Extrem-Wetter Fünf Hitze-Kuppeln lassen die Menschen auf der Nordhalbkugel schwitzen

Von Philipp Dahm

22.7.2021

Luft-Zirkulation und weitere beeinflussende Faktoren in der Atmosphäre.
Luft-Zirkulation und weitere beeinflussende Faktoren in der Atmosphäre.
Bild: ESA/AOES Medialab

Hitzewelle in England, massive Brände in Sibirien, Temperatur-Rekorde in Japan und Alaska, während in Basra 51 Grad erreicht werden: Fünf Hitze-Kuppeln lassen die Menschen auf der Nordhalbkugel nach Abkühlung lechzen.

Von Philipp Dahm

22.7.2021

Die Nordhalbkugel ächzt unter aussergewöhnlich hohen Temperaturen: Nicht weniger als fünf Hitze-Kuppeln haben sich diesseits des Äquators gebildet, die in Nordamerika, Asien und Europa gleichzeitig Rekorde purzeln lassen.

Die «Washington Post» hat eine Karte mit einer Simulation für das Wetter in grosser Höhe publiziert, die fünf Schwerpunkte zeigt: über den britischen Inseln, über Sibirien, über Japan, über Alaska und Nordafrika.

Wie entstehen die Hitze-Kuppeln? Erst wird Luft über dem Boden oder dem Meer erwärmt, wie derzeit gerade über dem Atlantik. Die Luft steigt auf, bis sie den Jet-Stream erreicht. Wenn dort von Norden aber kalte Luftmassen einfliessen, wirkt der Höhenwind wie ein Deckel, der dann zu Heissluft-Polstern führt.

Europa

Genau das hat zum ersten Gebiet extremer Hitze geführt: die Britischen Inseln. In Nordirland sind innerhalb von fünf Tagen zweimal die Rekorde eingestellt worden: Samstag wurden 31,2 Grad in Ballywatticock gemessen – ja, der Ort heisst wirklich so – und gestern wurde dann mit 31,3 Grad Castlederg ein neuer Höchstwert gemessen.

Das britische Met Office hat am Montag zum ersten Mal überhaupt eine Hitze-Warnung herausgegeben. Das Thermometer soll heute im Verlauf des Tages am höchsten steigen, so die Prognose.

Die Hitze-Kuppel riecht weit in den Osten hinein: Sie hat das Mittelmeer und auch Zentralasien fest im Griff: Zypern freut sich nach 41 Grad vergangene Woche über heute kühlere 26 Grad, während die Türkei ebenfalls drauf und dran ist, bisher ungekannte Höchstwerte zu erreichen: Dort stieg das Quecksilber auf fast 50 Grad. 

Sibirien

«Schon seit einem Monat kann man wegen des Rauchs nichts mehr sehen», sagt eine 63-Jährige aus dem russischen Dorf Teryut dem Guardian. Die Region leidet unter Hitze, Trockenheit und weitläufigen Waldbränden. «Die kleinen Kinder haben wir schon weggeschickt,  die Feuer sind sehr nah, nur zwei Kilometer von unserem Dorf entfernt.

Mindestens 1,5 Millionen Hektar Land sind dort bereits Opfer der Flammen geworden. Die Feuer brennen bereits seit Wochen – und haben Folgen: Der Rauch ist schon auf den Kurilen angekommen, die gut 2600 Kilometer entfernt liegen. Seit 150 Jahren ist es nicht mehr so schlimm gewesen, sagen die Einheimischen.

Die Temperaturen in Sibirien lagen in der ersten Jahreshälfte satte fünf Grad über dem Durchschnitt. Den Behörden zufolge gab es am Donnerstag in Jakutien 227 Waldbrände. Auf 820'000 Hektar wird aber nicht gelöscht, weil die Flammen in abgelegenen Regionen wüten.

Besonders schlimm hat es nun Jakutsk erwischt, wo 320'000 Menschen leben: Hier haben die Brände eine «Airpocalypse» ausgelöst. Die Luft ist schwer mit Russ und Staub versetzt: Das Atmen hat dort «sofortige und schwere Effekte für jeden», warnen die Behörden. 

Japan

Dasselbe Bild in Japan: Hier sind am Sonntag und Montag Rekorde eingestellt worden. In der Präfektur Hokkaido, die eigentlich für ihre Wintersportorte bekannt ist, stieg das Quecksilber auf über 35 Grad. Die Hitze-Kuppel hat sich inzwischen aber Richtung Korea bewegt, wo es morgen über 37 Grad warm werden soll.

Alaska

Bei den bisher genannten Temperaturen klingen 27,2 Grad nicht gerade nach viel, doch wenn dieser Wert in Anchorage in Alaska gemessen wird,  macht das doch nachdenklich: Der erste Rekord fiel dort mit am Freitag mit 24,4 Grad, am Samstag waren es 26,1 Grad – und am Sonntag wurden schliesslich die 27 Grad geknackt.

So ein Wetter kommt nur einmal alle 1000 Jahre vor, haben Wissenschaftler herausgefunden. Wer nun meint, das Ereignis liege noch im Rahmen natürlicher Wetter-Phänomene, sollte wissen, dass die Chance für solche Extreme heute 150 Mal höher ist als zu vorindustrieller Zeit.

Nordafrika

Hitze nördlich vom Äquator am 22. Juli um 14 Uhr: Temperaturen zwischen 41 Grad im Westen im marokkanischen Marrakesch und 51 Grad im irakischen Basra.
Hitze nördlich vom Äquator am 22. Juli um 14 Uhr: Temperaturen zwischen 41 Grad im Westen im marokkanischen Marrakesch und 51 Grad im irakischen Basra.
Karte OpenWeather

Fazit

Auch wenn es mancher Zeitgenosse nicht wahrhaben will: Diese extremen Wettererscheinungen sind vom Klimawandel beeinflusst. Der vergangene Juni war der heisseste seit Aufzeichnungsbeginn.

Diese Entwicklung kann nicht als Ausreisser bezeichnet werden, nachdem zuvor 2020 und davor 2019 der Rekord für den wärmsten Juni gebrochen worden ist. Auch die Hochwasser-Katastrophen in der Schweiz, Deutschland und Belgien bestätigen diese These.

Einer neuen Studie zufolge steigt die Wahrscheinlichkeit für derartige Unwetter in unseren Breiten auf das Siebenfache im Jahr 2100. Andere Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, das Klima-Ziel von einer Erwärmung von maximal 1,5 Grad ist unrealistisch: Sie rechnen mit dem Doppelten.

Doch bis auch zum Letzten durchsickert, dass der Klimawandel real und potenziell tödlich ist, wird trotz solcher Wetter-Berichte wohl noch so mancher Wassertropfen vom Himmel fallen müssen.