Sprechchöre für den einstigen Buhmann Hat Xhaka die Herzen der Arsenal-Fans endlich erobert?

Von Luca Betschart

20.9.2022

Granit Xhaka bedankt sich nach dem Sieg über Brentford bei den mitgereisten Anhängern.
Granit Xhaka bedankt sich nach dem Sieg über Brentford bei den mitgereisten Anhängern.
Bild: Keystone

Vor knapp drei Jahren sind die Koffer von Granit Xhaka bereits gepackt. Statt sich von den Anfeindungen einiger Arsenal-Fans entmutigen zu lassen, kämpft der Nati-Captain aber um deren Anerkennung. Mit Erfolg.

Von Luca Betschart

Im September 2019 ernennt der damalige Arsenal-Trainer Unai Emery Granit Xhaka zum neuen Captain der Gunners. Der in der Öffentlichkeit viel diskutierte Entscheid verdeutlicht, welch hohes Ansehen der Schweizer innerhalb der Mannschaft der Londoner schon damals geniesst. Bei den Fans dagegen hat Xhaka einen schweren Stand und muss seit seiner Ankunft aus Gladbach 2016 oft für den ausbleibenden Erfolg seinen Kopf hinhalten.

Nicht einmal zwei Monate nach der Übernahme des Captain-Amtes droht das Fass dann aber überzulaufen. Im Heimspiel gegen Crystal Palace wird Xhaka bei seiner Auswechslung vom eigenen Anhang verhöhnt. Die Pfiffe und Buhrufe lässt er sich nicht gefallen. Aus Frust wirft er seine Captainbinde auf den Boden und zieht auf dem Weg in die Katakomben demonstrativ sein Arsenal-Trikot aus, was nebst zahlreicher Beleidigungen in den sozialen Netzwerken auch die Absetzung als Kapitän zur Folge hat.

Arteta bringt die Wende

Danach steht der 104-fache Internationale kurz vor dem Abgang. Selbst der eigene Vater, für den Weglaufen eigentlich nie eine Option ist, rät zu einer vorzeitigen Trennung. Doch als die Koffer schon gepackt sind, lässt sich Xhaka von Emery-Nachfolger Mikel Arteta doch noch zu einem Umdenken bewegen. Und zwar nicht nur, was seine Wechselabsicht anbelangt.

Xhaka geht seither pragmatischer mit seiner polarisierenden Wirkung bei den Fans um. «Es gibt überall Leute, die einen mögen – oder eben nicht. Das war in Deutschland und auch in der Schweiz so, in England ist es nicht anders. Verstellen werde ich mich deswegen nie», merkt Xhaka rückblickend an. Entscheidend sei für ihn, ob Coach, Mannschaft und das nahe Umfeld zufrieden sind.

Wohl nur dank dieser Einstellung übersteht Xhaka auch die komplizierte Phase im Herbst 2021. Im dritten Saisonspiel gegen Man City fliegt er nach einem üblen Foul früh vom Platz und gerät erneut ins Kreuzfeuer der Kritik. Ein Mann spricht ihn gar auf offener Strasse an und zieht über den Linksfuss und dessen Teamkollegen her. Anders als früher lässt sich der Schweizer aber nicht auf die plumpe Provokation ein.

Xhaka mit dem ersten Schritt

Kurze Zeit später folgt der nächste Rückschlag. Von einer Knieverletzung erholt sich Xhaka aber schneller als erhofft. Nur: Das verfrühte Comeback gegen Everton danken ihm einige Fans dann bloss mit weiterer harscher Kritik an seiner Leistung. Es scheint in dieser Phase so, als könne es Xhaka zahlreichen Arsenal-Anhängern ohnehin nicht mehr recht machen.

Ein Beispiel aus dem Februar dieses Jahres: Teamkollege Eddie Nketiah will dem Schweizer in der Partie gegen Brentford die Captain-Binde des ausgewechselten Alexandre Lacazette überreichen. Xhaka lehnt diese aber ab – und wird in den sozialen Netzwerken vorschnell (und einmal mehr) als Schande für den Klub bezeichnet. Kurz nach dem Schlusspfiff macht Trainer Arteta dann klar: «Kieran Tiernay war als Nächster dran. Das war der Grund.»

Und wie reagiert Xhaka? Eigentlich gar nicht. Im April macht er mit einem offenen Brief gar einen Schritt auf seine Kritiker zu und rollt einige Zwischenfälle noch einmal auf. Die Beziehung zu den eigenen Fans beschreibt er dabei als zerbrochenes Glas. «Man kann es wieder zusammensetzen, aber die Risse werden immer da sein», so Xhaka. Und weiter: «Mir ist klar, dass wir nie beste Freunde sein werden.»

Plötzlich Sprechchöre für Xhaka

Rund fünf Monate später scheint das aber nicht mehr in Stein gemeisselt. Wohl auch dank der unmissverständlichen Botschaft, aber in erster Linie aufgrund der starken Leistungen auf dem Platz hat sich Xhaka mehr und mehr in die Herzen der Fans gespielt.

Nach dem Sieg in Brentford skandieren die Gästefans gar den Namen der Nummer 34. Beinahe sieben Jahre und viel Widerstandsfähigkeit hat der Schweizer gebraucht, um einen eigenen Song zu kriegen. Eine Wende, die man vor nicht allzu langer Zeit gar nicht für möglich gehalten hat. 

Es bleibt nur abzuwarten, für wie lange dieser angestimmt wird. Denn die Vergangenheit hat vor allem eines gezeigt: Fehler darf sich Xhaka im Norden Londons so gut wie keine erlauben.

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