Immobilien-Riese Evergrande Was der Worst Case ist – und wen es am härtesten treffen könnte

Von Philipp Dahm

21.9.2021

Das Evergrande Center in Shanghai: Der Immobilien-Konzern taumelt.
Das Evergrande Center in Shanghai: Der Immobilien-Konzern taumelt.
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Nach der gestrigen Talfahrt erholen sich die Börsen heute wieder, obwohl eine Pleite von Evergrande noch nicht vom Tisch ist. Was das schlimmste mögliche Szenario und wer in China davon betroffen wäre, erfährst du hier.

Von Philipp Dahm

Die Krise des chinesischen Immobilien-Giganten Evergrande schlägt Börsianern weltweit auf den Magen. Der amerikanische Dow-Jones-Index verlor 1,78 Prozent, nachdem er im Handelsverlauf kurz auf den tiefsten Stand seit Ende Juni abgesackt war. DAX: minus 2,31 Prozent. Nikkei: minus 2,17 Prozent. Und auch der SMI sank um gut 169 Punkte auf 11'766 Punkte.

Dass gleichzeitig auch der Bitcoin-Kurs in den Keller rauschte, hat überrascht: Eigentlich gilt die Kryptowährung gerade bei Anzeichen einer Krise als sicherer Hafen für Anleger. In der Nacht auf Dienstag fiel der Wert aber auf 40'200 Dollar, nachdem er vergangene Woche noch bei um die 50'000 gelegen hatte.

Am heutigen Dienstagmorgen erholen sich die Kurse zwar wieder: Sowohl der Dow Jones wie auch DAX, SMI und auch Bitcoin machen wieder Boden gut. Dass die Märkte derart abgerauscht sind, erklärt «Bloomberg» denn auch damit, dass die Händler andere Störfaktoren bisher ignoriert hätten – wie die Delta-Variante des Coronavirus, die Politik der US-Notenbank, «AOC's Met-Gala-Kleid und anderen Horror».

Alexandria Ocasio-Cortez links von Aurora James am 13. September bei der New Yorker Met-Gala: Mit der Aufforderung «Besteuert die Reichen» auf ihrem Kleid können Börsianer nicht viel anfangen.
Alexandria Ocasio-Cortez links von Aurora James am 13. September bei der New Yorker Met-Gala: Mit der Aufforderung «Besteuert die Reichen» auf ihrem Kleid können Börsianer nicht viel anfangen.
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Angst vor Ansteckung

Trotzdem ist die Angst vor einem Zusammenbruch von Evergrande nicht vom Tisch: In zwei Tagen muss der Konzern Zinsen in Höhe von 77,7 Millionen Franken tilgen. Um das Geld zusammenzubekommen, hat Evergrande einigen Gläubigern bereits angeboten, sie mit Immobilien statt mit Geld zu bezahlen.

Wer verliert, wenn Evergrande zerbricht? Die Opfer reichen «von – bis»: Da wären zuerst Chinesen, die sich in kommende Projekte eingekauft und Anzahlungen für diese Immobilien gemacht haben. Dann wären da die Baufirmen und Zulieferer, die auf ihren Kosten sitzenbleiben würden: Hier soll es um rund 3,8 Millionen Jobs gehen. Und nicht zuletzt gibt es 200'000 Angestellte.

Auch die Börse in Hongkong war gestern wegen Evergrande im Minus.
Auch die Börse in Hongkong war gestern wegen Evergrande im Minus.
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Das grösste Gefahrenpotenzial schlummert aber im Finanzsektor: Der Immobilien-Konzern steht angeblich bei diversen Banken in der Kreide. «Evergrande schuldet angeblich um die 171 chinesischen Banken und 121 anderen Kapitalunternehmen Geld», sagt ein Experte auf Nachfrage der BBC. Zudem betreibt die Firma über eine Tochter mit der Shengjing Bank auch noch selbst ein Geldinstitut. 

Greift Peking doch noch ein?

Die Befürchtung: Eine Zahlungsunfähigkeit des Immobilien-Riesen könnte Krisen bei jenen Banken nach sich ziehen, die wiederum weitere Teile der Wirtschaft anstecken und einen Flächenbrand auslösen dürften. Ausserdem ist Evergrande noch in anderen Branchen tätig wie dem Vermögensmanagement, Elektroautos, Nahrungsmittel und Getränken.



Die aktuelle Pleite wird der mit derjenigen der Bank Lehman Brothers verglichen, die 2008 die internationale Finanzkrise ausgelöst hatte. Das Geldhaus hatte im Vergleich mit Evergrande aber einen doppelt so hohen Schuldenberg angehäuft. Ausserdem kann Peking beim Immobilien-Konzern noch eingreifen. Das soll die Kommunistische Partei jedoch nicht wollen, weil sie in Sachen Schuldenpolitik ein Exempel statuieren will.

Die US-Ratingagentur S&P warnte davor, dass nicht von einer Rettung des Konzerns durch die Regierung ausgegangen werden könne. Peking wäre demnach nur dann zum Eingreifen gezwungen, «wenn es zu einer weitreichenden Ansteckung käme, die den Zusammenbruch mehrerer grosser Bauunternehmen zur Folge hätte und systemische Risiken für die Wirtschaft darstellen würde», so die Agentur.