KommentarNeuer hat es nicht verdient, an der WM im Tor zu stehen
Patrick Lämmle
8.5.2018
Durchforstet man in den letzten Tagen den deutschen Blätterwald, dann könnte man meinen, dass Deutschland mit einem Rumpfteam zur WM fahren muss. Grosse Aufregung herrscht auch im Fall Manuel Neuer.
Kurzer Rückblick: Am 30. Juni 2017 gewinnt die Deutsche U21 die Europameisterschaft, am 2. Juli triumphieren die «Grossen» beim Confed Cup mit einer Art B-Elf. Jogi Löw wird fast schon bemitleidet, dass er künftig harte Entscheidungen zu treffen hat – es gibt zu viele gute Spieler, die sich ein WM-Ticket verdient hätten. Ein knappes Jahr später soll nun alles anders sein? Mit Verlaub, wenn ein Lars Stindl (11 Länderspiele) oder Serge Gnabry (120 Länderspiel-Minuten) ausfällt, dann wird das den Nationaltrainer nicht aus dem Konzept bringen. Manche Medien machen daraus aber eine grosse Geschichte.
Etwas anders sieht es aus, wenn eine Teamstütze wie Jérôme Boateng ausfallen sollte. Der Innenverteidiger der Bayern verletzte sich im Champions-League-Halbfinal gegen Real Madrid. Würde er ausfallen, dann wäre das für Jogi Löw ein Problem, denn ein gesunder Boateng wäre in der Startelf gesetzt. Natürlich gibt es aber auch auf seiner Position Ersatzspieler, die bei den meisten WM-Teilnehmern eine Stammplatzgarantie inne hätten.
Ter Stegen hat sich für höhere Aufgaben empfohlen
Und dann gibt es da noch Manuel Neuer, langjährige Nummer 1, vierfacher Welttorhüter (2013-2016) und natürlich Weltmeister-Goalie 2014. Ein überragender Torwart, da gibt es keine zwei Meinungen. Um seine Person gibt es besonders viel Aufregung. Wird er rechtzeitig fit?
Aber mal ganz ehrlich, spielt das überhaupt eine Rolle? Fakt ist, dass Neuer seit März 2017 insgesamt 58 Pflichtspiele der Bayern verpasst hat. In dieser Zeit stand er nur sieben Mal zwischen den Pfosten, letztmals vor rund acht Monaten! Der 32-Jährige hat sich dreimal den Mittelfuss gebrochen oder angebrochen. Er musste sich mehrfach operieren lassen und sein Comeback immer wieder nach hinten verschieben. Er wollte beim Rückrundenstart im Februar ins Tor zurückkehren, nun klappt es frühestens im letzten Meisterschaftsspiel Mitte Mai. Sicher ist das aber noch nicht. Im DFB-Pokalfinale wird übrigens mit grosser Wahrscheinlichkeit Sven Ullreich spielen. So käme Neuer vor der WM im besten Fall auf ein Pflichtspiel.
Für Jogi Löw kann es eigentlich nur eine Lösung geben: Er muss Marc-André ter Stegen zur Nummer 1 machen. Der 26-Jährige ist beim FC Barcelona die unumstrittene Nummer 1. Ter Stegen ist einer, der seinerseits das Zeug zum Welttorhüter hat. Sollte ihm der Bundestrainer den rekonvaleszenten Neuer vorziehen, wäre das aus sportlichen Gesichtspunkten kaum nachvollziehbar. Neuer hat es nicht verdient, an der WM im Tor zu stehen, dafür ist Ter Stegen viel zu stark.
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