahre zuvor vor über 70'000 Zuschauern in Kanada begonnen hatte. Im riesigen Olympiastadion von Montreal war der 20-Jährige eine der grossen Attraktionen gewesen. Mit Sonnenbrille und schwarzer Halskette stürmte Moses innerhalb von wenigen Tagen an die Weltspitze: Landesrekord im Halbfinal, Weltrekord im Final. In seinen ersten Rennen, für die er entschädigt wurde, setzte der Physik-Student gleich neue Massstäbe.
Moses beschreibt sich selber als einen disziplinierten Tüftler. Ohne Trainer und mit einer kaum vorhandenen Infrastruktur an seiner Universität ging er früh einen eigenen Weg. Er analysierte seine Rennen am Computer und rannte auch Langdistanzen, um «für die entscheidenden letzten fünf Hürden» bereit zu sein. Als erster Läufer überhaupt schaffte er es mit 13 Schritten von Hürde zu Hürde, während die meisten Rivalen noch 15 dafür brauchten. «Alle hatten mir gesagt, das sei unmöglich», erzählte der bald 65-Jährige über seinen Rhythmus. «Aber es war nur eine Frage der Kondition.»
Eiserner Wille und eine Faszination für das Training ermöglichten Moses, sich über so lange Zeit an der Spitze zu halten. Bis 1983 verbesserte er den Weltrekord auf 47,02 Sekunden. Es ist die bis heute fünftbeste Zeit. Sein bestes Rennen lief er aber nach eigenen Angaben 1981 bei der Athletissima in Lausanne, als er eine exzellente Gelegenheit verpasste, unter 47 Sekunden zu laufen, weil er schon früh vor dem Ziel abbremste. Gerüchteweise heisst es, die Prämie für die Bestmarke sei aus Moses' Sicht nicht attraktiv genug gewesen.
Bremser und Dopingkämpfer
Auch nach dem Ende seiner Siegesserie prägte Moses noch die 400-m-Hürden. 1987 in Rom wurde er zum zweiten Mal Weltmeister. Ein Jahr später gewann er an den Olympischen Spielen in Seoul die Bronzemedaille. Sein Palmarès könnte noch eindrücklicher sein, wenn er nicht auf eine Teilnahme an den Olympischen Spielen 1980 in Moskau wegen des Boykotts hätte verzichten müssen oder wenn er nicht nur an zwei Weltmeisterschaften hätte teilnehmen können. Die Titelkämpfe wurden 1983 und 1987 erstmals überhaupt ausgetragen.
Nach seinem Rücktritt startete Moses eine Karriere im Zweierbob. Als Bremser erreichte er 1990 beim Weltcup in Winterberg den 3. Platz. Nur ein Jahr später brach er sein zweite Laufbahn vorzeitig ab, nachdem er die Selektion für die Olympischen Spiele 1992 in Albertville verpasst hatte. In den letzten Jahren trat der studierte Physiker und Betriebswirt Moses vor allem als Laureus-Botschafter und Dopingbekämpfer in Erscheinung.