Zweijähriger verliert Eltern Siebenfache Mordanklage nach Bluttat bei US-Parade

dpa

6.7.2022 - 04:15

Angriff auf Parade bei Chicago: mutmasslicher Schütze gefasst

Angriff auf Parade bei Chicago: mutmasslicher Schütze gefasst

Am Montag, am US-Nationalfeiertag, hatte ein Angreifer Schüsse auf eine Menschenmenge abgegeben. Sechs Personen kamen ums Leben, mehr als 30 wurden verletzt. Der Verdächtige konnte auf der Flucht gestellt werden.

05.07.2022

Sieben Menschen sterben bei einer feierlichen Strassenparade in den USA im Kugelhagel eines Schützen. Der mutmassliche Täter erwarb seine Waffe legal, obwohl er der Polizei bereits bekannt war. Ihm droht nun lebenslange Haft – ohne Chance auf vorzeitige Entlassung.

6.7.2022 - 04:15

Nach der Bluttat bei einer Strassenparade zum US-Nationalfeiertag in einem Vorort von Chicago ist der mutmassliche Todesschütze wegen Mordes in sieben Fällen angeklagt worden. «Dies sind nur die ersten von vielen Anklagen», sagte der Staatsanwalt des Bezirks Lake County, Eric Rinehart, am Dienstagabend (Ortszeit) in der Kleinstadt Highland Park. Er erwarte, dass der 21 Jahre alte Tatverdächtige noch in Dutzenden weiteren Punkten zur Rechenschaft gezogen werde. Im Falle einer Verurteilung würden aber bereits die Anklagen wegen Mordes ersten Grades zu einer lebenslangen Haftstrafe ohne Chance auf vorzeitige Entlassung aus dem Gefängnis führen.

Rinehart kündigte an, die Staatsanwaltschaft werde an diesem Mittwoch bei Gericht beantragen, dass der Verdächtige in Untersuchungshaft genommen wird – ohne die Möglichkeit, gegen Kaution bis zu einem Urteil auf freien Fuss zu kommen. Der Ankläger betonte, für die Sicherheit der Menschen müsse mehr getan werden. Er forderte ein landesweites Verbot von Sturmgewehren, wie sie bei zahlreichen Massakern in den USA benutzt wurden – so auch im Falle der jüngsten Tat in Highland Park. US-Präsident Joe Biden war kürzlich mit der gleichen Forderung am Widerstand im Kongress gescheitert.

In Highland Park hatte ein Schütze am Montag, dem Unabhängigkeitstag der USA, das Feuer eröffnet. Nach Polizeiangaben feuerte er mit einem «leistungsstarken Gewehr» vom Dach eines Geschäftsgebäudes aus wahllos auf die feiernde Menschenmenge und gab etwa 70 Schüsse ab. Nachdem ein weiteres Opfer an seinen Verletzungen starb, stieg die Zahl der Toten am Dienstag auf sieben. Zudem wurden mehr als 30 Menschen verletzt.

FBI-Beamte bei der Beweissicherung in Highland Park. (5. Juli 2022)
FBI-Beamte bei der Beweissicherung in Highland Park. (5. Juli 2022)
Bild: Keystone/AP Photo/Charles Rex Arbogast

Ermittler: Täter tarnte sich mit Frauenkleidern

Der mutmassliche Todesschütze konnte nach Angaben der Polizei anhand der Waffe identifiziert werden. Ein Polizeisprecher nannte zwar keine Details dazu, der Sender NBC News berichtete aber, es seien DNA-Spuren an dem Gewehr gefunden worden, das der Verdächtige am Tatort zurückgelassen habe. Den Ermittlern zufolge trug der Mann bei seiner Tat Frauenkleidung, um sich zu tarnen und möglicherweise auch leichter flüchten zu können.

