Im goldenen KäfigSpaniens Altkönig Juan Carlos ist im Exil untergetaucht
SDA/uri
4.12.2020 - 12:47
Dieses Jubiläum war für Juan Carlos kein Grund zum Feiern: Vor genau vier Monaten, in der Nacht vom 3. auf den 4. August, verliess der Altkönig seine spanische Heimat heimlich und mit unbekanntem Ziel.
Im Wüstenemirat hielt sich der Vater von König Felipe VI. an diesem Freitag immer noch auf – vermutet man. Denn der 82-Jährige ist seit seiner «Flucht», wie Kritiker auch innerhalb der linken Regierung die Nacht- und Nebelaktion nennen, wie vom Erdboden verschluckt. Es herrscht Funkstille total: null Fotos, null Aussagen, null Infos.
Angeblich tief deprimiert
Während sich aber Juan Carlos, seine Familie und Ministerpräsident Pedro Sánchez in Schweigen hüllen, geben Freunde des Ex-Monarchen gegenüber Medien besorgniserregende Einblicke. Der Altkönig sei fern seiner acht Enkelkinder und der vielen Segelfreunde tief deprimiert. Er vermisse Menschen, seine spanische Heimat und habe vor allem grosse Angst davor, im Ausland und allein zu sterben.
In seinem goldenen Käfig im Ultraluxus-Hotel Emirates Palace sei er vor Paparazzi gut abgeschirmt, heisst es. Der Spanier soll mit Kronprinz Scheich Mohammed bin Said Al Nahjan eng befreundet sein. Er soll sich die Zeit vor allem mit Physiotherapie vertreiben. Anfragen empörter linker Politiker und Bürger, wer denn den Aufenthalt und die Sicherheit des Altkönigs finanziere, blieben bisher von Königshaus und Regierung unbeantwortet.
Eine Lösung sei für Juan Carlos derweil nicht in Sicht, meinte jüngst eine der besten Kennerinnen der Royals. Die Autorin und Journalistin Pilar Eyre (70) sagte der Online-Zeitung «Okdiario»: «Meine Quellen versichern, dass er nicht zurückkehren wird.» Ähnlich äusserten sich gutinformierte Medien wie das Blatt «La Vanguardia» oder die Online-Zeitung «El Español», die beide eine Rückkehr in absehbarer Zeit als «sehr schwierig» bezeichneten.
Neue Ermittlungen gegen Juan Carlos
Warum? Ganz einfach: Die Hoffnungen, die Berichten zufolge sowohl die Royals als auch die Regierung gehegt hatten, die Ausreise würde die Wogen der vielen Skandale bald glätten, erfüllten sich nicht. Im Gegenteil: Es wurden im Zusammenhang mit Juan Carlos neue Ermittlungen eröffnet. Die Behörden enthüllten zwar keine Details, laut Medien geht es aber wieder um Steuerbetrug und Geldwäsche.
Unter anderem soll Juan Carlos Alfonso Víctor María de Borbón y Borbón-Dos Sicilias, wie sein vollständiger Name lautet, von einem milliardenschweren Unternehmer aus Mexiko eine Kreditkarte bekommen haben, mit der er offenbar jahrelang laufende Rechnungen beglich, ohne den Fiskus darüber zu informieren. 2015 soll er seiner Enkelin Victoria Federica – einer Tochter von Infantin Elena – damit etwa ein Springpferd im Wert von über 10'000 Euro gekauft haben.
Die Korruptionsbeschuldigungen, darunter auch der Vorwurf, er soll 2008 von den Saudis 100 Millionen US-Dollar an Schmiergeld für die Vermittlung zwischen dem arabischen Land und einem spanischen Baukonsortium für den Bau eines Hochgeschwindigkeitszuges kassiert haben, drohen Juan Carlos auf die Anklagebank zu bringen. Ihm und der Monarchie fügen aber Medienberichte über Vaterschaftsklagen und angebliche Geliebten fast ebenso grossen Schaden zu. Stellungnahmen oder gar Dementi gab die «Casa Real» bisher überhaupt nicht ab.
Die Menschen ticken heute anders
Doch wie konnte der Mann, der mal als einer der angesehensten europäischen Royals galt und in seiner Heimat so beliebt wie kaum ein Zweiter war, so schnell so tief fallen? Ein Bonvivant, der die Gesellschaft reicher Freunde und das schöne Leben in vollen Zügen genoss, war er ja schon immer. Das störte früher die wenigsten. Schliesslich war «El Rey» charmant, ein Aushängeschild seines Landes und nicht zuletzt auch der vielgefeierte Retter der spanischen Demokratie. Im Februar 1981, nur gute fünf Jahre nach dem Tod von Diktator Francisco Franco, brachte er eine Gruppe von Putschisten mit einer resoluten Rede an die Nation zur Aufgabe.
Nicht nur auf die Entschlossenheit des Königs, auch auf seine Eskapaden waren die Spanier jahrzehntelang ein bisschen stolz. «Heute ticken die Menschen hierzulande, auch die Politiker und die Richter, anders», kommentierte jüngst «La Vanguardia».
2012 leitete die Wende ein: Juan Carlos jettete damals nach Afrika, um auf Elefanten zu schiessen, während die Spanier unter einer historischen Wirtschaftskrise litten. Es folgten gesundheitliche Probleme, viele OPs, Medienberichte über angebliche Seitensprünge und ein Steuerbetrugsskandal, bei dem Schwiegersohn Iñaki Urdangarin (der Mann von Infantin Cristina) zu knapp sechs Jahren Haft verurteilt wurde. Im Juni 2014 dankte der König schliesslich «halbfreiwillig» – wie ein TV-Kommentator sich ausdrückte – ab. Damit verlor er auch die Immunität, die er seit seiner Thronbesteigung am 22. November 1975 genossen hatte.
Monarchie-Gegner werden mehr
Die Skandale sind unterdessen Wasser auf die Mühlen der Monarchie-Gegner, die immer mehr werden und zu denen auch Vize-Ministerpräsident Pablo Iglesias zählt. Die Londoner «Times» warnte nach Juan Carlos' «Flucht», die spanische Monarchie sei derart beschädigt, dass «ihr langfristiges Überleben ungewiss ist». Das weiss wohl auch König Felipe. Der 52-Jährige ist derzeit nach Medienberichten gegen eine Rückkehr seines Vaters. Nur Tochter Elena soll bisher Juan Carlos in Abu Dhabi besucht haben.
Allzu traurig präsentiert sich derzeit auch Altkönigin Sofía nicht. Als sie im Oktober am Rande eines öffentlichen Auftritts von einer TV-Reporterin gefragt wurde, ob sie Kontakt zu Juan Carlos habe, sagte sie nur: «Oh mein Gott, was für Fragen!» Immerhin das einzige Statement des Königshauses in den vergangenen Monaten.
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