Heikles Thema Neues Naturmuseum schockiert religiöse Kreise in Israel

Ilan Ben Zion, AP

14.6.2018

In Tel Aviv öffnet im Juli ein neues nationales Museum zur Naturgeschichte. Es ist hochmodern - und spart auch ein Thema nicht aus, an dem sich streng religiöse Kreise stark stossen.

Die Planungen dauerten Jahrzehnte, und wiederholt kam es zu Verzögerungen. Aber nun ist es fast so weit: In Israel soll im Juli ein neues nationales Museum für Naturgeschichte öffnen, das nicht nur wegen seiner ultramodernen Gebäudegestaltung in Form einer Arche eine Besonderheit darstellt. Die Einrichtung an der Universität von Tel Aviv beherbergt über 5,5 Millionen Exemplare von Spezies aus aller Welt mit besonderer Betonung auf der einheimischen Fauna und Flora im Heiligen Land und in der Region. Zugleich ist das Steinhardt Museum of Natural History ein Forschungszentrum - nach Angaben seiner Schöpfer das einzige auf dem Gebiet der Naturgeschichte im Nahen Osten.

Und was es weiter bemerkenswert macht: Es bietet eine kontroverse Ausstellung, die der menschlichen Evolution gewidmet ist. Das passt streng religiösen Kreisen im Land überhaupt nicht, denn sie lehnen die Evolutionstheorie ab. «Es ist wirklich ein heikles Thema in Israel», sagt Israel Herschkowitz, ein Anthropologie-Professor an der Universität von Tel Aviv, der an der Ausstellung mitgearbeitet hat.

Dennoch knickte man angesichts der Opposition nicht ein. Zugleich ist die umstrittene Ausstellung im obersten Stockwerk untergebracht, das heisst, Besucher, die sich an ihr stossen, können sie leicht umgehen.

Benannt ist das Museum nach dem amerikanischen Milliardär Michael Steinhardt, der einen grossen Teil des umgerechnet 36 Millionen Euro teuren Projektes finanziert hat und generell viel für Israel spendet. Die Einrichtung soll nach Angaben ihrer Kuratoren das öffentliche Bewusstsein über die Natur- und Umwelt schärfen - durch die Betonung der ökologischen Vielfalt am Knotenpunkt von drei Kontinenten und die Illustration der Zerstörung durch moderne Entwicklung.

Dazu werden traditionelle Schaukästen und interaktive Ausstellungen miteinander verknüpft. Ausgestopfte Falken, Pelikane und Geier, die um den Eingang herumschwirren, sollen die epischen Vogelmigrationen von Afrika nach Europa durch Israel darstellen. Der letzte Syrische Braunbär im Land, 1916 getötet, und der letzte Asiatische Gepard, 1911 erlegt, sind Geister aus einer verlorenen Welt - Zeichen der zerstörerischen Veränderungen des örtlichen Habitats, eine Art Mahnung für die Besucher.

«Hauptziel des Museums ist es, die Öffentlichkeit der Natur näher zu bringen», sagt Museumsdirektor Alon Sapan. Hinzu kommen im Hintergrund die Labore und anderen Forschungseinrichtungen, die es Hunderten von Wissenschaftlern ermöglichen, die Proben aus der Naturwelt in der Sammlung des Museums zu studieren. Naturgeschichtliche Museen spielten bei der Erforschung und Identifizierung der Millionen Spezies auf der Erde eine «Schlüsselrolle», erläutert die Museumsvorsitzende Tamar Dyan.

Die Ausstellung zur Evolution hat übersetzt den Titel «Was macht uns menschlich?». Sie beleuchtet die Geschichte anhand kultureller Errungenschaften wie dem Nutzbarmachen von Feuer, der Innovation von Werkzeugen und der Entwicklung von Landwirtschaft. Professor Herschkowitz zufolge gab es keine bewusste Entscheidung, die Ausstellung sozusagen im dritten Stock zu verbergen oder den Inhalt irgendwie zu zensieren. Aber es sei auch nicht Absicht gewesen, religiöse Kreise herauszufordern.

Die gewählte Platzierung sei zum Guten, so der Professor weiter: «Jeder kann selber entscheiden, ob er die anthropologische Schau sehen will oder nicht.» Man sei nicht gezwungen, durch diese Ausstellung zu gehen, um woanders hin zu gelangen, es sei der letzte Teil der gesamten Ausstellung: «Wer es nicht sehen will, muss es nicht.» Die Museumsleitung selber betonte in einer Erklärung, die Platzierung dieser speziellen Ausstellung sei unter verschiedenen Gesichtspunkten erfolgt.

Das orthodoxe Judentum folgt einer strikten Auslegung der Bibel, was viele dazu führt, die Evolutionstheorie abzulehnen. Diese wird auch nicht in staatlich finanzierten ultraorthodoxen Einrichtungen gelehrt, die immerhin 23 Prozent der israelischen Schulen ausmachen. Aber auch in nichtreligiösen Schulen werden nur relativ wenige Schüler an die menschliche Evolution herangeführt, wie Kritiker beklagen.

Erst kürzlich geriet ein kleines naturgeschichtliches Museum in Jerusalem in die Schlagzeilen, als es nach Protesten ultraorthodoxer Besucher eine Ausstellung zur Evolution mit einem Tuch abdeckte. Der Museumskurator verteidigte das Vorgehen mit der Begründung, dass religiöse Schüler andernfalls überhaupt keine Begegnung der Naturgeschichte gehabt hätten.

Für viele orthodoxe Juden sei Evolution «zu der Sache geworden, die in den Köpfen von Leuten die Grenze zwischen den Religiösen und den Atheisten markiert», sagt Rabbi Natan Slifkin, Direktor des Biblischen Museums für Naturgeschichte in Beit Schemesch. Er persönlich hält die Evolution zwar für eine «ausreichend bewiesene wissenschaftliche Tatsache», aber seine Einrichtung habe sich entschieden, das Thema aus ihren Ausstellungen auszuklammern: Andernfalls, so der Rabbi, würde «unserer Bildungsmission», ultraorthodoxe Juden an die Naturwelt heranzuführen, «schwerer Schaden zugefügt».

Judaismus, so sagt er, «ist auch mit Krokodilen und Hyänen verbunden, nicht nur mit Synagogen und ähnlichen Dingen.»

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