Deutschland – Frankreich So tippen sechs Fussball-Legenden das Duell der letzten beiden Weltmeister

dpa

15.6.2021 - 13:30

Lothar Matthäus tippt auf ein Remis.
Lothar Matthäus tippt auf ein Remis.
Bild: Keystone

Bei der Fussball-EM kommt es am Dienstagabend zum «riesen Knallerspiel», wie es der französische Trainer Didier Deschamps vor dem Duell mit Deutschland passend beschreibt. So schätzen frühere Stars der beiden Teams die Lage ein.

15.6.2021 - 13:30

Lothar Matthäus

Der deutsche Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus traut dem DFB im ersten EM-Gruppenspiel gegen Weltmeister Frankreich zumindest einen Teilerfolg zu. «Der Titel geht nur über Frankreich, alles andere wäre eine Überraschung. Allein Kanté und Mbappé sind Spieler der Extraklasse und der Rest ist auch spitze. Und trotzdem tippe ich auf ein 1:1», schrieb der 60-Jährige in einer EM-Kolumne.

Im Duell mit der Équipe Tricolore, an der das Team von Joachim Löw bei der EM 2016 im Halbfinale gescheitert war, spreche trotz der Klasse des Gegners auch einiges für die DFB-Auswahl. «Wir haben den besten Torwart der Welt, eine gute Defensive und im Vorwärtsgang grossartige Qualität», befand Matthäus.

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Fabien Barthez

Für Goalie-Legende Fabien Barthez ist die französische Nationalmannschaft der grosse Favorit bei der EM. «Vom Potenzial her kann sich diese top-besetzte Mannschaft nur selbst schlagen», so der Weltmeister von 1998 und Europameister von 2000. «Auf jeder Position sind die Bleus weltklasse besetzt, das ist Fakt.» Es könne natürlich «jederzeit der Fall eintreten, dass die Tricolore ihren Gegner unterschätzt», meint Barthez. Mit Trainer Didier Deschamps auf der Bank, «der für Bescheidenheit, Respekt und Besonnenheit steht, ist die Gefahr aber gering». Vor Deutschland hat Barthez trotzdem Respekt. «Die Deutschen sind ja seit mehreren Jahrzehnten als Turnier-Mannschaft bekannt. Sie haben stets die Gabe, sich auf solche Turniere zu fokussieren und auf den Punkt sowohl fit als auch mental stark zu sein», hält er fest.

«Natürlich gab es das frühe Aus bei der WM in Russland, aber wenn man einen Blick auf die Geschichte wirft, kam die DFB-Elf nur selten nicht mindestens ins Halbfinale. Diese Konstanz auf höchstem Niveau ist beeindruckend, und zwar von einer Generation zur nächsten.»

Fabien Barthez warnt vor Überheblichkeit.
Fabien Barthez warnt vor Überheblichkeit.
Bild: Getty

Dietmar Hamann

Dietmar Hamann hält Frankreich für die beste Mannschaft im Turnier. «Ich glaube, dass es gegen die Franzosen sehr schwer wird, und mit einem Punkt wäre ich hochzufrieden», sagte der 47-Jährige als Experte des Senders Antenne Bayern. 

Die Franzosen bringen aus Hamanns Sicht nicht nur eine beeindruckende Start-Elf mit, sondern verfügen auch über eine hervorragende Bank. Dennoch betonte der einstige Bayern- und Liverpool-Profi: «Wenn die Jungs so zusammenstehen, wie sie es gesagt haben die letzten Tage und Wochen, dann bin ich guter Dinge, dass wir zumindest einen Punkt holen.»

Allerdings sieht es Hamann kritisch, dass Bundestrainer Joachim Löw die von ihm aussortierten 2014-Weltmeister Thomas Müller und Mats Hummels direkt vor dem Turnier zurückgeholt hat. Die Mannschaft sei deshalb nicht gut aufeinander eingespielt. Aus seiner Sicht ist es fraglich, «ob dieser Team-Spirit so gefestigt ist und so gut ist, wie er es 2014 war».

Dietmar Hamann ist skeptisch.
Dietmar Hamann ist skeptisch.
Bild: Keystone

Jean-Pierre Papin

Jean-Pierre Papin schwärmt bei der Nationalmannschaft seines Heimatlandes Frankreich vor allem von der Offensive. «Wir haben im Angriff sieben Musketiere», so der ehemalige Bayern-Stürmer. Er meint: Kylian Mbappé, Antoine Griezmann, Kingsley Coman, Olivier Giroud, Ousmane Dembélé, Wissam Ben Yedder und Karim Benzema.

