Schweiz als Vorbild Italien-Coach Mancini will vermehrt auf «Oriundi» setzen

SB10

27.3.2023

Roberto Mancini erklärt Mateo Retegui seine Spielphilosophie. 
Roberto Mancini erklärt Mateo Retegui seine Spielphilosophie. 
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Der italienische Coach Roberto Mancini will aus Mangel an Alternativen in der Offensive vermehrt seinen Blick ins Ausland richten. 

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Titelverteidiger Italien hat einen kompletten Fehlstart in die Qualifikation für die Europameisterschaft 2024 in Deutschland vermieden. Drei Tage nach der 1:2-Heimniederlage in der Neuauflage des EM-Finals von 2021 gegen England feierte das Team von Trainer Roberto Mancini am Sonntag in Attard einen glanzlosen 2:0-Erfolg bei Aussenseiter Malta.

Im Nationalstadion von Ta' Qali eröffnete Mateo Retegui nach einer Viertelstunde das Skore. Bereits bei seinem Debüt gegen England traf die neue italienische Sturmhoffnung. Dabei spricht der 23-Jährige gar kein italienisch. Einen italienischen Pass besitzt er dank seines Urgrossvaters.

«Wollte unbedingt für Italien spielen.»

Mateo Retegui

Neo-Nationalspieler

Retegui ist in Argentinien geboren und aufgewachsen, wurde bei River Plate ausgebildet und ist derzeit von den Boca Juniors an Tigre ausgeliehen. 

Mateo Retegui soll für die nötigen Tore sorgen. 
Mateo Retegui soll für die nötigen Tore sorgen. 
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Mancini verglich Retegui im Vorfeld mit der argentinischen Stürmer-Legende Gabriel Batistuta: «Er hat die Qualitäten eines Mittelstürmers. Aber jetzt müssen wir abwarten, wir müssen ihm Zeit geben. Er ist wie ein Schüler in einer neuen Schule: Er muss alles lernen.»

Wieso der 58-Jährige überhaupt auf einen Spieler zurückgreifen muss, der zuvor noch nie auf europäischem Boden spielte, begründet Mancini so: «Im Angriff haben wir Probleme, aber nicht, weil es kein Talent gibt. Aber sie müssen spielen, und sie spielen nicht». Damit kritisierte der Nationaltrainer die Arbeit der Vereine, die vor allem in der Offensive lieber auf ausländische Kräfte setzen. Kürzlich erlebte auch Milan seine Premiere, als kein Italiener in der Startelf stand. 

Balotelli bringt sich ins Gespräch

Auch Sion-Legionär Mario Balotelli schaltete sich in die Debatte ein. «Die Stürmer in Italien sind noch da und sie sind fit ... glaubt mir», schrieb er auf Instagram. Und weiter: «Bedauern ist das Gefühl derer, die regelmässig ihre Lektion nicht lernen und erst dann ankommen, wenn alles zu Ende ist oder nicht mehr da ist oder einfach nie ankommen wird.»

Oder anders gesagt: «Super Mario», der bisher 36 Länderspiele für die Azzurri absolvierte, will sich selber wieder ins Spiel bringen. Zuletzt stand Balotelli 2018 letztmals für seine Heimat im Einsatz. Gehör wird der 32-Jährige mit seinem kryptischen Post bei Mancini aber wohl kaum finden. 

Mario Balotelli will wieder für Italien stürmen – ob Roberto Mancini darauf eingeht?. 
Mario Balotelli will wieder für Italien stürmen – ob Roberto Mancini darauf eingeht?. 
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Für Fachkräfte wie Retegui gibt es einen speziellen Ausdruck im Italienischen: «Oriundo» (Mehrzahl Oriundi). Er ist aber nicht der einzige Spieler der Squadra Azzurra, der seine Wurzeln im Ausland hat. Im Kracher gegen England standen mit Jorginho und Rafael Toloi (beide brasilianische Vorfahren) zwei weitere Oriundi-Spieler in der Startelf. Mit Emerson (Brasilien) und Vincenzo Grifo (Deutschland) spielten zwei weitere Vertreter dieser Kategorie gegen Malta.  

Die Oriundi werden auch zukünftig unter Mancini ihre Chance bekommen. «Wir haben einen sehr kleinen Prozentsatz an Spielern in der Serie A», resümiert Mancini. «In der Schweiz sind 15 von 20 Spielern Oriundi.» Wie genau der Europameister-Trainer von 2021 auf diese Zahl kommt, bleibt sein Geheimnis.

Rafael Toloi (l.) und Jorginho stehen bei der italienischen Nationalhymne stramm. 
Rafael Toloi (l.) und Jorginho stehen bei der italienischen Nationalhymne stramm. 
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Mancini sieht jedenfalls ein Muster, in Belgien sei es «genauso». Und auch Frankreich, Deutschland oder England würden auf ihre Oriundi setzen, findet der frühere Weltklasse-Stürmer. 

«Bis vor ein paar Jahren hatten wir starke Spieler und brauchten sie nicht. Die anderen haben das gemacht, was sie mit uns gemacht haben, sie haben uns oft Spieler weggenommen, die wir grossgezogen haben, und wir werden das auch tun», hielt Mancini fest. 

Dabei ist dies in der Realität gar keine neue Mode. Der Italo-Argentinier Retegui war bereits der 50. Oriundo in der italienischen Auswahl. Zu den ersten Vertretern gehörten etwa José Altafini (Brasilien) und Omar Sívori (Argentinien). Auch beim letzten Weltmeister-Titel 2006 stand mit Mauro Camoranesi (Argentinier) schon ein Oriundo im Kader. Danach trugen auch Spieler wie Amauri, Eder, Thiago Motta oder Pablo Osvaldo das italienische Trikot.