YB ist Meister Stille Schaffer: Den Demütigen gehört der Schweizer Fussball

sda / Teleclub

14.4.2019 - 08:45

Im Frühling 2018 sichern sich die Young Boys mit einem Solo ihren ersten Meistertitel seit 32 Jahren. Eine Steigerung scheint kaum möglich zu sein. Aber dem alten und neuen Meister YB gelingt sie.

Beim gebeutelten Serienmeister Basel quittierte man letzten Mai die Niederlage mit Geist und witziger Fairness. In Bern sollen sie zum Meisterpokal Sorge tragen, denn schliesslich wolle man ihn in einem Jahr in einwandfreiem Zustand an der nächsten Meisterfeier in Basel zurückbekommen. Die nächste Meisterfeier in Basel dürfte irgendwann wieder stattfinden. Aber 2019 noch nicht.



Letzten Frühling schien es verfrüht zu sein, von einer Wachablösung an der Spitze des Schweizer Fussballs zu sprechen. Aber in diesen Wochen und Monaten darf man das Wort in den Mund nehmen. Denn der Graben, der sich in weniger als zwei Jahren zwischen YB und dem einzigen einigermassen seriösen Herausforderer FC Basel aufgetan hat, ist breit und tief – und wird vielleicht noch eine Weile nicht zugeschüttet.

Aus der Sicht des langjährigen Dominators FCB sind ein paar Fakten aus der noch nicht beendeten Saison wohl frustrierend. Im ersten Meisterschaftsviertel büssten die Basler auf YB 14 Punkte ein. In der 10. Runde, am Samstagabend des 6. Oktober, verlor YB daheim gegen Luzern und siegte Basel in St. Gallen. Für Basel bedeutete es: Drei Felder vor. Es war jedoch der einzige Spieltag, an dem Basel gegenüber YB etwas gutmachen konnte. An allen übrigen Spieltagen bis und mit der 28. Runde hiess es in der Summe: 26 Felder zurück. Selbst als sie sich stabilisiert hatten – nach der 16. Runde verloren sie kein weiteres Spiel – gerieten die Basler sukzessive weiter ins Hintertreffen. Auf diese Weise wurden aus den anfänglich guten Chancen auf die Rückeroberung des Titels mit der Zeit realistische, dann rechnerisch noch vorhandene und schliesslich hypothetische Chancen.


Ein paar weitere Fakten, die sich auf die ersten 28 Runden beziehen, belegen die Ausnahmestellung des BSC Young Boys

➡ YB gewann elf seiner 14 Auswärtsspiele. Acht andere Mannschaften der Liga haben in allen ihren 28 Spielen weniger oft gewonnen.

➡ YB holte in den 28 Runden 75 Punkte (neun unter dem Maximum). Zürich und St. Gallen brachten es zusammen auf 69 Punkte.

➡ Die Tordifferenz der Berner (plus 51) war nahezu gleich wie die Anzahl erzielter Tore des FC Basel.


Kein Geheimnis, aber viele Gründe

Ein Handeln mit Bedacht ist vielleicht die wichtigste Stärke der Berner in diesen Jahren. Es hat sie in die derzeitige Ausnahmestellung gebracht. Letzten Sommer wurde der wegziehende fähige Trainer Adi Hütter durch einen fähigen Trainer ersetzt. Gerardo Seoane hatte auch das Glück, dass das Meisterkader entgegen den Befürchtungen fast vollständig zusammenblieb. Von den Titularen ging nur Verteidiger Kasim Nuhu. In einem Interview sagte Seoane, er sei erstaunt und erfreut gewesen, dass alle Spieler nach dem Meistertitel weiterhin sehr hungrig gewesen seien.

Seit Christoph Spycher als Sportchef tätig ist, seit September 2016, war kein Zuzug eine Niete. So wurde das Kader für diese Saison noch breiter und besser. Ulisses Garcia und der kindlich staunende Lehrling Ali Camara erwiesen sich als Verstärkungen. Erst recht der polyvalente Sandro Lauper, auf den sie mittlerweile schon aus dem Ausland schielen.



In der Altersstruktur und nach Spielertypen sind die Young Boys 2018/19 ein hervorragender Mix. Hier – es sind nur Beispiele – feine Techniker wie Michel Aebischer, Sandro Lauper, Miralem Sulejmani und Roger Assalé, dort wuchtige, Dampf machende Spieler wie Ulisses Garcia, Ali Camara, Kevin Mbabu und Jean-Pierre Nsame. Mit ihnen und allen Übrigen steigerte sich YB in dieser Saison von 100 auf 150 Prozent.

Wenn es kein eigentliches Geheimnis für den gelbschwarzen Höhenflug gibt, so doch eine Reihe von Gründen. Seoane nannte die aus seiner Sicht wichtigsten Trümpfe: das Publikum und die Organisation. Die Zuschauer seien im Fall von YB tatsächlich der zwölfte Mann. Die Fans würden die Spieler mitreissen und sie zu Sonderleistungen antreiben. In den internen Abläufen sei der Klub so organisiert, dass alle wichtigen Leute ihre Arbeit selbständig und in Ruhe, aber dennoch koordiniert erledigen könnten, sagte Seoane. Er schätze dies sehr.



Stille Schaffer

Christoph Spycher, der für viele den grössten Anteil am Aufschwung hat, spricht nicht selten von Demut, wenn er die Philosophie des Vereins erläutern soll. Zur Demut gehören die stille Arbeit und der immerwährende Respekt vor dem Gegner, zum Beispiel vor dem FC Basel. Für Spycher ist der FCB nach wie vor die unbestrittene Nummer 1, wenn es um die Wirtschaftlichkeit geht. Spycher weiss auch, dass niemand ihm den sportlichen Erfolg für alle Zeiten garantiert.

Über diese Saison hinaus werden die Entscheidungsträger still und leise – demütig eben – weiterarbeiten. Keiner von ihnen drängt sich ins Rampenlicht, am wenigsten der Präsident. Wer kennt ihn? Er heisst Hanspeter Kienberger. Er ist kein Präsident mit einem illustren Namen wie Christian Constantin, Bernhard Häusler/Bernhard Burgener, Ancillo Canepa oder Matthias Hüppi. Kienberger trat letztmals im genannten September 2016 vor die versammelten Medien, als Christoph Spycher als Nachfolger von Fredy Bickel vorgestellt wurde. Dort schien nicht einmal der geldgebende Patron Andy Rihs selig mit Kienberger gänzlich vertraut zu sein. Jedenfalls nannte er ihn Kiener.

YB-Präsident Hanspeter Kienberger zieht im Hintergrund die Fäden.
YB-Präsident Hanspeter Kienberger zieht im Hintergrund die Fäden.
Bild: Keystone

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