Pharma-Skandal im Thurgau Opfer der Medikamententests erhalten je 25'000 Franken

sda/tgab

5.6.2024 - 15:20

Blick auf die psychiatrische Klinik am Bodensee in Münsterlingen. (Archivbild)
Blick auf die psychiatrische Klinik am Bodensee in Münsterlingen. (Archivbild)
Bild: Keystone

Das Thurgauer Kantonsparlament hat am Mittwoch die Solidaritätsbeiträge für Opfer der Medikamententests in der psychiatrischen Klinik in Münsterlingen TG gutgeheissen. 

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  • Jahrzehntelang wurden in der psychiatrischen Klinik in Münsterlingen TG im Auftrag der Pharmaindustrie Testpräparate verabreicht, die nicht zugelassen waren.
  • Die Patient*innen wurden darüber nicht in Kenntnis gesetzt.
  • Das Kantonsparlament bestätigt den Anspruch auf finanzielle Entschädigung von je 25'000 Franken.
  • Der Basler Pharmakonzern Novartis beteiligt sich als Nachfolger der damaligen Firmen mit 4 Millionen Franken an den Solidaritätsbeiträgen.

Der Grosse Rat verabschiedete am Mittwoch ein Gesetz in erster Lesung, wonach Opfer der Medikamententests in der psychiatrischen Klinik in Münsterlingen TG Anspruch auf finanzielle Entschädigung von je 25'000 Franken haben.

Berechtigt sind Personen, denen im Zeitraum zwischen 1940 und 1980 aktenkundig Testpräparate verabreicht wurden. Allfällige Erben sind ausgeschlossen. Der Kanton rechnet mit bis zu 500 Bezugsberechtigten und einem Betrag von 12,5 Millionen Franken.

In der psychiatrischen Klinik Münsterlingen wurden in jener Zeit nicht zugelassene Prüfsubstanzen an meist unwissende Patientinnen und Patienten verabreicht. Verantwortlich dafür war der Psychiater Roland Kuhn, der als Entdecker des ersten Antidepressivums gilt. Er testete die Substanzen im Auftrag der Pharmaindustrie.

Der Basler Pharmakonzern Novartis beteiligt sich als Nachfolger der damaligen Firmen mit 4 Millionen Franken an den Solidaritätsbeiträgen. Die Pharmaindustrie trage aus heutiger Sicht eine gewisse moralische Mitverantwortung, schrieb der Kanton in seiner Botschaft an den Grossen Rat.

Auszahlungen auf Gesuch

Gesundheitsdirektor Urs Martin (SVP) sprach im Parlament von einer Pionierrolle, welche der Thurgau bei der Aufarbeitung der damaligen Vorkommnisse in der Psychiatrie eingenommen habe. Das neue Gesetz soll 2025 in Kraft treten und regelt die Auszahlungen, die auf Gesuch hin erfolgen können. Es ist befristet bis 2031 gültig.

Das Gesetz gründet auf einer Motion aus dem Thurgauer Parlament. Dort war die Vorlage am Mittwoch unbestritten. Parlamentarier sprachen von einer Anerkennung jener Menschen, die ein unrühmliches Kapitel Thurgauer Geschichte am eigenen Leib erfahren hatten.