Abstimmung Rosenkrieg um einen Zürcher Tunnel – Pflichtbau oder Milliardengrab?

Von Julia Käser

3.2.2020

Die einen warnen vor «einem Stück Stadt, das zerstört wird», die anderen versprechen «gesteigerte Luft- und Lebensqualität» – der Rosengartentunnel spaltet Zürich in zwei Lager.  Was Sie wissen müssen.

Sobald der Begriff Rosengartentunnel fällt, scheiden sich die Geister in Zürich. Worum geht's überhaupt?

Die Achse Buchegg- und Rosengartenstrasse ist aktuell die meistbefahrene Durchgangsstrasse durch ein Schweizer Wohnquartier – so heisst es beim Kanton Zürich. Das Projekt «Rosengartentram und Rosengartentunnel», über das das Zürcher Stimmvolk am 9. Februar entscheidet, soll sie nun entlasten. Der Bau würde mindestens acht Jahre in Anspruch nehmen.

Geplant ist ein Tunnel von insgesamt 2,3 Kilometer Länge, der den Verkehr von der rund 700 Meter langen Strecke auf der Rosengartenstrasse wegbringen soll. Er besteht aus zwei Abschnitten: Zwischen dem Wipkingerplatz und dem Bucheggplatz sind zwei Röhren mit je zwei Spuren geplant. Eine weitere Röhre mit Gegenverkehr soll bis zum Irchel führen.



Zudem ist eine 3,1 Kilometer lange Tram-Neubaustrecke geplant, auf der zwischen dem Milchbuck und dem Albisriederplatz zwei neue Tramlinien verkehren sollen.

Neu soll es neben den zwei oberirdischen Spuren auf der Rosengartenstrasse vier weitere Tunnel-Spuren geben – führt das zu mehr Verkehr?

Bis zu 56'000 Fahrzeuge rollen jeden Tag über die Zürcher Rosengartenstrasse. Das ist bedeutend mehr wie täglich den Gotthardtunnel durchqueren. Die Befürworter des Rosengarten-Projekts sind davon überzeugt, dass ebendieses den Verkehr nicht steigern wird. So besteht zwischen Stadt und Kanton die Abmachung, dass die heutige Verkehrskapazität nicht erhöht werden soll.



Gesetzlich verankert wurde diese Obergrenze nicht. Auch deshalb befürchten die Gegner das Gegenteil: Der Rosengartentunnel kurble den Autoverkehr zusätzlich an und liesse sich nicht mit den Zürcher Klimazielen vereinbaren. 

Der Wipkingerplatz gilt nicht als Augenweide – was geschieht mit ihm?

Geplant ist, dass das Tunnelportal am Wipkingerplatz direkt unterhalb der bestehenden Hardbrücke liegt. Auch von dieser aus soll der Tunnel befahrbar sein – über eine Rampe. Bei der Stadt Zürich heisst es, der Wipkingerplatz werde durch das Projekt kaum tangiert. Und: Der Wipkingerplatz sei schon jetzt kein schöner Ort, das Tunnelportal müsse keine Verschlechterung darstellen – auch wenn es eine raumplanerische Herausforderung sei.

Ganz anders die Rosengarten-Gegner: Sie sprechen von einer weiteren «Verschandelung des Platzes», der eigentlich ein Quartierplatz sei und bereits 2013 hätte aufgewertet werden sollen. Auch dass ein Teil des Irchelparks zugunsten der Baupläne weichen müsste, ist ihnen ein Dorn im Auge.

Wie würde das milliardenschwere Projekt finanziert?

Insgesamt rund 1,1 Milliarden Franken soll das Projekt «Rosengartentram und Rosengartentunnel» den Kanton kosten. Während die Stadt Zürich sich mit 48 Millionen am Projekt beteiligen würde, ist geplant, dass der kantonale Strassenfond rund drei Viertel der Kosten tragen wird, der ebenfalls kantonale Verkehrsfond ein Drittel.



Weil das Projekt im Agglomerationsprogramm des Bundes eingestellt ist, wird damit gerechnet, dass dieser rund 400 Millionen der kantonalen Kosten übernehmen wird. Obwohl der Bund grundsätzlich bereit ist, den Beitrag zu zahlen, ist das Geld noch nicht zugesichert worden. Wie Rosengarten-Gegner schreiben, halte der Bund das Projekt in seiner jetzigen Form für «ungenügend» und habe es an den Kanton zurückgereicht.

Das neue Projekt braucht Platz – müssen Anwohner ihre Häuser räumen?

«Rücksichtslos werden Häuser abgerissen, Baumalleen ersatzlos gefällt und ein Stück Stadt zerstört», schreiben die Gegner des Rosengarten-Projekts. Sie sprechen von insgesamt zwölf Häusern, die abgerissen werden sollen. Dass Liegenschaften und Bäume weichen müssen, heisst es auch in einem Kantonsbericht und bei der Stadt. Da aber noch keine detaillierten Projektpläne vorlägen, sei es kaum möglich, eine genaue und definitive Zahl zu nennen.

Der Kanton rechnet mit bis zu 95 Prozent weniger Strassenverkehr auf der Rosengartenstrasse – wären die Anwohner also alle Abgas- und Lärmprobleme los?

Die Rosengarten-Befürworter versprechen den Anwohnern und der nahen Umgebung neben weniger Lärm auch reduzierte Abgasmengen. Gegner widersprechen: Die Luftbelastung bliebe trotz Tunnels dieselbe, einzig die Verkehrsmenge könne diese verändern. Der Kanton bilanziert, dass die verkehrsbedingten Luftschadstoffemissionen durch den Tunnel insgesamt leicht abnehmen würden. Vor allem entlang der geplanten Tunnelstrecke käme es zu einer deutlichen Entlastung – anders beim Tunnelportal am Wipkingerplatz: Dort drohe in einem Umkreis von 150 Metern eine erhebliche Mehrbelastung, sollte keine lüftungstechnische Massnahme getroffen werden.

Gemäss dem Kanton würde die Rosengartenstrasse nur noch der Quartierserschliessung sowie dem Velo- und Fussverkehr dienen – das wiederum komme einer deutlichen Lärmentlastung gleich. An den Tunnelportalen hingegen, etwa an der Bülachstrasse sowie der Hirschwiesenstrasse Richtung Schaffhausen, sei mit einer Lärmzunahme zu rechnen.

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