Der FC Sion hat mit Valon Behrami einen weiteren Spieler mit Siegermentalität ins Wallis gelockt. Es bleibt die Frage, ob in Sitten mittlerweile genug Platz für mehr als ein Alphatier ist.
Christian Constantin hat ein Problem. Der Präsident des FC Sion umgibt sich gerne mit Menschen, die ihm ähnlich sind: engagiert, initiativ, selbstbewusst und unnachgiebig. Typische Alphatiere faszinieren den 62-Jährigen: die Gennaro Gattusos, Murat Yakins oder Valon Behramis. Constantin sieht in ihnen seine eigene Geschichte, eine vom erfolgreichen Kampf gegen Widerstände. Constantin, der seine Mutter im Alter von 13 Jahren an den Krebs verlor, hat sich im Wallis ein Imperium aufgebaut, obwohl nur wenige an ihn geglaubt haben.
Es kann schnell kompliziert werden
Nur selten schlug der Patron des FC Sion in der Vergangenheit eine Möglichkeit aus, Menschen seines Schlags in den Verein zu holen. 2011 brachte er den ehemaligen spanischen Champions-League-Sieger Gabri erstmals ins Wallis, ein Jahr später folgte Italiens Weltmeister Gattuso. Zuletzt hiessen die Hoffnungsträger mit gesteigertem Selbstwertgefühl Alex Song, Murat Yakin, Pajtim Kasami und nun Behrami.
Solche Allianzen waren im FC Sion bislang allerdings zu selten von Erfolg gekrönt, da sie kompliziert werden, sobald Gegenwind aufkommt. Denn weder Constantin noch seine charakterlichen Ebenbilder auf dem Fussballplatz sind Gegenstimmen und Kompromisse gewohnt. Gerät der Klub in die Krise, wollen sie alle den Kurs bestimmen – ähnlich einem Schiff in Seenot, das mit lauter Kapitänen, aber ohne Crew in See stach.
Fragezeichen um den Hoffnungsträger
Oft klafften darum in den letzten Jahren Anspruch und Ertrag in Sitten auseinander. Dennoch sind die Erwartungen für die Saison 2019/20, die für Sion am Freitagabend mit dem Heimspiel gegen Basel startet, im Wallis ungebrochen hoch. Neuzuzug Mickaël Facchinetti, der zuletzt mit APOEL Nikosia die zypriotische Meisterschaft gewann, kündigte offenherzig einen Kampf um die ersten Positionen an. Dabei verknüpft er die Ambitionen fest mit einem Namen: Valon Behrami. «Wenn du solch einen Spieler holst, willst du eine Toprolle spielen», sagte Facchinetti gegenüber Blick über den 34-jährigen Tessiner.
Der 83-fache Schweizer Internationale Behrami ist für Mitspieler, Trainer Stéphane Henchoz und die Familie Constantin der entscheidende Faktor, um in der anstehenden Saison den FC Basel oder gar die Young Boys herausfordern zu können. Dass er bei seiner letzten Station, bei Udinese Calcio in der Serie A, immer wieder mit dem eigenen Körper zu kämpfen hatte, soll daran nichts ändern. Er sei nicht der Typ, der sich von seinem Körper stoppen lasse, sagt der Mittelfeldspieler selber. «So funktioniere ich nicht. Es ist mein Kopf, der entscheidet wann 'Stopp' ist.»
Zudem sei er nicht einfach in die Schweiz zurückgekehrt, um Kino mit seinem Namen zu machen. «Dafür bin ich zu stolz», sagt er. Behrami lebt Stolz und Respekt und fordert diese Attribute auch von anderen ein. Zuletzt hat ihm dies mancherorts gefehlt. Etwa in der Schweizer Nationalmannschaft, die Behrami nach einem Kürzesttelefonat mit Nationalcoach Vladimir Petkovic für immer verlassen hat. Nicht so bei Sion-Sportchef Barthélémy und dessen Vater Christian Constantin, denen er gemäss eigener Aussage sehr nahe steht.
Nur ist es mit dem Respekt so eine Sache. Auch im FC Sion, wo Stolz und Respekt schnell in Enttäuschung umschlagen können, wie zuletzt der Fall von Murat Yakin gezeigt hat. Innerhalb von wenigen Monaten stürzte Yakin in Constantins Optik vom «besten Trainer der Schweiz» zum Verräter ab, der seine Mannschaft im Stich gelassen hat. Der entscheidende Punkt in der kommenden Saison für den FC Sion wird neben Behramis physischer Verfassung also sein, was mit Präsident Constantin, Trainer Henchoz und Leader Behrami passiert, wenn im Tourbillon Gegenwind aufkommt. Wird das Trio als Einheit agieren, oder werden drei Einzelkämpfer alleine nach der richtigen Lösung suchen? Alles eine Frage des Egos.