Alina Müller ist in der Gruppenphase an fünf der sechs Tore der Schweizerinnen beteiligt. Am Samstag will sie auch im Viertelfinal gegen das Team ROC brillieren.
20. Februar 2014. Alina Müller schiesst an den Olympischen Spielen in Sotschi in der Partie um Rang 3 gegen Schweden (4:3) 67 Sekunden vor dem Ende mit einem Schuss ins leere Tor das letztlich entscheidende 4:2. Die Winterthurerin ist damals erst 15 Jahre alt.
In der Zwischenzeit hat sie sich zu einer der Topstürmerinnen der Welt entwickelt, für namhafte Stimmen ist sie gar die beste. Sie ist eine komplette Spielerin mit einer enormen Eishockey-Intelligenz. Das kommt nicht von ungefähr. Einerseits waren beide Eltern Mannschaftssportler. Andererseits spielte sie noch in der Saison 2016/17 gegen Buben und war ihr Anspruch, sich mit Besseren zu messen. Aufgrund der körperlichen Unterlegenheit war sie gezwungen, schneller zu denken. Das hilft ihr heute.
Auch Bruder Mirco in Peking dabei
Alina Müller ist nicht die einzige in der Familie, die erfolgreich Eishockey spielt. Ihr Bruder Mirco, nach 188 Partien in der NHL aktuell bei Lugano tätig, ist in Peking ebenfalls dabei – zum ersten Mal an Olympischen Spielen. «Ich freute mich fast mehr über sein Aufgebot», sagt Alina Müller. «Es ist sehr speziell.»
Beide spielten zunächst Handball. Das genügte ihnen jedoch als aktive Menschen nicht. Als dann Alina Müller einmal ein Eishockey-Training der Bambini sah, wollte sie das auch machen. Da dort in diesem jungen Alter mehr trainiert wird als im Handball und es mehr Spiele gibt, begann auch der drei Jahre ältere Mirco mit Eishockey.
Seit vier Jahren in den USA
Seit der Saison 2018/19 spielt Alina Müller in den USA in der Universitätsmeisterschaft für die in Boston beheimatete Northeastern University. Im Mai schliesst sie den Bachelor in Neurowissenschaften ab. Danach absolviert sie einen einjährigen Master. Wegen der Corona-Pandemie wurde das Stipendium um ein Jahr verlängert, worüber sie sehr froh ist. Denn die Bedingungen dort sind ideal. «Boston ist wunderschön, es ist ein Traum», sagt Alina Müller.
Wie es für sie danach weitergeht, hängt auch davon ab, wie sich die nordamerikanische Profiliga Premier Hockey Federation weiterentwickelt. Auf die nächste Saison hin soll in dieser die Gehaltsobergrenze pro Team von 300'000 auf 750'000 Dollar erhöht werden. «Wenn es so weitergeht, kann ich mir vorstellen, noch länger in den USA zu bleiben. Sonst ist wahrscheinlich Schweden die nächste Option», erzählt Alina Müller.
Dass eine Rückkehr in die Heimat keine Variante sein dürfte, kommt nicht von ungefähr. «Die Liga in der Schweiz muss noch viel mehr gepusht werden, es wird deutlich mehr Geld benötigt, damit es mehr Teams gibt (aktuell besteht die oberste Liga aus sechs Mannschaften)», sagt Alina Müller. Eine Lösung wäre für sie, dass die existierenden Frauenvereine an Grossklubs angehängt werden. «Das würde enorm helfen.»
Deutlich athletischer
Wie sieht sie allgemein die Entwicklung im Frauen-Eishockey seit ihrem Olympia-Debüt in Sotschi? «Mega auffallend ist die Entwicklung im Athletikbereich. Heutzutage hat jede Nation drei oder vier Linien, die athletisch auf dem gleichen Niveau sind und 60 Minuten Vollgas geben können. Das war 2014 nicht der Fall. Da gab es von Linie zu Linie ein grosses Gefälle.»
Nicht geändert hat sich die Dominanz von Kanada und den USA. Die beiden nordamerikanischen Equipen bewegen sich in eigenen Sphären. Bronze liegt für die Schweizerinnen aber definitiv in Reichweite. Der Halbfinaleinzug an der letztjährigen WM in Calgary hat ihnen «viel Glauben und Selbstvertrauen gegeben.» Von daher erachtet Alina Müller die Chancen, das Team ROC im Viertelfinal zu bezwingen, als sehr hoch, daran ändert auch die 2:5-Niederlage in der Vorrunde nicht. «Wir wissen, dass wir gegen die Russinnen super mithalten können.» Und wer weiss, vielleicht spielt Alina Müller wie 2014 in Sotschi eine Hauptrolle.