Servette tobt nach der 1:2-Niederlage im zweiten Finalspiel gegen Zug wegen Ref Mark Lemelin. Die Genfer sind nicht die einzigen, die den US-Amerikaner, dem die Partie entglitt, harsch kritisieren.
Der grosse Aufreger ereignete sich in der 49. Minute, als Zugs Santeri Alatalo sich einen heftigen Ellbogencheck gegen Servettes Regisseur Henrik Tömmernes zuschulden kommen liess. Eine viel offensichtlichere Strafe kann es eigentlich nicht geben, aber die Pfeife der beiden Schiedsrichter Mark Lemelin und Marc Wiegand blieb stumm. Auf der Genfer Bank verstanden die Spieler und Staff-Mitglieder die Welt nicht mehr.
Servette-Stürmer Tanner Richard sprach hinterher Klartext: «Man wird nicht viele Leute finden, die zufrieden waren mit der heutigen Schiedsrichter-Leistung», erklärte der Stürmer und sagte an die Unparteiischen gerichtet: «Wenn du den Helden spielen willst, dann spiel den Helden, aber dann spiel ihn für 60 Minuten!»
«Der Schiedsrichter hat eine gute Sicht»
Es waren jedoch nicht nur die frustrierten Genfer Spieler, die mit Kritik nicht zurückhielten, sondern sie erhielten auch den Support von Experten, die den Sünder zudem outeten. So erklärte der zugeschaltete Schiedsrichter-Experte Nadir Mandioni zum Ellbogen-Check von Alatalo auf «MySports»: «Die Bewegung geht klar gegen den Kopf und man kann nun diskutieren, ist es ein Restausschluss oder sind es nur 2 plus 10 Minuten, aber es ist eine wichtige Strafe, die gepfiffen werden muss. Marc Wiegand kann die Szene nicht sehen, weil er auf der anderen Seite ist und ihm die Sicht durch diverse Spieler verstellt ist, aber der Schiedsrichter Nummer 2 (Mark Lemelin; die Red.) müsste es sehen, denn er hat eigentlich eine gute Sicht und die Frage ist jetzt, weshalb er es nicht sieht.»
Mandionis Experten-Kollege, der frühere Spieler Timo Helbling war im Studio anschliessend ziemlich aufgebracht: «Es gibt keine Entschuldigung dafür, so etwas nicht zu sehen. Das ist eine Szene, die matchentscheidend sein kann, wenn Tömmernes, der Servettes wichtigster Spieler ist, unter Umständen nicht mehr weiterspielen kann, wenn er eine Hirnerschütterung erleidet. Dazu kommt noch, dass Alatalo auch ein wichtiger Spieler für Zug ist. Das ist extrem schade, danach fiel das Spiel aus den Bahnen.»
Richard hatte zwar die Grösse trotz aller Aufregung seinem Statement noch beizufügen: «Wir haben nicht wegen dem Schiedsrichter verloren.» Letztlich hat aber Lemelins kapitaler Fehlentscheid nicht nur entscheidenden Einfluss auf das Spiel, sondern womöglich auch auf das Resultat gehabt. Vor besagter Szene lag Servette mit 1:2 zurück, was am Ende auch das Schlussresultat war. Hätte Servette die geforderte Überzahlsituation von 2 Minuten oder gar 5 Minuten erhalten, dann hätte dies der Partie eine Wende geben können. Erst recht wenn man bedenkt, dass die Genfer in diesen Playoffs das beste aller Teams in Überzahl sind und auch der bislang einzige Treffer in der Final-Serie gegen Zug im Powerplay zustande kam.
Lemelin pfiff in der NHL und den Olympia-Final
Es war jedoch nicht die einzige Szene, mit der sich Lemelin am Mittwochabend ins Kreuzfeuer der Kritik begab. Sehr abenteuerlich war es von ihm auch, in der 40. Minute Genfs Eric Fehr für eine «Schwalbe» auf die Strafbank zu schicken, nachdem er bei vollem Tempo von Zugs Carl Klingberg zurückgehalten wurde und sich dadurch nicht mehr auf den Schlittschuhen halten konnte. Mandioni dazu: «Lemelin pfeift das aus einer Distanz von 30 Metern. Diese Strafe sollte es nicht geben.»
Letztlich war es aber die Alatalo-Tömmernes-Aktion, die dafür sorgte, dass diese zweite Finalpartie, die zuvor begeisternd hart und intensiv, aber dennoch fair geführt wurde, den Schiedsrichtern entglitt. Da die Attacke auf ihren Topskorer Tömmernes ungeahndet blieb, griffen die Genfer am Ende zur Selbstjustiz. Wie Roger Karrer von hinten Zugs Topskorer Jan Kovar in die Bande beförderte, war kaum ein Zufall, aber gemeingefährlich. Der Servette-Verteidiger war mit dem Strafmass von 2 plus 10 Minuten überaus gut bedient. Es war reines Glück, dass sich Tömmernes und Kovar nicht gravierend verletzten.
Dabei ist Lemelin eigentlich einer der besten seines Fachs in der National League. Bereits mit 33 pfiff der heute 38-Jährige Spiele in der NHL, musste aber nach 58 Spielen weichen, als der Passus eingeführt wurde, dass nur noch ehemalige Spieler in der besten Liga der Welt eingesetzt werden dürfen. Lemelin setzte seine Karriere in der Folge in Europa fort und pfeift seit 2018 in der Schweiz. Seine Referenzen sind ausgezeichnet: Lemelin durfte an den Olympischen Spielen 2018 den Final Russland – Deutschland und auch schon das Endspiel in der Champions Hockey League leiten. Dass er in diesen Playoffs nochmals eingesetzt wird, ist dagegen unwahrscheinlich. Dafür ist nun die Aufregung zu gross.
Anstelle der Schiedsrichter hat nun die Rechtsabteilung der National League eingegriffen und Alatalo aus dem Verkehr gezogen. Der EVZ-Verteidiger wurde am Donnerstagvormittag für die dritte Finalpartie vorsorglich gesperrt, zudem ist ein ordentliches Verfahren eröffnet worden.