Was macht eigentlich Ezgjan Alioski? Im Exklusiv-Interview mit «Bluewin» spricht der ehemalige Lugano-Stürmer über sein neues Leben, seinen grossen Traum und den Entscheid, für Mazedoniens Nationalmannschaft aufzulaufen.
Erinnern Sie sich noch an Ezgjan Alioski, den quirligen Stürmer, der den FC Lugano vor zwei Jahren mit 16 Toren und 14 Assists sensationell auf Platz 3 und damit in die Europa League geführt hat? Der 27-Jährige spielt heute bei Leeds United in der Championship, der zweithöchsten Liga Englands und kämpft um den Aufstieg in die Premier League. Mazedonien will er zudem zur erstmaligen EM-Qualifikation verhelfen.
Ezgjan Alioski, Sie stehen mit Leeds aktuell auf Rang 3 der Championship und haben acht Spieltage vor Saisonende grosse Chancen, in die Premier League aufzusteigen. War es von Anfang an, als Sie Lugano im Sommer 2017 verlassen haben, Ihr Ziel, einmal in der Premier League zu spielen?
Ich wusste schon vor meiner Ankunft, dass der Klub grosse Ambitionen hat und unbedingt in die Premier League aufsteigen will. Das war sicher einer der Gründe, dass ich mich für Leeds entschieden habe. Jetzt haben wir eine reelle Chance, unser grosses Ziel zu erreichen.
Sie wurden in Leeds auf Anhieb Stammspieler. Haben Sie sich in England auch gleich wohl gefühlt?
Die Mannschaft hat es mir leicht gemacht. Ich hatte von Anfang an ein gutes Gefühl. Mit Gaetano Berardi war ja schon ein Schweizer da, er hat mir zu Beginn viel geholfen, mich den Teamkollegen vorgestellt und mir die Stadt gezeigt. Aber ich brauche ohnehin nicht lange, um mich in einem neuen Umfeld wohl zu fühlen.
Leeds ist ein Traditionsverein, wurde dreimal englischer Meister, spielte aber 2004 zum letzten Mal in der Premier League. Wie erleben Sie den Fussball in der Stadt?
Hier dreht sich alles um Fussball und jeder unterstützt den Klub – egal in welcher Liga er spielt. Selbst in der 5. Liga wäre das Stadion voll. Ob Sieg oder Niederlage, die Unterstützung der Fans ist immer und überall da. Wirklich krass. Es ist schön, so etwas zu erleben. Aber die Sehnsucht der Fans nach der Premier League ist natürlich gross. Deshalb gibt der Klub alles für den Aufstieg.
Warum hat Ihr Weg nach England und nicht nach Deutschland oder Italien geführt?
Ich habe gespürt, dass Leeds mich unbedingt haben will. Das hat mich letztlich auch überzeugt. Ich habe das mit meinem Berater Dino Lamberti genau angeschaut und wir haben uns überlegt, was mich weiterbringt. Es gab bestimmt auch andere Angebote, aber für mich war es immer ein Traum, mal in England zu spielen. Wenn sich dann ein grosser Klub wie Leeds United so sehr um dich bemüht, musst du nicht lange überlegen. Auch wenn es aktuell «nur» die zweithöchste Liga ist.
Haben Sie sich nach knapp zwei Jahren an England gewöhnt?
Ja, aber mit dem Wetter habe ich immer noch so meine Probleme (lacht). Aber man gewöhnt sich schon daran. Es gibt ja viele Trainings und Spiele, da vergisst man auch schnell, dass das Wetter nicht so gut ist wie zum Beispiel im Tessin.
Wo ist das Niveau höher, in der Championship oder in der Schweizer Super League?
Das kann man so nicht beantworten. Es ist ein komplett anderer Fussball. Wahrscheinlich denken viele Schweizer Fussballer, dass sie hier auch gut mitspielen könnten, wenn sie sich ein Spiel anschauen. Wie hoch das Niveau wirklich ist, merkst du erst, wenn du in der Liga spielst. Mit der ganzen Infrastruktur und den Stadien unterscheidet sich die Championship dann schon gewaltig von der Super League.