Dem Verbrechen gingen nach Angaben der Behörden wochenlange Planungen voraus. Der mutmassliche Täter habe seine Waffe legal in Illinois erworben, obwohl er der Polizei bereits bekannt gewesen sei, sagte ein Polizeisprecher. Im September 2019 habe die Polizei nach Drohungen des Jugendlichen mehrere Messer, einen Dolch und ein Schwert sichergestellt. «Zu diesem Zeitpunkt gab es keinen hinreichenden Grund für eine Verhaftung oder einen Haftbefehl.» Hinweise darauf, dass sich der Anschlag gegen eine bestimmte – etwa ethnische oder religiöse – Gruppe richtete, gibt es den Angaben zufolge derzeit nicht.

Einige im Internet veröffentlichte Musikvideos, die Szenen von Waffengewalt zeigen, wurden dem Verdächtigen zugeschrieben. Mehrere Social-Media-Konten, von denen ebenfalls anzunehmen ist, dass sie dem jungen Mann zuzuordnen sind, wurden inzwischen gesperrt.

US-Vizepräsidentin Kamala Harris besuchte am Dienstagabend (Ortszeit) Highland Park. «Ich überbringe Ihnen das Beileid von Präsident Joe Biden und von unserem Land», sagte Harris. «Es tut mir so leid, was Sie alle erlebt haben, der Schmerz, das Leid. Das hätte niemals passieren dürfen.» Kurz zuvor hatte sie in Chicago gesagt: «Wir müssen diesen Horror beenden. Wir müssen diese Gewalt stoppen.»

Schüsse machen Zweijährigen zu Vollwaise

Die tödlichen Schüsse haben einem Medienbericht zufolge einen zwei Jahre alten Jungen namens Aiden zum Vollwaisen gemacht. Der 37 Jahre alte Vater und die zwei Jahre jüngere Mutter des Kindes seien unter den sieben Todesopfern der Tat vom Montag in Highland Park, berichtete der Sender CBS am Dienstag. Auch auf der von Gerichtsmedizinerin Jennifer Banek mit stockender Stimme verlesenen Liste der Todesopfer standen die Namen der Eltern. Sie kamen demnach aus Highland Park.

Bei CBS hiess es, Aiden sei im Chaos nach den Schüssen von seinen Eltern getrennt worden. Ein Paar habe den Jungen in der Obhut einer fremden Frau entdeckt, die aber offensichtlich unter Schock gestanden habe. Das Paar habe das Kind daraufhin mit sich genommen und zur Feuerwehr gebracht. Später sei Aiden dann von der Polizei an seine Grosseltern übergeben worden.

Im Internet wurde zu Spenden für Aiden aufgerufen. Auf Gofundme kamen bis Dienstagabend (Ortszeit) über 750'000 Dollar zusammen – deutlich mehr als die Zielsumme von 500'000 Dollar. Mehr als 13'200 Menschen hatten zu dem Zeitpunkt gespendet. 

Mehr als 50 Menschen pro Tag erschossen

Die USA haben seit Langem mit einem schier gigantischen Ausmass an Waffengewalt zu kämpfen. Erst Ende Mai richtete ein 18 Jahre alter Schütze an einer Grundschule in Texas ein Massaker an: Er tötete in der Kleinstadt Uvalde 19 Kinder und 2 Lehrerinnen, bevor er von der Polizei erschossen wurde. Gut eine Woche zuvor hatte ein 18-Jähriger in Buffalo im Bundesstaat New York wohl aus rassistischen Motiven zehn Menschen erschossen.

Die Amokläufe entfachten die Diskussion über schärfere Waffengesetze neu. In den USA sind Schusswaffen oft leicht erhältlich. Nach Angaben der Gesundheitsbehörde CDC wurden 2020 landesweit fast 20'000 Menschen erschossen – mehr als 50 pro Tag. Die Nichtregierungsorganisation Gun Violence Archive registrierte seit Anfang des laufenden Jahres schon 313 Angriffe mit Schusswaffen, bei denen es mindestens vier Opfer gab.

dpa