Die Rückholaktion Benzemas nach sechs Jahren erachtet der inzwischen 57 Jahre alte Papin trotz der grossen Auswahl als richtig. «Wenn Sie einer der besten Spieler Europas sind, dann haben Sie ihren Platz in der Nationalmannschaft», sagt er: «Er war für mich der konstanteste Angreifer Europas – neben Robert Lewandowski.» Allerdings sei der Sturm schon vor der Rückkehr des Torjägers von Real Madrid ausserordentlich gewesen: «Ob mit Benzema oder ohne, eigentlich fehlte kein einziges Puzzlestück. Benzema ist ein Plus – wie ein Joker», konstatiert Europas Fussballer des Jahres von 1991.



Dass der Disput zwischen den Stürmern Mbappé und Giroud das Team aus dem Tritt bringen könnte, glaubt Papin nicht. Nationaltrainer Didier Deschamps sei «so erfahren, dass ich ihm zutraue, damit fertig zu werden». Überhaupt sei Deschamps schon als sein Mitspieler bei Olympique Marseille und in der Nationalmannschaft aussergewöhnlich gewesen. «Deschamps war mehr als nur ein Spieler. Er war jemand, der alle mitzog», sagte Papin: «Er redete viel und fast alles, was er sagte, ergab Sinn. Das verlieh ihm eine natürliche Autorität, die er auch als Trainer behalten hat.»



Matthias Sammer

Nach Ansicht von Matthias Sammer sollte Deutschland mehr auf seine eigenen Stärken vertrauen. «Wenn unsere Nationalmannschaft bei dieser EM als wirkliches Turnierteam zusammenwachsen kann – warum sollen sie dann nicht das Turnier gewinnen können? Wir glorifizieren immer nur die anderen», meint  der Europameister von 1996.

Mit Blick auf die schwierige Gruppe F gehe es erstmal darum, «was man von dieser Mannschaft sehen möchte. Und zwar mit Optimismus», sagt Sammer. «Und sich nicht gleichzeitig Gedanken zu machen: ‹Oh, die anderen!› Sich über andere Gedanken zu machen, bedeutet immer: eigene Schwäche. Entschuldigung, wir sind Deutschland!»

Matthias Sammer will Deutschland mit breiter Brust antreten sehen.
Matthias Sammer will Deutschland mit breiter Brust antreten sehen.
Bild. :Keystone

Die Mannschaft habe «zwischenzeitlich ein bisschen instabil» gewirkt, analysiert der 53-Jährige, «auch aufgrund der Tatsache, dass es die Diskussionen um Jogi Löw gab. Dann gab es aber ein klares Statement, dass es sein letztes Turnier sein wird. Aufgrund dieser Voraussetzungen ist für mich klar: Deutschland ist für mich bei jedem Turnier ein Mitfavorit. Ausser, es gibt ein grundsätzliches Problem – das sehe ich aber nicht, wenn ich mir unsere Mannschaft anschaue.»

Sammer verwies zudem auf die Erfolge deutscher Spieler und Trainer in der jüngeren Vergangenheit. «Wenn man sich die gesamte Entwicklung mal anschaut: Die letzten drei Trainer, die die Champions League gewonnen haben, waren deutsche Trainer. Und jetzt waren im Finale vier deutsche Spieler beteiligt plus der siegreiche Trainer. Wenn man dann noch auf die U21 schaut, die gerade Europameister geworden ist – das sind doch deutsche Tugenden 2.1!»


Bixente Lizarazu

Der frühere Linksverteidiger freut sich auf das Schlagerspiel. «Es verspricht viel Spannung. Normalerweise beginnt man bei einem solchen Turnier mit einer einfacheren Aufgabe, dieses Mal werden beide Teams sofort wissen, wo sie wirklich stehen.»

Der langjährige Bayern-Profi zeigt sich gegenüber «Sportbuzzer» optimistisch: «Momentan sind bei den Franzosen alle Ampeln auf Grün gestellt. Sie spielen nicht nur erfolgreich, sondern attraktiv und sind in der Defensive kaum verwundbar. Dazu haben sie mit Benzema, Mbappé, Griezmann ein Angriffstrio, das seinesgleichen in Europa sucht.»

Er erwarte heisse Duelle auf dem Platz, insbesondere im Mittelfeld. «Auf der einen Seite haben wir Kimmich, Kroos, Gündogan. Auf der anderen, Pogba, N’Golo Kanté, Rabiot. Das sind die womöglich zwei besten Mittelfeldbesetzungen dieser EM. Man muss sehen, wie sich die Franzosen bei Ballverlust bewegen, wie sie gegen den Ball agieren. Ob sie in der Lage sind, sich zu zerreissen, weil sie ja seit der WM 2018 selten richtig gefordert wurden.»

Fabien Barthez (l.) und Bixente Lizarazu glauben an «les Bleus».
Fabien Barthez (l.) und Bixente Lizarazu glauben an «les Bleus».
Bild: Getty

dpa