Kommentar Zeitschinderei im Fussball – Clever oder einfach nur peinlich?

Patrick Lämmle

20.2.2019

Javi Martinez hat gegen Liverpool einen Krampf vorgetäuscht, doch Vergleichbares tun 90 Prozent der Fussballer regelmässig.
Javi Martinez hat gegen Liverpool einen Krampf vorgetäuscht, doch Vergleichbares tun 90 Prozent der Fussballer regelmässig.
Bild: Getty

Bayern-Trainer Niko Kovac gibt nach dem Hinspiel in der Champions League gegen Liverpool (0:0) zu, dass seine Mannschaft auf Zeit gespielt hat. Was soll man dazu sagen?

Javi Martinez legt sich in den Schlussminuten auf den Rasen, die Schmerzen müssen grausam sein. Natürlich nicht! Der Bayern-Profi täuscht einen Krampf vor und lässt sich auf dem Platz das Bein von einem Mitspieler dehnen. Die Uhr tickt, wertvolle Sekunden verstreichen. Denn Bayern kann gut mit einem 0:0 in Liverpool leben.

Bayern-Coach Niko Kovac sagt nach dem Spiel in die TV-Kameras: «Also der Javi hat gute Laufleistungswerte, das heisst, er kann gar keinen Krampf haben, das ist alles auch ein bisschen gespielt.» Es gehe letzten Endes auch darum, ein bisschen Ruhe reinzubringen. Er lobt seine Spieler für dieses Verhalten: «Das machen sie gut, dafür haben sie die Erfahrung.»

Man könnte sich jetzt über Kovac’ Aussagen empören. Allerdings wäre das ziemlich naiv, denn jedes Kind weiss, wie der Hase läuft. Selbst in Juniorenmannschaften von Dorfklubs lernt man dieses «clevere» Verhalten. Eigentlich müsste man Kovac schon eher loben, dass er die Wahrheit sagt und den Zuschauern keine lächerlichen Lügengeschichten auftischt.

Bayern ist keine unfaire Mannschaft, Kovac kein böser Kerl. Diese Art von Zeitspielerei praktizieren praktisch alle Mannschaften, wenn sie sich dadurch einen Vorteil zu verschaffen glauben. Natürlich wird die «verlorene» Zeit am Ende der regulären Spielzeit nachgespielt, doch der Spielrhythmus kehrt dadurch nicht zurück. Ja, in gewisser Hinsicht ist es tatsächlich clever, wenn man dieses eigentlich unsportliche Verhalten an den Tag legt. Und trotzdem ist es irgendwie auch peinlich. Zumindest für den neutralen Zuschauer ist es einfach nur nervig, da kann man sich schon mal fremdschämen.

Die Lösung des Problems? Man müsste die Regeln dahingehend anpassen, dass Zeitspielerei einem Eigentor gleichkommt. Liegt der Verdacht nahe, dass eine Mannschaft bei jeder Gelegenheit auf Zeit spielt, dann könnte man die fällige Nachspielzeit beispielsweise verdoppeln oder verdreifachen. Wäre das nicht schön? Bestimmt gäbe es dann weniger Theater auf dem Platz.

Doch weil erst mal alles so bleibt, wie es ist, werden wir den Fussballstars in unserem Leben noch viele weitere Stunden beim «cleveren» Simulieren zuschauen.

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