Kurz vor dem Weltcup-Auftakt in Sölden herrscht Chaos im Ski-Zirkus. Der Grund: Das neue Verbot von fluorhaltigem Wachs auf den Ski. Lara Gut-Behrami ist besorgt. Sie befürchtet Sabotage und Betrug.
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- Unmittelbar vor dem Saisonauftakt im Ski-Weltcup wird das neue Verbot von fluorhaltigem Wachs wieder zum Thema.
- Die Athletinnen und Athleten sind besorgt. Die Angst vor unerwarteten Disqualifikationen, Sabotagen und Betrügereien geht um.
- Schwächere Fahrerinnen und Fahrer könnten sich mit etwas Risiko einen Vorteil verschaffen, glaubt Lara Gut-Behrami und sagt: «Der Druck auf die Serviceleute steigt.»
Der internationale Skiverband FIS verbietet neuerdings aus ökologischen Gründen eine Ski-Präparation mit fluorhaltigen Produkten. Deshalb geht im Skisport die Angst vor Sabotage um. «Jemand könnte beim Vorbeilaufen die Ski mit einem Fluorspray kontaminieren», wird Lara Gut-Behrami vom «Blick» zitiert. Sie scherzt: «Vielleicht sollten die Serviceleute mit den Ski im Zimmer schlafen.»
Sie habe nichts gegen das Verbot, bei den Fahrerinnen und Fahrern herrsche aber eine grosse Ungewissheit, so die Tessinerin: «Der Druck auf die Serviceleute steigt. Denn fahre ich eine gute Abfahrt, verliere aber eine halbe Sekunde, was soll der Servicemann dann sagen? Ich habe nicht beschissen, aber vielleicht haben es andere getan?»
Gut-Behrami ist besorgt über die Handhabung der Ski-Präparation. Schliesslich könnte man versuchen, den Fluor-Grenzwert auszuloten, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Bei Abfahrtstests in Zermatt seien die Ski mit Fluor zwischen sechs Zehntel und einer Sekunde schneller gewesen als jene ohne, erklärt die 32-Jährige.
Sie wolle keine Disqualifikation riskieren. Doch was, wenn die 37-fache Weltcup-Siegerin auf einmal ständig langsamer ist als ihre Konkurrentinnen? «Wenn ich jedes Mal denke, vielleicht liegt es daran, dass es die anderen doch weiter benutzen, wäre das nicht gut», sagt Gut-Behrami.
Ungenaue Messgeräte?
Was viele Trainer und Athleten ebenfalls beunruhigt: In der Testphase ist es vorgekommen, dass Messgeräte bei neuen Skibelägen, die garantiert nie mit Fluor in Berührung gekommen sind, rot aufgeleuchtet haben. Rot bedeutet, dass ein Ski den Fluor-Grenzwert von 0,99 überschritten hat. So würde der Fahrer disqualifiziert werden.
Die Testgeräte seien einwandfrei, beschwichtigt die FIS. Es machen jedoch Gerüchte die Runde, wonach man den Toleranzwert auf 1,8 anheben wolle. Vonseiten des Verbands heisst es im «Blick»: «Die Schwelle für Skitests im Zielbereich wird bis 31. Dezember 1,8 betragen. Für Ski, die vor dem Wettkampf überprüft werden, bleibt es bei 1,0. Nach dem 31. Dezember ist es immer 1,0.» Mögliche Tests vor dem Wettkampf sind freiwillig und erfolgen einen Tag vor dem jeweiligen Rennen.
«Das macht keinen Sinn»
Noch gibt es viele Fragezeichen. Wie schnell baut sich das Fluor ab? Könnten saubere Ski verunreinigt werden, wenn sie mit fluorhaltigem Schnee in Berührung kommen? Wie hoch ist die Gefahr, dass wirklich sabotiert oder betrogen wird?
Die Schweizer Technikerin Camille Rast hat schon ein Szenario im Kopf: «Wenn jemand in einer Abfahrt die Startnummer 50 oder 60 hat, könnte er oder sie sich sagen: Ich probiere es mit Fluor. Vielleicht gibt es ja keine Disqualifikation. Das macht keinen Sinn.»
Unbeantwortet bleibt auch die Frage, ob ein Athlet bei einer Disqualifikation Rekurs einlegen kann. «Es gibt viele Gerüchte, aber leider zu wenig offizielle Informationen», so Rast. Das System sei nicht ausgereift, meint Gut-Behrami. Mehrere Top-Fahrerinnen und -Fahrer hätten der FIS einen Brief geschrieben, um das klarzustellen. Unmittelbar vor dem Weltcup-Auftakt in Sölden herrscht Chaos.