Ein Ösi spricht Klartext Ein Ösi spricht Klartext: «Solange die Deutschen nicht gewinnen, ist alles in Ordnung»

Von Nikolaus Herzog

25.2.2020

Sah man in dieser Saison häufig im statt auf dem Schnee: Österreichs SkirennfahrerInnen.
Sah man in dieser Saison häufig im statt auf dem Schnee: Österreichs SkirennfahrerInnen.
Bild: Getty

Die Ski-Nation Schweiz fiebert der Entscheidung in der Nationenwertung entgegen. Der ewige Konkurrent östlich der Landesgrenze sieht das Ganze etwas lockerer. Ein Österreicher relativiert.

Im Winter 1996 verbringe ich meine Schulferien wie immer bei meiner Familie in Kleinarl im Salzburger Land. Das Haus meiner Tante befindet sich nur gerade 50 Meter vom Skilift entfernt, daneben steht ein ganz besonderes Kaffeehaus. Es wird von keiner Geringeren als Annemarie Moser-Pröll betrieben. Sechsmal gewann die gebürtige Kleinarlerin den Gesamtweltcup, fünfmal wurde sie Weltmeisterin, 1980 Olympiasiegerin in der Abfahrt.

Ich bin 13 Jahre alt und bestaune mit meinem Vater den Trophäenschrank, der prominent mitten im Raum des Cafés steht. Unzählige Medaillen und Pokale spiegeln das Sonnenlicht, das den Raum flutet. «Nicht schlecht, oder?», höre ich meinen Vater sagen, während ich vor der Vitrine stehe. Ich wende mich ihm zu und antworte: «Aber Papa. Das ist doch nur Skifahren. Das machen nur Österreicher, Schweizer und Alberto Tomba.» Nach kurzem Zögern gibt mir mein Vater recht – es wird ihn jedoch nicht daran hindern, auch 24 Jahre später jedes Wochenende gespannt vor dem TV-Gerät zu sitzen und beim Skizirkus mitzufiebern.

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Nikolaus Herzog aus Wien ist Video-Journalist auf der Sportredaktion von Teleclub. Täglich sieht er sich den Provokationen seiner Schweizer Teamkollegen ausgesetzt, die es kaum erwarten können, dass die Schweiz nach 30 Jahren endlich wieder den Gesamtweltcup gewinnt. 

Vom Stammtisch des Lokals vernehme ich noch ein paar Gesprächsfetzen: «Ja das wird wohl nichts mehr in dieser Saison.» Oder: «Es gibt Schlimmeres, nächstes Jahr wird es wieder besser.» In diesem Jahr dominieren Luc Alphand (Frankreich) und Pernilla Wiberg (Schweden) den Skiweltcup. In der Nationenwertung ändert dies freilich nichts: Seit 1989 (und letztlich bis 2019) gewinnen immer die Österreicher.

Die beiden Skiexperten am Stammtisch sollten übrigens recht behalten, denn nur wenige Kilometer entfernt gibt ein gelernter Maurer und Skilehrer gerade ein paar Unterrichtsstunden im Stockeinsatz. Nur wenige Wochen später, im Nachbarort Flachau, beweist Hermann Maier sein Talent als Vorläufer bei einem Riesenslalom. Im Falle einer Wertung hätte er Rang 12 belegt. Der nationale Skiverband reagiert sofort und lässt Maier im Europacup starten. Ein Jahr später beginnt die Transformation vom Maurer Hermann Maier zum «Herminator» und die österreichischen Herren dominieren den Weltcup wieder.

Die Nationenwertung? Noch nie ein grosses Thema

2020 oder eben nochmals 23 Jahre später titeln Schweizer Medien: «Bei den Österreichern liegen die Nerven blank.» Oder: «ÖSV-Präsident Schröcksnadel tritt zurück, wenn die Schweizer den Nationencup gewinnen.»

Hermann Maier war ein Ausnahmetalent, ein Leithammel, der den gesamten Kader mitreissen konnte. Und so war es auch Stephan Eberharter, der nach Maiers Zeit das Zepter für Österreich in die Hand nahm. Danach war es Benjamin Raich und später der Rekord-Gesamtweltcup-Sieger Marcel Hirscher. Mit 67 Weltcupsiegen im Gepäck gab Hirscher in der letzten Saison seinen Rücktritt. Hirscher hinterliess eine Lücke im Kader der Österreicher und natürlich wirkt sich das auf die Nationenwertung aus.

Trotzdem scheinen mir die medialen Reaktionen auf die Leistungen meiner Landsleute übertrieben und ich bespreche das Thema mit ein paar Kollegen in der Heimat. Wir kommen zum Schluss, dass die Landeswertung noch nie ein grosses Thema für Seele der Nation war. Jahrzehntelang wurde diese von den Österreichern gepachtet. Allerhöchste Zeit, dass sie einmal an eine andere Nation geht – so der Konsens. Im Moment gäbe es eben keinen Ausnahmeathleten wie Marcel Hirscher oder Hermann Maier, die einen ganzen Kader durch den Weltcup tragen. Alles nicht so schlimm: Irgendwann wird schon wieder einer nachkommen und vom Stockerl grinsen, denken wir uns wie die Männer am Stammtisch 1996.

Ohnehin nur eine Randsportart

Sollte die Schweiz den Nationencup in dieser Saison gewinnen, so empfindet der gemeine Österreicher, der den Skisport nebenbei oder auch fanatisch verfolgt, nicht als sonderlich dramatisch. Im Gegenteil: Man teilt sich die Alpen bekanntlich mit der Schweiz und auch die Liebe zum Skisport. Am Ende des Tages findet diese Randsportart ohnehin nur irgendwo zwischen Val d’Illiez und dem Wienerwald statt. «Die ‹Flachländler› sollen in ihren Loipen bleiben, die haben auf dem Berg nichts verloren», vernehme ich noch von einem Kollegen. Gemeint sind die Deutschen – solange diese nicht gewinnen, geht die Skiwelt in Österreich nicht unter.

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