Diskussionen gehen weiter Odermatt über Kriechmayrs Wengen-Triumph: «Das Worst-Case-Szenario»

sda

15.1.2022 - 18:44

Mit Vincent Kriechmayr ein österreichischer Sieger in der Mitte, links der zweitplatzierte Berner Beat Feuz, rechts der Südtiroler Dominik Paris.
Mit Vincent Kriechmayr ein österreichischer Sieger in der Mitte, links der zweitplatzierte Berner Beat Feuz, rechts der Südtiroler Dominik Paris.
Bild: Keystone

Vincent Kriechmayr heisst der verdiente und umstrittene Sieger der zweiten Lauberhorn-Abfahrt. Der Österreicher, der nur dank eines Jury-Entscheids starten durfte, verhindert wie 2019 Beat Feuz' Sieg.

15.1.2022 - 18:44

Es wurde auch am Samstag – vor fast 20'000 Zuschauern entlang der Strecke – wieder nichts mit dem ersten Saisonsieg eines Schweizer Abfahrers. War es tags zuvor in der verkürzten ersten Abfahrt der Norweger Aleksander Kilde gewesen, der sich vor Odermatt und Feuz durchgesetzt hatte, so kam im Klassiker auf der Originalstrecke Vincent Kriechmayr der Part des Party-Schrecks zu.

Dabei hätte der Abfahrts- und Super-G-Weltmeister von Cortina nach normalem Ermessen und bisher gängiger Handhabung des Reglements gar nicht im Starthaus stehen dürfen. Weil er sich am Dienstag und Mittwoch noch in Österreich in der Corona-Quarantäne befand, verpasste Kriechmayr gleich beide Trainingsfahrten am Lauberhorn. Gemäss Reglement war damit klar: Der 30-jährige Oberösterreicher kann die zwei Abfahrten im Berner Oberland nicht bestreiten.

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Doch der ÖSV und dessen Cheftrainer Andi Puelacher drückten das Startrecht für ihren Fahrer mit Hilfe der vierköpfigen Rennjury durch. Ein Protest von Swiss-Ski gegen diesen Entscheid wurde hingegen abgeschmettert. «Dass ich die Möglichkeit erhalten habe, in Wengen zu fahren, ist natürlich eine super Geschichte. Ich habe es ja nicht entschieden, dass ich fahren darf, das haben andere, sagte Kriechmayr, zuvor in Wengen im Super-G Neunter und in der ersten Abfahrt gar nur Zwölfter.

Stemmbogen vor dem Kernen-S

Am Samstag jedoch nutzte der ÖSV-Star seine Chance resolut. Im obersten Streckenteil von rund 45 Sekunden Fahrzeit, den er heuer noch gar nicht im Renntempo hatte zurücklegen können, büsste Kriechmayr zwar mehr als eine halbe Sekunde auf Feuz ein. Danach aber gab er mächtig Gas – mit Ausnahme vor dem Kernen-S, wo er zur Temporeduktion ganz kurz zum Stemmbogen ansetzte. Dieser passte jedoch perfekt, denn der Österreicher sollte diese Schlüsselstelle am Schnellsten durchfahren. Um 0,34 Sekunden lag er letztlich vor Lokalheld Feuz, einen Zehntel weiter zurück folgte Dominik Paris. Odermatt verpasste seinen dritten Podestplatz innert drei Tagen nur um zwei Hundertstel.

Mit Kriechmayrs erstem Saisonsieg, dem zehnten im Weltcup insgesamt, war jedoch die Kontroverse erst recht eröffnet. Der Fall habe zwei Aspekte, so Feuz. «Vincent hat heute ganz klar ausgespielt, dass er mehr Kraft hatte als wir anderen. Gleichzeitig gibt es wohl keine fünf Athleten, die im Kopf und Körper bereit sind, ohne vorgängiges Training ihre Fahrt von ganz oben bis unten so durchzuziehen.» Für ihn habe Kriechmayrs Sieg «absolut keinen faulen Nachgeschmack».

Ein Fall in der Grauzone

Die ganze Angelegenheit spiele sich in der «Grauzone» ab, befand Odermatt. Wenn Kriechmayr Zehnter geworden wäre, «so wäre es sicher ruhig geblieben. Doch nun ist das Worst-Case-Szenario eingetroffen. Er gewinnt, Beat wird Zweiter und ich Vierter. Das wird sicherlich noch zu weiteren Diskussionen führen.» Der überlegene Gesamtweltcup-Leader betonte jedoch, dass Kriechmayr «gar nichts gestohlen hat. Er hat weder betrogen noch irgendwelche Materialvorschriften nicht beachtet. So wie er gefahren ist, hat er den Sieg verdient.»

Kriechmayr verhehlte nicht, dass er die vielen kritischen Stimmen und die Diskussionen um seine Personen sehr wohl vernahm: «Aber mir war nur wichtig, was die anderen Athleten zu meiner Situation gesagt haben. Alle haben gesagt, sie verstehen meine Situation. Sie finden es gut, dass ich am Start bin, das ist ein Entscheid für den Athleten. Die Meinung von meinen Kollegen ist mir wesentlich wichtiger als andere Stimmen, die zu mir gelangen. Ich bin sehr dankbar dafür.»

Odermatt mit müden Beinen

Odermatt sprach aber doch noch den Umstand an, dass der Sieger «sicherlich unten mehr Kraft in den Beinen hatte als wir, die zwei Trainings mehr absolviert haben». Zu seiner eigenen Fahrt meinte der Nidwaldner, der vor diesem Jahr noch nie in Wengen ein Weltcup-Rennen bestritten hatte: «Ich war jeden Tag überrascht, wie gut es ging. Das war auch heute wieder so, trotz meiner sehr müden Beine. Schade ist, dass mir zum Podest nur zwei Hundertstel fehlen. Dennoch war es wieder ein super Rennen.»

Feuz seinerseits schüttelte im Ziel sogleich den Kopf, wusste er doch: «Meine Fahrt war bei weitem nicht perfekt.» Somit bleiben der 34-jährige Emmentaler, beim Abfahrts-Klassiker zum bereits siebten Mal auf dem Podest, und Franz Klammer in Wengen ex-aequo mit jeweils drei Triumphen Rekordhalter.

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