Iran Vier Jahrzehnte nach der Revolution: Junge Iraner sind unzufrieden

Mehdi Fattahi, AP

9.2.2019

«Wir hatten Ziele, und wir glauben noch immer, dass diese Ziele richtig waren», sagt der 22 Jahre alte Student Farsad Farahani mit Blick auf die Revolution von 1979.
«Wir hatten Ziele, und wir glauben noch immer, dass diese Ziele richtig waren», sagt der 22 Jahre alte Student Farsad Farahani mit Blick auf die Revolution von 1979.
Ebrahim Noroozi/AP/dpa

Mehr als die Hälfte der Iraner ist unter 35 Jahre alt. Doch ihre Aussichten sind schlecht. Viele wollen das Land verlassen, weil sie keine Zukunft sehen.

Sie kamen in einer Zeit zur Welt, als ihre Eltern mit ihren Protesten den Schah stürzten, als ihr Heimatland von den USA isoliert wurde und ein blutiger, acht Jahre langer Krieg mit dem Nachbarland Irak losbrach. Heute, rund 40 Jahre später, sind die Kinder der Islamischen Revolution von 1979 eine bedeutende Kraft in dem Land.

Mehr als die Hälfte der 80 Millionen Iraner ist unter 35 Jahre alt. Alle kämpfen sie mit dem Erbe von damals, ganz besonders seit die USA die Wirtschaftssanktionen wieder eingeführt haben, nachdem US-Präsident Donald Trump das Atomabkommen im vergangenen Jahr aufgekündigt hatte.

«Wir hatten Ziele, und wir glauben noch immer, dass diese Ziele richtig waren», sagt der 22 Jahre alte Student Farsad Farahani mit Blick auf die Revolution von 1979. «Wir hatten Forderungen und glauben, dass diese Forderungen angemessen waren. Aber die Revolution hat es nicht geschafft, diese Forderungen vollständig zu erfüllen.»

Der damals 76-jährige Khomeini wird am 1. Februar 1979 bei seiner Rückkehr in Teheran bejubelt.
Der damals 76-jährige Khomeini wird am 1. Februar 1979 bei seiner Rückkehr in Teheran bejubelt.
KEYSTONE/AP/CAMPION

Mit der Revolution wurde eine schiitische Theokratie eingeführt, die Unabhängigkeit vom Westen wie vom Osten versprach. Zudem wurden mit Unterstützung der Linken Pläne für die wirtschaftliche Entwicklung, Bildung und soziale Gerechtigkeit vorangetrieben. Die Führer versprachen dem Volk auch eine Teilhabe an den Erlösen aus den Ölgeschäften.

Heute kann nahezu jeder Iraner lesen. 1976 waren es nach Statistiken der Regierung nur 47 Prozent. Viele junge Menschen besuchen sogar die Universitäten. Doch mindestens jeder Vierte von ihnen findet danach keinen Job, wie aus Zahlen des Internationalen Währungsfonds hervorgeht. Und wer Arbeit findet, muss oft mit Tätigkeiten vorliebnehmen, die weit unter seiner Qualifikation liegt. Promovierte Taxifahrer sind im Iran keine Seltenheit.

«Wer bleibt, hat einen reichen Vater»

Die 27 Jahre alte Studentin Mania Filum sieht die Errungenschaften der Revolution im Bildungssektor. Aber jetzt müssten sie und ihre Freunde ihrer Heimat den Rücken kehren, wenn sich die Gelegenheit ergebe. «Jeder will ein Stipendium gewinnen und den Iran verlassen», sagt sie. «Wer bleibt, hat einen reichen Vater oder einen Vater, der selbst Fabriken besitzt oder einen guten Job hat. Das ermöglicht ihnen, selbst einen Job zu bekommen und eine stabile Situation zu haben.»

Viele der jungen Iraner sind nach dem blutigen Krieg mit dem Irak aufgewachsen, der rund einer Million Menschen das Leben kostete. «Mein Vater zog in den Krieg und wurde verwundet. Er war bereit, sein Leben zu opfern», sagt die 20-jährige Studentin Kimia Sakeri. «Selbst wenn wir heute sprechen, will er die Realität und die schlechte Situation nicht akzeptieren», sagt sie. «Du kannst hier keinen Spass haben oder dir etwas kaufen. Du musst nur irgendwie zurechtkommen, damit du atmen und überleben kannst.»

Iraner sind Sanktionen gewöhnt

Die junge Generation kennt die Zeiten des unglaublichen politischen Drucks auf das Land – und die kurze Atempause. Nach dem Sturm auf die US-Botschaft in Teheran im Jahr 1979 und die anschliessende 444 Tage lange Geiselkrise waren die Iraner Sanktionen des Westens gewöhnt. Mit dem internationalen Abkommen von 2015 wurden diese aufgehoben. Doch mit dem Rückzug Trumps aus dem Abkommen sind die Hoffnungen auf einen Aufschwung wieder geschwunden.

Schajan Momeni, Student der Zahnmedizin, macht die USA für die aktuellen Probleme des Irans verantwortlich. «Meistens hat es nichts mit der Revolution zu tun. Das sind amerikanische Muskelspiele», sagt er. «Amerika will den Nahen Osten dominieren, kann das aber nicht erreichen. Jetzt versucht es, uns in die Knie zu zwingen. Aber es hat keinen Erfolg gehabt.»

Filum sieht das anders. «Japan hätte nach Hiroshima auch die Verbindungen zu den USA für immer kappen können», sagt sie. «Aber es hielt die Verbindungen, hatte davon Vorteile, und das trug zu einem grossen Teil zu seiner Entwicklung bei.»

Der Iran sei dagegen anders. «Er besteht noch immer darauf, dass Amerika böse ist, dass es unser Feind ist.» Und Filum fragt: «Welchen Preis hat diese Unabhängigkeit? Kostet sie uns, dass unser Leben immer schlechter wird?»

Diese Ansichten teilen viele junge Menschen, die mit dem wachsenden Zugang zu Internet und Satelliten-Fernsehprogrammen aufgewachsen sind und so eine Sicht auf eine Welt haben, die weit über das hinausgeht, was das staatliche Fernsehen anbietet.

Aber sie haben auch die Proteste des Arabischen Frühlings im Jahr 2011 gesehen, die in Krieg und Unterdrückung führten. Das ist vielen eine Warnung. Und sie erinnern sich an das Chaos und die Ausschreitungen nach der umstrittenen Präsidentenwahl im Jahr 2009 im Iran.

Farahani sagt, er glaube, dass Revolutionen grundsätzlich keine gute Sache seien. «Ich denke, Reformen sind besser als Revolutionen und radikale Veränderungen, die auch viele gute Dinge zerstören», sagt er.

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