«Geisterspiele töten den Fussball», meint Sion-Boss Christian Constantin und fordert den Abbruch der Saison. Diese Haltung ist nicht nur fragwürdig, sondern auch unehrlich dem Fussball gegenüber. Ein Kommentar.
Klar, Christian Constantin ist bekannt dafür, mit provozierenden Aussagen nicht zu geizen. Häufig fällt es mir leicht, diese mit einem kurzen «Ach, der CC wieder» abzuhaken. Wenn er nun aber sagt, Fussball ohne Fans sei lächerlich, stimmt mich das nachdenklich. Und zwar deshalb, weil Constantin diese Meinung nicht exklusiv vertritt.
So liess sich etwa Bundesligaschiedsrichter Deniz Aytekin in Zusammenhang mit Geisterspielen bereits vor einem Monat zitieren: «Irgendwie hat das mit Fussball nichts zu tun.»
Ganz ehrlich: Es sind vielmehr solche Aussagen, die mit Fussball «irgendwie nichts» zu tun haben. Sie zeigen in aller Deutlichkeit, wie weit sich deren Absender vom eigentlichen Spiel entfernt haben.
Florian Künzi, Teleclub-Reporter
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Natürlich ziehe auch ich ein ausverkauftes Stadion einem leeren jederzeit vor – sei es als Reporter oder als Fan. Denn volle Stadien bereichern den Fussball ungemein. Keine Frage. Aber sie machen ihn nicht grundlegend aus.
Aus Liebe zum Spiel
So waren es nicht etwa die vollen Stadien, die mich als kleinen Jungen in ihren Bann zogen. Es war der Fussball. Das Spiel, das in seiner Essenz so einfach ist, dass bereits Fünfjährige in zwei Teams gegeneinander antreten können. Dem Ball nachrennen. Dribbeln. Passen. Tore schiessen. Jubeln. Teamgeist leben. Und dabei ständig diesen unvergleichlichen Duft des Rasens einatmen.
Mehr als 280'000 Jungen, Mädchen, Frauen und Männer leben diese Leidenschaft heute in der Schweiz aktiv aus. Sie investieren einen Grossteil ihrer Freizeit in den Fussball. Die allermeisten von ihnen im Wissen, ihr Leben lang niemals in einem vollen Stadion aufzulaufen. Einfach nur aus Liebe zum Spiel. Und jetzt sagen Sie mir, Herr Aytekin, hat das mit Fussball nichts zu tun? Oder ist es gar lächerlich, Herr Constantin?
Natürlich nicht! Das ist der Fussball in seiner grundlegendsten und ehrlichsten Form. Und er ist die Basis dafür, dass die Besten ihres Fachs ihre Spiele vor Tausenden von Fans austragen dürfen. Sollte dies nun noch länger nicht möglich sein, so wäre das natürlich schade – sehr schade sogar. Noch viel schlimmer aber wäre es, weiterhin ganz auf Fussball verzichten zu müssen.
Geisterspiele mögen tatsächlich wenig zu tun haben mit dem Fussball, den wir als kommerzielles Produkt kennen. Ein Produkt übrigens, das ich keinesfalls verteufeln möchte, zumal ich als Journalist selbst ein kleiner Teil davon bin. In erster Linie sind Geisterspiele aber immer noch eines: Fussballspiele. Und als solche sind sie alles andere als lächerlich.