Die Parallelen zwischen Marco Odermatt und Roger Federer sind offensichtlich. Das Ski-Ass gibt sich aber bescheiden. Und gerade deshalb drängt sich ein Vergleich auf.
Beim Saisonauftakt in Sölden hat Marco Odermatt auf imposante Art und Weise demonstriert, dass er auch diese Saison der Mann ist, den es zu schlagen gilt. Wer Anspruch auf den Gesamt-Weltcup hat, muss am Schweizer Ski-Genie vorbei.
Mit seinem Sieg im Riesenslalom startete der Dominator der letzten Saison da wo er zuletzt aufgehört hat. Den Medien gehen schon jetzt die Superlative aus. Als «Rohdiamant», «Wunderkind» und «begabtester Athlet seiner Generation» wird Odermatt bezeichnet. Die Ski-Welt schwärmt von seinem Fahrstil, so beispielsweise auch der frühere Olympia-Sieger Didier Defago: «Aus technischer Sicht ist faszinierend, dass seine Ski nie den Kontakt zum Schnee verlieren. Dadurch fährt er sehr stabil. Nach einem wie Marco muss man lange suchen.»
In einer Liga mit Pirmin Zurbriggen
Für die Schweiz ist es schon eine Weile her seit sie einen solchen Ausnahmekönner in ihren Reihen hatte. Carlo Janka gewann zwar ebenfalls schon den Gesamt-Weltcup und auch Beat Feuz, Didier Cuche oder Michael von Grünigen mischten mit den ganz Grossen mit. Eine ähnliche Dominanz war aber höchstens bei Pirmin Zurbriggen in den Achtziger-Jahren auszumachen.
Hinzu kommt, dass Odermatt erst am Anfang seiner Karriere steht und selber sogar noch Luft nach oben sieht. Vor allem im mentalen Bereich sei noch Optimierungsbedarf, auch wenn es ihm dieses Jahr schon deutlich leichter fällt. «Ich bin ruhiger. Ich habe die grosse Kristallkugel schon einmal gewonnen und weiss, dass ich es wieder schaffen kann. Meine Ambitionen sind sehr hoch», erklärt er mit der für ihn typischen Mischung aus Ehrgeiz und Lockerheit.
Genau hier erkennt man auch wieder die Gemeinsamkeiten mit Roger Federer. Trotz all seiner Erfolge ist der «Maestro» immer bodenständig geblieben, ohne dabei seine Ziele aus den Augen zu verlieren.
Doch fühlt sich Marco Odermatt überhaupt in der Lage, den Platz Roger Federers in den Herzen der Schweizer:innen einzunehmen? «Roger ist so gross, man kann uns nicht vergleichen. Wie viele andere Menschen habe ich beim letzten Spiel in London ein paar Tränen geweint – gerade auch, weil ich das Glück hatte, vor Ort sein zu können.»
Ein Star zum Anfassen
Auch beim ATP-Turnier von Basel war Marco Odermatt unter den Zuschauern, genauso wie beim Eidgenössischen Schwingfest. Ausserdem ist er als Botschafter an verschiedenen sportlichen Grossevents wie dem Wings for Life World Run und wenn er doch mal Zuhause ist, verteilt er vor der Schule fleissig Autogramme und macht Selfies mit den ganz jungen Fans.
Odermatt ist ein Star zum Anfassen. Einfach ein cooler Typ, der so ist, wie er eben ist. Das ganze Leben ist ein Spass, selbst das Skifahren. «Ich bin vielleicht ein bisschen entspannter als die anderen», sagte er kürzlich. «Aber ich weiss auch, wann ich Gas geben muss. Ich will alles geben und gleichzeitig Spass haben. Wenn ich mir zu sehr den Kopf zerbreche, funktioniert das bei mir nicht.» So gehören auch ein Jass und ein paar Bierli mal zum Kontrastprogramm des Ausnahme-Athleten. «Ab und zu muss ich einfach mal Dampf ablassen.»
Angriff in der Abfahrt
Andere lassen Dampf eher auf der Skipiste ab. Das Terrain ist dem Nidwaldner aber offenbar zu vertraut. Bisher gehen zwölf Weltcup-Siege auf das Konto des Nidwaldners. Acht in seiner Paradedisziplin Riesenslalom, vier im Super-G. In der Abfahrt reichte es bisher vier Mal nur für Platz 2 – darunter auch beim Rennen auf der Streif, wo er hinter Beat Feuz für einen Schweizer Doppelerfolg sorgte.
Diese Saison will Odermatt aber auch hier noch mehr angreifen. Dafür verbrachte er auch einen Teil des Sommers mit dem Schweizer Abfahrtsteam in Chile. «Ich liebe die Abfahrt, ein Sieg am Lauberhorn oder in Kitzbühel muss ein einmaliges Erlebnis sein», glaubt Odermatt.
Die Herzen der Fans werden ihm so oder so zufliegen. Nicht nur in den heimischen Bergen. Aber auch das war bei Roger Federer ja nicht anders.