Champions League Wirrwarr: Bei der UEFA darf der VAR nicht eingreifen – bei der FIFA muss er

NB/jar

18.9.2019

Barcelona-Goalie Marc-André ter Stegen (l.) verlässt die Linie schon vor der Schussabgabe und hält dann den Versuch von Dortmunds Marco Reus. Der Elfmeter wird aber nicht wiederholt.
Barcelona-Goalie Marc-André ter Stegen (l.) verlässt die Linie schon vor der Schussabgabe und hält dann den Versuch von Dortmunds Marco Reus. Der Elfmeter wird aber nicht wiederholt.
Bild: Screenshot

Ein mutmasslicher Fehlentscheid kostet Dortmund womöglich den Sieg gegen Barcelona. Warum griff der Videoassistent nicht ein, als Barça-Goalie ter Stegen sich beim Penalty zu früh bewegte? Weil die UEFA offenbar die Regeln anders interpretiert als die FIFA.

Es ist die Szene, die beim Champions-League-Auftakt am Dienstagabend für grosse Diskussionen sorgt. Es läuft die 57. Minute beim Spiel Dortmund gegen Barcelona, Penalty für das Heimteam. Gäste-Goalie Marc-André ter Stegen verlässt die Torlinie zu früh und wehrt den Schuss von Marco Reus ab.

Obschon vor dieser Saison von den Regelhütern des IFAB (International Football Association Board) klar geregelt wurde, dass der Goalie bis zur Schussabgabe mit mindestens einem Fuss die Linie berühren muss (beziehungsweise sich beim Hochspringen auf gleicher Höhe wie die Line zu befinden hat), greift der Video-Schiedsrichter nicht ein. Keine Wiederholung, es bleibt beim 0:0 – und das bis zum Schlusspfiff.

Ein krasser Fehlentscheid, meint auch Ex-Spitzenschiedsrichter Urs Meier, der sich im Teleclub-Studio grün und blau ärgert: «Da muss man sich die Frage stellen, ob man die neuen Regeln nun anwendet oder nicht. Da nützt es auch nicht, jedes Mal vor dem Elfmeter ein Theater zu machen (Anm. d. Red.: Die Schiedsrichter erinnern die Torhüter vor dem Penalty jeweils an die neuen Regeln). Weniger Theater machen, dafür die Regeln umsetzen – Punkt.»

Will die UEFA nicht zu kleinlich sein?

Schon beim UEFA-Supercup-Final zwischen Liverpool und Chelsea verstiess im Elfmeterschiessen beim entscheidenden Penalty «Reds»-Goalie Adrian bei seiner Parade gegen die Fuss-Regel – auch da griff der VAR nicht ein. Schon damals war von einem «Skandal» die Rede, doch mittlerweile darf stark angezweifelt werden, ob bei UEFA-Wettbewerben wirklich die gleichen Regeln angewendet werden wie bei der FIFA. 

An der Frauen-WM im Sommer, einem FIFA-Wettbewerb, schauten die Unparteiischen jeweils ganz genau hin und liessen mehrere Elfmeter wiederholen. Ein bestimmter Fall sorgte damals aber für Entrüstung: Schottland schied wegen eines Millimeter-Entscheids aus, weil sich Keeperin Lee Alexander bei ihrer Elfmeter-Parade einen Wimpernschlag zu früh bewegt hatte. Ob da von einem eindeutigen Fehlentscheid, welcher den Videoassistenten zum Eingreifen auffordert, die Rede sein konnte, ist Ansichtssache. 

Wohl auch wegen dieses Falles hat die Premier League reagiert und noch vor dem Saisonstart bekannt gegeben, dass in England der Videoassistent beim Penalty die Position des Torhüters nicht überprüfen wird. 

Der VAR wird wohl auch in Zukunft nicht eingreifen

Anders als die Premier League hat die UEFA nie klar kommuniziert, dass in der Champions League oder im Supercup die Elfmeter nicht mit dem VAR unter die Lupe genommen werden. Auf ihrer Website steht aber auch nicht explizit, dass der Videobeweis angewendet wird, wenn ein Torhüter die Linie beim Penalty zu früh verlässt. «Der VAR greift nur bei offensichtlichen Fehlentscheiden in vier spielentscheidenden Situationen ein: Bei irregulär erzielten Toren, bei Elfmeter-Entscheiden, bei direkten Platzverweisen und bei falscher Idendität eines sanktionierten Spielers», schreibt die UEFA.

Damit dürfte klar sein, dass es in der Champions League auch in Zukunft ganz alleine in den Händen des Schiedsrichters auf dem Feld liegt, ob ein Elfmeter wiederholt werden muss oder eben nicht. Unterstützung wird er vom Videoassistenten wohl keine kriegen.

Dass die FIFA und die UEFA nicht die gleichen Regeln anwenden, sieht der ehemalige Super-League-Schiedsrichter Sébastien Pache als grosses Problem. «Es gibt unterschiedliche Interpretationen zwischen der UEFA und der FIFA und das ist eine Gefahr für den Fussball, da in den verschiedenen Wettbewerben andere Regeln angewendet werden. Es besteht ein Bedürfnis nach Transparenz und Einheitlichkeit», sagt der Westschweizer Teleclub-Experte zu «Bluewin».

Um der Kritik vorzubeugen, hätte die UEFA ganz einfach vor der neuen Saison offiziell kommunizieren können, dass bei europäischen Wettbewerben anders mit dem VAR umgegangen wird als bei der FIFA. Warum der europäische Fussballverband auch nach der Empörung um die Fehlentscheide vom Supercup und nun auch in der Champions League nicht klar kommuniziert hat, ist unklar. Die Anfrage von «Bluewin» blieb von der UEFA bislang unbeantwortet.

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