St. Petersburg verzeichnet rekordhohe Zahlen. Am Freitag reist die Schweizer Nati inklusive Fans an. Im Stadion droht nicht nur die Verbreitung des Virus sondern auch die von neuen Varianten, warnt Epidemiologe Christian Althaus.
Am Freitag spielt die Nati in St. Petersburg gegen die Spanier, angefeuert wohl auch von Tausenden loyalen Schweizer Fans, die die Reise nach Russland auf sich nehmen. Doch sie ist nicht ohne Risiken: Russland verzeichnet momentan rekordhohe Ansteckungszahlen, alleine in St. Petersburg meldeten die Behörden am Dienstag 1400 Neuansteckungen und 119 Todesfälle innerhalb eines Tages im Zusammenhang mit dem Virus. Grund für den Anstieg im ganzen Land soll die Ausbreitung der besonders ansteckenden Delta-Variante sein.
Die Millionenstadt hatte zuletzt eine Reihe von Beschränkungen erlassen, um die Infektionslage in den Griff zu bekommen. So ist die Zahl der Menschen in den Fanzonen begrenzt worden. Bei Veranstaltungen sind auch unter freiem Himmel Schutzmasken Pflicht. Fotos und Videos zeigen aber immer wieder Menschenansammlungen ohne Schutzmaske. Zuletzt gab es auch Berichte, dass bei finnischen Fans nach ihrer Rückkehr aus St. Petersburg zahlreiche Corona-Infektionen nachgewiesen worden seien.
Auch in der Stadt seien die St. Petersburger sorglos, «mann könnte auch sagen verantwortungslos» unterwegs, berichtet SRF-Korrespondent David Nauer. Restaurants und Bars seien trotz hoher Fallzahlen offen, Musikfestivals fänden statt, ohne das jemand Maske tragen würde. «Meine Erfahrung in Russland ist, dass man solche Pflichten eher lasch sieht», so die Einschätzung von Nauer.
Verkommt auch der Viertelfinal gegen Spanien zum Superspreader-Anlass? «Mister Corona» Daniel Koch, der die Uefa in Sachen Pandemie berät, beschwichtigt im Interview mit SRF. Alle Gäste im Stadion seien entweder geimpft, getestet oder genesen, es gelte also das gleiche Regime wie an Grossanlässen in der Schweiz. «Einzelne Ansteckungen wird es wohl schon geben. Aber dass daraus grössere Ansteckungsherde entstehen, halte ich für unwahrscheinlich», sagt Koch weiter.
Als «zynisch» bezeichnet hingegen Epidemiologe Christian Althaus die Spiele in St. Petersburg. Er sieht das Problem im SRF-Interview nicht vordergründig in den möglichen Ansteckungen, sondern darin, dass die Spiele Menschen aus verschiedensten Ländern zusammentreffen lassen. «Diese Menge an Leuten aus aller Welt schaffen die perfekte Ausgangslage für die Verbreitung neuer Varianten«, sagt Althaus. Die sei besorgniserregend.
Kritik an Spielort London wird lauter
Auch in England steigen aufgrund der Delta-Variante die Zahlen seit einigen Wochen wieder stark an, Premierminister Boris Johnson hat die ankündigten Lockerungen deswegen um einen Monat verschoben. In London finden in der K.o.-Phase der Euro die meisten Spiele statt, auch das Finale. Die Uefa fordert nun eine Ausnahmeregelung für das Endspiel und droht ansonsten mit der Verlegung in ein anderes Land. Das sorgt für Kritik.
«Entweder die UEFA-Führung hat nicht verstanden, was in der Welt seit Frühjahr 2020 geschieht, oder sie setzt aus Eigeninteresse bewusst das Wohlergehen und gar das Leben vieler Menschen aufs Spiel», schreibt die FAZ in einem Kommentar.
«Es macht keinen Sinn, in London zu spielen», schimpfte auch Österreich-Coach Franco Foda letzte Woche in der «Kleinen Zeitung» vor dem Achtelfinal-Duell gegen Italien (1:2). «Bei allem Verständnis für die Einreisebestimmungen, die aufgrund der Corona-Mutation in England gelten, wäre es ja der Wahnsinn, wenn unsere Fans nicht dabei sein könnten. Es ist ja nicht alltäglich, dass wir ins Achtelfinale kommen.» Foda forderte darum, dass das Spiel an einen anderen Spielort verlegt wird. Er fand kein Gehör.