Goldküsten-Mord Staatsanwalt lehnt «hanebüchene Sex-Geschichte» ab

hael, sda

1.11.2021 - 13:38

Die damals 87-jährige Besitzerin der Villa erlag ihren Verletzungen.
Die damals 87-jährige Besitzerin der Villa erlag ihren Verletzungen.
Bild: Arne Dedert/dpa/Archivbild

Vor 24 Jahren soll ein Mann eine Frau in deren Villa an der Zürcher Goldküste ermordet haben. Nun steht der mittlerweile 78-Jährige vor Gericht und beteuert, er habe mit der Frau Sex gehabt. 

Keystone-SDA, hael, sda

Ein heute 78-Jähriger soll vor 24 Jahren eine betagte Frau in deren Villa in Küsnacht an der Zürcher Goldküste ermordet haben. Im Mordprozess vor dem Bezirksgericht Meilen ZH hat die Verteidigerin am Montag einen vollumfänglichen Freispruch für ihren Mandanten gefordert. Der Staatsanwalt verlangte eine Verurteilung wegen Mordes. Wann das Urteil eröffnet wird, ist noch offen.

Die fast 87-jährige Villenbesitzerin hat laut Anklage an jenem 4. Juli 1997 den Beschuldigten bei einem Einbruch in ihr Haus in Küsnacht ZH überrascht. Der Mann habe sie zusammengeschlagen, ihre Arme mit Schuhbändeln und Schnüren auf den Rücken gefesselt und diese Fesseln mit einem Stück Wäscheleine an eine Türfalle gebunden.

Dann habe er die Verletzte «in der folterähnlichen Position» liegen lassen, mit gebrochenen Rippen, einer ausgerenkten Schulter und anderen Verletzungen, schreibt der Staatsanwalt. Nach längerem Todeskampf erlitt sie eine Lungenfettembolie, worauf ihr Herz versagte. Die Frau starb.

Die DNA-Spuren vom Tatort hatte man jahrelang niemandem zuordnen können. Erst nach einem Bijouterie-Überfall in Thun BE im Jahr 2016 kam die Wende. Der heute 78-jährige Italiener wurde in Spanien verhaftet.

Verteidigerin sicher: «Alles verjährt»

An jenem Tag in Küsnacht sei erstens kein Mord begangen worden, sagte die Verteidigerin, und zweitens sei ihr Mandant nicht der Täter. Wer auch immer der Täter gewesen sei, habe zudem nie eine Tötungsabsicht gehabt, führte sie aus. Was bleibe, sei allenfalls die brutale Behandlung der Frau und ein versuchter Raub - beides sei längst verjährt.

Dass die Ermittler unter anderem auf den Knoten in den Schuhbändeln und den Schnüren der Fesselung DNA-Spuren gesichert hätten, die dem Beschuldigten zugeordnet wurden, sage überhaupt nichts aus, so die Verteidigerin. Ihr Mandant hatte in seiner Befragung gesagt, dass er eine Sadomaso-Sexbeziehung zu der Frau gehabt, und er ihr überdies im Haushalt geholfen habe.

«Wäre sie dünner gewesen, hätte sie überlebt»

Im übrigen sei die Frau nicht an ihren Verletzungen gestorben, sagte die Verteidigerin, sondern an einem Herzversagen infolge einer Lungenfettembolie. «Wäre sie dünner gewesen, hätte sie überlebt.»

Der Täter habe an jenem Julinachmittag den Notruf getätigt. Dass die Rettungskräfte diesen nicht verstanden und als Scherzanruf fehlinterpretierten, sei nicht seine Schuld.

Ausführungen «offenkundig lebensfremd»

Laut Staatsanwalt ist die Spuren- und Beweislage «insgesamt eindeutig». Er bezeichnete die Ausführungen des Beschuldigten über seine angebliche Beziehung zu der alten Dame als «schlichte Lügen». Seit seiner Verhaftung habe er immer neue Varianten aufgetischt, bis hin zu der «hanebüchenen Sex-Geschichte». Seine Ausführungen seien «offenkundig lebensfremd».

Bei der Tötung der Frau handle es sich klar um Mord. Der Täter sei heimtückisch in das Haus eingedrungen, die Frau sei ein zufälliges Opfer gewesen, die er krass egoistisch als Zeugin ausschalten wollte, er habe sie sehr brutal zusammengeschlagen und grausam «einen üblen Tod» sterben lassen. Auch wenn er nicht direkt den Tod der Frau beabsichtigt habe, so habe er diesen doch in Kauf genommen.

Beschuldigter mehrfach vorbestraft

Der Mann ist in mehreren Ländern wegen Raub- und Gewaltdelikten vorbestraft. Mehrmals sei er aus Gefängnissen geflüchtet, sagte er. Zurzeit befindet er sich im Strafvollzug.

Der Staatsanwalt beantragt eine Verurteilung wegen Mordes und elf Jahre Freiheitsstrafe als Zusatzstrafe zu einer mittlerweile rechtskräftigen Verurteilung von 2018 im Kanton Bern wegen eines Bijouterie-Überfalls. Das Gericht verhängte damals sieben Jahre Freiheitsentzug.

Für Mord beträgt die Verjährungsfrist in der Schweiz 30 Jahre. Sollte das Gericht allerdings zu einem Schuldspruch wegen vorsätzlicher Tötung statt wegen Mordes kommen, könnte der Mann nicht mehr bestraft werden: Vorsätzliche Tötung verjährt nach 15 Jahren.