Kommentar Wie gelebte Vereinstreue die Fussballwelt verändern könnte

Von Patrick Lämmle

28.5.2020

Von Topklubs gejagt: Leverkusens Kai Havertz.
Von Topklubs gejagt: Leverkusens Kai Havertz.
Bild: Getty

Dass die besten Vereine die besten Spieler locken, das ist ja klar. Dass die Umworbenen diesen Verlockungen oftmals nicht widerstehen können: nachvollziehbar. Bloss wäre der Fussball viel spannender, würde mehr Vereinstreue gelebt.

Fussballfans haben dem Topspiel zwischen Bayern München und Borussia Dortmund entgegengefiebert. Am Ende ist es gekommen wie so oft. Bayern gewinnt und enteilt der Konkurrenz, dass bereits sechs Runden vor Saisonende klar ist, dass die Münchner, sollten sich nicht mehrere Fussball-Wunder aneinanderreihen, die Salatschüssel zum achten Mal in Folge in die Höhe stemmen werden. Für Bayern-Fans eine freudige Angelegenheit, mehr nicht. Der Gewinn der Meisterschaft löst bei den meisten von ihnen längst nicht mehr die ganz grossen Glücksgefühle aus. Da müsste es schon der Titel in der Champions League sein.

Und der Rest der Fussballwelt? Der hätte sich am Dienstagabend einen Dortmund-Sieg gewünscht. Nicht weil ihr Herz schwarz-gelb schlägt, sondern weil der Fussball von der Spannung lebt – oder eben leben sollte. Spannung gibt es auch in der Bundesliga, im Kampf um die Champions-League-Plätze etwa oder im Abstiegskampf. Doch der (neutrale) Fan sehnt sich nach engen Titelkämpfen.

Was braucht es, damit wieder mehr Spannung aufkommt?

Vielleicht würde es schon ausreichen, wenn die aufstrebenden Toptalente ihren Vereinen öfters treu blieben. Nehmen wir Kai Havertz. 20-jährig, ein Riesentalent, das bereits 142 Pflichtspiele für Bayer Leverkusen (Bundesliga, DFB-Pokal sowie Champions und Europa League) in den Beinen hat. In seinen 113 Bundesliga-Einsätzen erzielte er 34 Tore und bereitete 24 weitere vor. Absolute Traumwerte für einen so jungen Spieler.



Auch in dieser Saison spielt Havertz gross auf, dem Vernehmen nach kratzt sein Marktwert bereits an der 100-Millionen-Euro-Grenze. Die Chancen mit Leverkusen, das einen äusserst attraktiven Fussball spielt, erneut die Champions League zu erreichen, sind intakt. Doch diese Aussicht ist ihm nicht genug. Spieler wie Havertz, die streben nach mehr. Leverkusen soll ein Sprungbrett nach ganz oben sein. Und so drohen Mannschaften aus der zweiten Reihe Ende Saison Jahr für Jahr ihre besten Spieler zu verlieren.

Besonders bitter ist das, wenn man diese Talente an Ligaprimus Bayern München verliert. Im Falle von Havertz zumindest ein mögliches Szenario, wenn man den Gerüchten Glauben schenkt. Und die Münchner jagen der Konkurrenz ja gerne die besten Spieler ab. Einerseits stärkt man das eigene Team, andererseits schwächt man die Konkurrenz. Und es gibt noch einen weiteren Vorteil: Man holt sich einen Spieler, der Liga, Land und Leute bereits kennt und so einfach zu integrieren ist. Spannender wird die Liga dadurch nicht.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Doch was, wenn Spieler vom Format Havertz ihren Vereinen die Treue halten würden? Könnte dann aus dem früheren «Vizekusen» in zwei, drei Jahren nicht ein ernstzunehmender Titelanwärter heranwachsen? Und sollte dann einer wie Havertz seinen Verein tatsächlich einmal zu einem langersehnten Titel führen, dann könnte er sich ein Denkmal für alle Ewigkeit setzen. Die Fans würden seinen Namen nie vergessen.

Schafft er aber Gleiches mit einem Team, das, übertrieben formuliert, nur dann für Schlagzeilen sorgt, wenn es einen Titel nicht gewinnt, dann wird sein Name in den Geschichtsbüchern möglicherweise selbst im Falle grosser Erfolge nur eine Randnotiz bleiben. Und darum geht es doch vielen Spielern. Sie wollen Titel gewinnen und Geschichte schreiben. Sie folgen ja nicht alle alleine des Geldes wegen dem Ruf der absoluten Topteams.

Natürlich ist es einfach, am Schreibtisch zu sitzen und solche Zeilen zu verfassen. Sie sind nicht bis ins letzte Detail durchdacht und etwas gar plakativ. Und doch bin ich überzeugt davon, dass der Fussball viel spannender sein könnte, wenn den wenigen «Fussball-Grossmächten» der Nachschub ausginge und die Konkurrenz wachsen könnte.

Ach ja, im Fall von Kai Havertz gibt es übrigens noch Hoffnung, dass er vorerst bei Leverkusen bleibt – sein Vertrag läuft erst im Juni 2022 aus.

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