In Genf lernt er den Fussball lieben, von Zürich aus will er die grosse Bühne entern: Becir Omeragic, 18-jährig, das Schweizer Verteidiger-Juwel aus der Romandie.
Während elf Jahren entwickelte sich Becir Omeragic am Lac Léman zu einem der spannendsten Talente der Schweiz. Beim FC Zürich war er zunächst Teil der sportlichen Turbulenzen und zweifelte temporär selber. Inzwischen hat sich der Teenager in der Super League etabliert und gehört bereits zum Kreis der Nationalmannschaft.
Erzählen Sie uns etwas mehr über Ihre Kindheit. Gab es neben dem Fussball weitere sportliche Optionen?
Becir Omeragic: Es gab durchaus noch eine andere Passion – ich spielte lange auch Tennis. Bis zum Alter von elf Jahren trainierte ich neben den Fussball-Trainings regelmässig auf dem Court. Ich hätte mir vorstellen können, diesen Sport professionell zu betreiben. Aber irgendwann musste ich mich entscheiden, weil der Aufwand zu gross wurde.
Ihr Bruder Nedim kickte oft mit Ihnen. Dazu kam der Cousin – ein Genfer Goalie-Talent.
Edin wohnte im gleichen Komplex. Unsere Väter sind Zwillinge, die Wohnungen waren direkt nebeneinander. Wir sind gleich alt, unternahmen sehr viel zusammen, spielten in den gleichen Junioren-Auswahlen.
Edin blieb bei Servette, Nedim hingegen wechselte zur U21 des FC Zürich. Ist es für Sie einfacher, eine Bezugsperson aus der eigenen Familie an Ihrer Seite zu haben?
Zu Beginn meiner Zeit beim FCZ wohnte ich bei einer Gastfamilie. Das tat zwar gut, aber meine eigene Familie fehlte mir schon. Mittlerweile habe ich mich an das Leben in der Deutschschweiz gewöhnt – und ja: Dass ich das Appartement mit meinem Bruder teile, ist hilfreich.
Fehlte Ihnen Genf lange spürbar?
Meine Geburtsstadt vermisste ich am Anfang schon sehr. Ich kehrte bei jeder Gelegenheit zurück, anstatt mich in Ruhe von den Trainings und Spielen zu erholen.
Warum fiel die Wahl im Frühjahr 2018 auf den FC Zürich?
Mir machte der FCZ einen sehr guten Eindruck. Von hier aus machten viele eine gute Karriere. Die Jungen erhalten seit Jahren eine echte Chance. Die Verantwortlichen haben auch Vertrauen in Spieler mit weniger grossen Namen. Ludovic Magnin hat mich zudem in französischer Sprache gut abgeholt. Da entstand sofort eine enge Bindung. Und eben: Ich kam aus dem Junioren-Fussball, in der professionellen Welt musste ich mich erst einmal Schritt für Schritt adaptieren. Zürich war nur schon deshalb die perfekte Lösung.
Der Ex-Coach Magnin war ein zentraler Faktor?
Er hatte sehr grossen Anteil an meinem Wechsel nach Zürich und führte mich auf das nächste Level – taktisch, physisch, menschlich. Vom ersten Tag an schenkte er mir das Vertrauen. Seine Entlassung war auch für mich ein harter Schlag, weil ich ihm viel zu verdanken habe. Der Kontakt riss allerdings nicht ab, für mich ist Magnin weiterhin eine wichtige Vertrauensperson.
Gab er Ihnen auch den Ratschlag, das Interesse der europäischen Grossklubs an Ihnen richtig einzuordnen? Oder anders gefragt: Wer sorgt dafür, dass Ihre Füsse auf dem Boden bleiben?
So schwierig ist das gar nicht. Ich habe ein gutes Umfeld, das aufpasst. Die Coaches, die Mitspieler – sie alle sind sofort zur Stelle, wenn etwas schieflaufen sollte.
Die ersten beiden Jahre in Zürich verliefen teilweise verletzungsbedingt kompliziert. Ein Wadenbeinbruch stoppte sie, Gehirnerschütterungen erschwerten den Alltag.
Ich war tatsächlich oft verletzt. Zum Glück setzte mich niemand unter Druck. Mir wurde die nötige Zeit eingeräumt, mich von all den Rückschlägen zu erholen. Die Familie in Genf unterstützte mich während dieser schwierigen Phase sehr gut.
Keimten bei Ihnen am Anfang der Misere Zweifel auf? Macht mein Körper überhaupt mit? Halte ich der Erwartungshaltung stand?
