Wie im Krimi Grösster Kunstraub der DDR: Bilder tauchen nach 40 Jahren wieder auf

dpa / tmxh

17.1.2020

Nach 40 Jahren kehren die fünf gestohlenen Gemälde des grössten Kunstraubs der DDR in die deutsche Stadt Gotha zurück.
Nach 40 Jahren kehren die fünf gestohlenen Gemälde des grössten Kunstraubs der DDR in die deutsche Stadt Gotha zurück.
Bild: Keystone

Es war der grösste Kunstraub der DDR: Nun kehren fünf 1979 gestohlene Gemälde an ihren Ursprungsort Gotha zurück. Die Umstände lassen den Atem stocken und gleichen einem Krimi. Dabei ist noch lange nicht alles bekannt.

Er ist so etwas wie der Held eines fast unglaublichen Kunstkrimis. Knut Kreuch, Oberbürgermeister der deutschen Stadt Gotha im Bundesland Thüringen, ist Dreh- und Angelpunkt einer Entwicklung, die dem von ihm als «Trauma von Gotha» bezeichneten Zustand ein Ende bereiten soll.

Gut 40 Jahre nach dem spektakulären Diebstahl in der thüringischen Residenzstadt und nach Monaten nicht weniger aufregender Geheimverhandlungen steht Kreuch am Freitag in Berlin vor fünf Staffeln mit jenen so wichtigen Gemälden von Frans Hals, Jan Brueghel dem Älteren, Anthonis van Dyck, Jan Lievens und Hans Holbein dem Älteren. Die Werke sind zurück – und sie sind authentisch.

Die Gemälde im Wert von nach heutiger Schätzung vier bis fünf Millionen Euro (etwa 4,3 bis 5,3 Millionen Franken) waren in der Nacht zum 14. Dezember 1979 aus der Sammlung von Schloss Friedenstein in Gotha gestohlen worden. Was folgte, schilderte Stiftungsdirektor Tobias Pfeifer-Helke als «grösste Ermittlung zu DDR-Zeiten», bei der nach seiner Schilderung mehr als 1'000 Menschen vernommen wurden, die Stasi ermittelte und Verhöre teilweise im Gefängnis stattfanden. Dennoch blieben die Gemälde 40 Jahre lang verschwunden.

Erfolgreicher Poker

Im Sommer 2018 dann suchte ein Anwalt den Kontakt zu Kreuch. Es ging um die Bilder. «Die Geschichte war nicht glaubhaft, aber die andere Seite sass am längeren Hebel», schildert der Oberbürgermeister die Ausgangslage. Eingeschaltet wurden zunächst nur zwei Parteien: die Ernst von Siemens Kunststiftung, die in solchen Fällen einen «Finderlohn» bezahlen kann, wie es Generalsekretär Martin Hoernes umschreibt, und das Rathgen-Forschungslabor der Staatlichen Museen zu Berlin, wo Direktor Stefan Simon mit seinem Team die Echtheit der alten niederländischen Meister prüfen sollte. Das gelang nach Simons Schilderung auch mit alten Röntgenaufnahmen der Gemälde aus 40 unsortierten Kartons des zufällig gefundenen Nachlasses eines Radiologen.

Der Anwalt handelte für eine Erbengemeinschaft. Über Verhandlungen und Ergebnisse gibt es nur spärliche Informationen. Zunächst sollte nur ein Bild rausgerückt werden, um die Wissenschaftler arbeiten zu lassen. Kreuch wollte auf jeden Fall gleich alle. Auch auf Geldforderungen wurde laut Hoernes mit «Sturheit und Coolness» reagiert. Ein Poker mit Erfolg: «Die Übergabe ohne Gegenleistung war der grosse Coup», sagt Kreuch.

Jenseits der zivilrechtlichen Ebene gibt es noch einen strafrechtlichen Aspekt. Im Landeskriminalamt Berlin ermittelt die für Kunstdelikte zuständige Abteilung von René Allonge wegen Verdachts der Erpressung. «Die an der Erpressung beteiligten Personen sind bekannt», sagte Allonge. Anhaltspunkte für Hehlerei gibt es nach seiner Schilderung nicht. Warum Berlin? «Die Ermittlungen werden hier geführt, weil die Übergabe der gestohlenen Kunstwerke in Berlin stattfand.»

Wie kamen die Bilder in den Westen?

Das LKA befasst sich auch mit dem Weg der Bilder, die im Lauf der 80er-Jahre in den Westen gelangten. «Bei der Rekonstruktion, wie die Bilder aus der damaligen DDR in die BRD kamen, sind wir noch am Anfang. Wir verfolgen da noch gewisse Spuren, um die Geschichte, die im Rahmen der Erpressung erzählt wurde, zu überprüfen», sagt Allonge.

Wo genau die Bilder waren, ist noch unklar. «In Deutschland», sagt Oberbürgermeister Kreuch. Aber es gibt einige Details von Fotos. «Frans Hals hing irgendwo in einem Esszimmer.» Auf Brueghel sind weisse Farbtupfer, wohl von einem Zimmeranstrich. Auf einem der Fotos sei Raufasertapete zu erkennen.

Institutsdirektor Simon sagt nach der Analyse: «Die Gemälde sind in einem relativ guten Zustand» und «bedürfen einer Restaurierung». Nun gehen die fünf Gemälde auf den Weg zurück nach Thüringen, für Montag ist dort die erste Präsentation angekündigt. «Gotha kann sich freuen», sagte Simon. Er denkt dabei auch gleich an vergleichbare Einbrüche: «Viele andere warten noch darauf, dass ihnen eines Tages etwas Ähnliches passiert.»

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