Verfolgen Sie den Schweizer Fussball noch?
Ja, ich schaue immer wieder Super League. Vor allem meinen Ex-Klub Lugano verfolge ich. Sogar die Spiele des FC Schaffhausen schaue ich mir ab und zu an. Ich habe den Schweizer Fussball also nicht vergessen.
Alioski, der im freiburgischen Flamatt aufgewachsen ist, debütierte mit 21 Jahren für die mazedonische Nationalmannschaft und hat seither 21 Länderspiele bestritten. Schon im Nachwuchs spielte er für Mazedonien, deshalb war für ihn früh klar, für welche Nation er auflaufen will. Mazedonien qualifizierte sich noch nie für eine EM oder WM, der Start in die EM-Quali ist nun aber geglückt (1 Sieg, 1 Remis aus den ersten 2 Spielen).
Sie entschieden sich schon früh, in der Nationalmannschaft für Mazedonien aufzulaufen. Hat sich der Schweizer Fussballverband nie um Sie bemüht?
Für mich gibt es nur eine Nationalmannschaft, und das ist die Mazedonische. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Nein, das hat der Schweizer Fussballverband nicht, aber dafür habe ich auch Verständnis. Als ich zum ersten Mal für Mazedonien aufgeboten wurde, war ich noch bei Schaffhausen in der Challenge League und die Schweiz hatte andere gute Spieler auf meiner Position. Mein Durchbruch kam erst später, als ich beim FC Lugano spielte.
Durch den Gruppensieg in der Nations League und dank dem guten Start in die EM-Quali waren die Chancen auf die erstmalige Teilnahme an einem grossen Turnier für Mazedonien wohl noch nie so gross wie jetzt. Was würde eine EM-Teilnahme Ihrer Nation und Ihnen persönlich bedeuten?
Die U21 hat es vor zwei Jahren an die EM geschafft, das was historisch. In unserer A-Nationalmannschaft hat sich in den letzten Jahren vieles zum Positiven verändert, der Trainer (Igor Angelovski, d. Red.) leistet wirklich gute Arbeit. Wir treten als Einheit auf und haben grosse Ziele. Eines davon, Platz 1 in unserer Nations-League-Gruppe, haben wir schon erreicht. Durch die EM-Quali und die Playoffs in der Nations League haben wir jetzt zwei Chancen, um unserem EM-Traum zu verwirklichen.
Mit einem Tor beim Sieg gegen Lettland und dem Assist beim 1:1 gegen Slowenien waren Sie mitentscheidend für den erfolgreichen Start in die EM-Quali. Wie ist Ihr Status in der Nationalmannschaft? Sind Sie ein Star?
Wir haben einige Legionäre im Team, ich bin einer davon. Wir werden automatisch als Stars angeschaut, das spürt man. Ich fühle mich selber aber nicht wie ein Star. Ich will einfach Gas geben und etwas bewegen. So denken die anderen auch, deshalb haben wir auch Erfolg.
In der Schweiz sind Sie als quirliger Offensivspieler bekannt. Bei Leeds spielen Sie aktuell als Linksverteidiger. Sind Sie mit dieser Rolle zufrieden?
Ich kann vorne auf den Flügeln spielen, jetzt spiele ich hinten links. Aber bei Marcelo Bielsa (Leeds-Coach, d. Red.) bist du nicht einfach ein Linksverteidiger, du musst auch vorne attackieren. Er vertraut mir und so können wir einen weiteren offensiven Spieler aufstellen. Ich fühle mich wohl auf meiner neuen Position und komme auch da auf meine Tore und Assists.
Ihr grosses Ziel ist die Premier League. Gibt es sonst noch etwas, was Sie in Ihrer Karriere erreichen wollen? Kommt irgendwann auch mal eine Rückkehr in die Schweiz in Frage?
Ich konzentriere mich aufs hier und jetzt und mache mir aktuell überhaupt keine Gedanken um die Zukunft. In der Schweiz habe ich Familie und Freunde, ich habe auch lange da gespielt. Deshalb wäre es natürlich schön, irgendwann in die Schweiz zurückzukehren.