In den ersten Monaten setzte mir die Situation zu, es hätte in alle Richtungen gehen können. Der Trainer stützte mich damals enorm.
Themawechsel, ein Wort zu Ihrer Position. Warum ist Becir Omeragic Innenverteidiger?
Puh, gute Frage. Als Kind spielte ich offensiver – am Flügel. Später machte der Coach aus mir eine Nummer 6. Und dann fand Domingos Ribeiro die ideale Position für mich: im Zentrum der Defensive. Es war eine sehr gute Wahl.
Was zeichnet einen modernen zentralen Verteidiger aus?
Er vereint Technik, Physis und Taktik. Mental muss man robust sein. Jeder Fehler hat auf höchstem Niveau zwangsläufig Folgen. Ich mag diesen Stress, diesen Adrenalinschub. An dieser Verantwortung kann ich wachsen.
Gibt es Spieler, die Sie in diesem Kontext inspiriert haben?
Am meisten bewundere ich eigentlich Zlatan Ibrahimovic. Bei den Verteidigern verfolge ich den Weg von Sergio Ramos und Raphaël Varane. Mich beeindruckt die Leadership von Ramos. Sie wirkt natürlich, er benötigt keine grossen Ansprachen, er spricht mit seiner Leistung auf dem Rasen.
Verfolgen Sie die spanische Liga generell sehr aufmerksam?
La Liga schaue ich tatsächlich oft – aber auch das Geschehen in England und Deutschland fasziniert mich. Mich interessiert, wie gespielt wird. Das Update am Weekend gehört für mich ganz einfach dazu.
In Dortmund ist ein eigentliches Jugendlabor am Werk. Schaut man da als Junger speziell hin, welchen Weg die Borussia mit Lucien Favre eingeschlagen hat?
Klar fällt einem das auf. Von Favre weiss man ja, wie gut er mit den Jungen umgehen kann. Der Dortmunder Weg ist in der Tat ungemein spannend.
Sie stehen inzwischen selber im internationalen Fokus. Seit diesem Herbst sind Sie A-Nationalspieler. Zuletzt wechselte Vladimir Petkovic Sie in der heissen Schlussphase gegen Spanien (1:1) ein – ein starkes Signal.
Von der ersten Minute an im Nationalteam spürte ich, dass der Trainer nicht auf die Namen oder das Alter schaut. Er setzt auf jene, die er für seinen jeweiligen Matchplan braucht. Ob ich 18, 25 oder über 30 bin – das interessiert Petkovic nicht. Schon in den Trainings gab er mir zu verstehen, dass ihn meine Leistungen überzeugen.
Es gibt in der Schweiz nur wenige, die mit 18 in der Nationalmannschaft debütiert haben – Ihr Ex-Junioren-Coach Johann Vogel war einer davon, Alain Sutter, Johan Vonlanthen, Breel Embolo und der aktuelle Captain, Granit Xhaka.
Es freut mich, dass ich in meinem Alter bereits in der A-Nationalmannschaft debütieren konnte.
Fiel es Ihnen einfach, im Kreis der Schweizer Stars anzukommen?
Sagen wir es so: Sie nahmen mir die Nervosität. Wenn du wie gegen die Kroaten einen wie Granit vor dir hast, gibt das allein schon Ruhe. Sie gestanden mir Fehler zu, beruhigten mich, redeten mit mir auf dem Feld. Das ist sehr, sehr angenehm und hilft.
Beeindruckt Sie Xhakas Weg an die Spitze?
Was Xhaka erreicht hat, ist aussergewöhnlich. Er hat in seiner Karriere keine Etappen übersprungen. Er ist natürlich gewachsen. Das zu sehen, ist für die Jungen lehrreich. Gespräche mit ihm haben mich zusätzlich darin bestärkt, auf meinem eigenen Weg nichts zu überstürzen.
Sie versteckten Ihre Ambitionen in der SFV-Auswahl gleichwohl nicht.
Klar bin ich ambitioniert und zielstrebig. Ich möchte nicht nur mittrainieren, sondern auch zu Einsatzzeit kommen. Aber mir ist auch klar, dass in der Innenverteidigung viel Klasse vorhanden ist: Manuel Akanji, Fabian Schär oder Nico Elvedi, das sind alles Top-Spieler, keine Frage. Meine Zielsetzungen bleiben unverändert hoch, will ich mich irgendwann im Ausland durchsetzen.
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