Australian Open Federer: «Ich liebe solche epischen Spiele»

Syl Battistuzzi, Melbourne

24.1.2020

Roger Federer setzt sich nach einer dramatischen Partie gegen den Australier John Millman durch und steht im Achtelfinal. Der Zittersieg beweist: Der Schweizer hat noch einen langen Weg vor sich.

Nach gut vier Stunden ringt Roger Federer den Lokalhelden John Millman in fünf Sätzen mit 4:6, 7:6 (7:2), 6:4, 4:6 und 7:6 (10:8) nieder. Dabei führte sein Gegner im Super-Tiebreak sogar noch 8:4 und stand nur zwei Punkte vor seinem grössten Sieg. Das neue Format wird in Melbourne erst seit 2019 angewendet.

«Zum Glück ist es ein Super-Tiebreak, sonst hätte ich verloren», gestand auch Federer im Platzinterview. «John hat super gespielt, es hätte so oder so ausgehen können, ich hatte natürlich ein wenig Glück», so der Schweizer. Federer verriet sogar: «Ich war schon bereit, mich an der Pressekonferenz zu erklären».



Doch der 38-Jährige zog den Kopf in höchster Not noch aus der Schlinge. Stellvertretend für viele Fans des «Maestros» rund um den Globus litt seine Ehefrau auf der Tribüne fast bei jedem Punkt sichtlich mit. Sie sei stolz auf ihn, habe ihm Mirka nach dem Spiel gesagt, glaubt Federer sich zu erinnern. Schliesslich war es nicht irgendeiner, sondern sein 100. Sieg bei den Australian Open. Am Sonntag kämpft er gegen den Ungarn Marton Fucsovics um den Einzug in den Viertelfinal. Fucsovics spielt gemäss Federer «ähnlich wie Millman». Es liegt also noch viel Arbeit vor dem sechsfachen Australian-Open-Sieger.

Die Liebeserklärung ans Tennis

Nach eigener Aussage fühlte Federer sich auf dem Platz gegen die Nummer 47 der Weltrangliste nie richtig wohl, obwohl er gar nicht so schlecht gespielt hätte, wie er meint. «Sein Spiel liegt mir einfach nicht», erklärt Federer. «Ich weiss nicht, wann ich den Schalter umlegen muss.» Doch er habe versucht, stets positiv zu bleiben, erläutert er.

Die Matchstatistik spricht eine klare Sprache. Insgesamt beging er 82 unerzwungene Fehler, bei 62 Winners. Eine Negativbilanz, wie man es bei ihm nur selten sieht. Federer selbst sagt einerseits, Millman habe ihn dazu getrieben, andererseits sei es nach dieser Spielzeit logischerweise eine ganze Menge. Ausserdem habe der langsame Platz lange Ballwechsel begünstigt und so Serve-and-Volley fast verunmöglicht.

«Es tut weh», so ein enttäuschter John Millman nach dem Spiel.
«Es tut weh», so ein enttäuschter John Millman nach dem Spiel.
Bild: Keystone

Viele Infos habe ihm dieses Match gegeben, so Federer. Natürlich sei es ein Nachteil für das nächste Spiel, wenn man einen Fünfsätzer hinter sich habe, vor allem wenn ein Match länger dauere, so Federer.

Tatsächlich machen einige Gegner – in Anbetracht Federers heutiger Leistung – derzeit einen stärkeren Eindruck. Allen voran natürlich Titelverteidiger Novak Djokovic, der in seiner Partie gegen Yoshihito Nishioka während des ganzen Matches nach einem ersten Service im Feld nur drei (! ) Punkte abgab. Roger Federer muss als Rekord-Grand-Slam-Sieger niemanden mehr etwas beweisen. Seine eigenen Erwartungen seien nach der Turnierpause vor Melbourne nicht sehr hoch, gestand er kürzlich. 

Und doch geht einem als Tennisfan das Herz auf, wenn man Federers Worten zuhören darf, wie er von seinem Drama gegen Millman erzählt: «Plötzlich dreht man die ganze Sache innert zwei Minuten. Und dann hat sich alles, was ich durchmachte, so sehr gelohnt. Ich spiele Tennis um Titel zu gewinnen und versuche dabei so viele Spiele wie möglich zu gewinnen. Aber ich geniesse es auch, bei solchen epischen Spielen auf dem Platz zu stehen. Es muss nicht immer ein Finale sein. Solange das Publikum mitfiebert und man einen tollen Kampf mit einem Gegner abliefert, gibt es einem ein tolles Gefühl. Ich hoffe wirklich, ich hätte auch dasselbe Gefühl, wenn ich verloren hätte.»

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