Wirte über Terrassen-EntscheidEuphorie klingt anders
Von Gil Bieler
15.4.2021
Endlich ist die ersehnte Öffnung der Restaurant-Terrassen da – doch in der Gastrobranche löst das keinen Freudentaumel aus. Stattdessen herrscht wohldosierte Zuversicht vor.
Von Gil Bieler
15.04.2021, 00:00
15.04.2021, 08:00
Gil Bieler
«Etwas musste ja gehen» – so kommentiert Ernst Bachmann, Präsident des Verbands GastroZürich, den Bundesrats-Entscheid, dass Gastrobetriebe ihre Terrassen ab nächster Woche wieder öffnen dürfen. Zwar sei er froh für seine Mitarbeiter und auch die Gäste, dass er in seinem Restaurant Muggenbühl in Zürich-Wollishofen wieder Sitzplätze anbieten könne. «Aber was mir nach wie vor fehlt, sind Angaben dazu, wann die Restaurants ihre Innenräume wieder öffnen dürfen. Dazu hat der Bundesrat nichts gesagt.»
Bachmann führt an, dass offene Terrassen gerade bei Regen oder kaltem Wetter keinen Umsatz garantieren würden. Das bedeutet: Viele Betriebe hätten von dem Lockerungsschritt nichts.
Eine Möglichkeit, keine Pflicht
Dessen ist sich auch der Bundesrat bewusst. Für viele Betriebe seien offene Terrassen nicht kostendeckend, sagte Gesundheitsminister Alain Berset am Mittwoch vor den Medien. «Die finanzielle Unterstützung der Gastrobranche wird daher weiter fortgeführt.» Das Öffnen der Terrassen solle eine Möglichkeit sein, keine Pflicht.
Die Gastro-Lockerung im Detail
Restaurants und Bars können ihre Terrassen ab 19. April wieder öffnen. Innenbereiche bleiben geschlossen.
Es gilt eine Sitzpflicht.
Die Schutzmaske darf nur während der Konsumation abgelegt werden.
Alle Gäste müssen ihre Kontaktdaten hinterlegen.
Zwischen den Tischen muss ein Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten werden oder es braucht eine Abschrankung.
Entsprechend sehen viele Gastwirte kein Ende ihrer Sorgen. Dennoch ist im Gespräch wieder vorsichtige Zuversicht herauszuhören. Roland Spirig, Geschäftsführer des Restaurants St. Gallerhof in Zürich, etwa sagt, für ihn werde sich der Terrassenbetrieb «finanziell sicher nicht rentieren». Dennoch wird er sein Lokal beim Hauptbahnhof am Montag öffnen – zum ersten Mal seit Dezember. «Vor einem Monat hätte ich noch gesagt, das bringe nichts», erklärt Spirig. «Aber jetzt wird es wärmer und ist am Abend länger hell. Da hoffe ich, dass die Leute auch wieder Lust haben, bei uns einzukehren.»
Zwölf Tische für jeweils vier Personen bietet das Restaurant im Freien an. Wie gross der Andrang sein wird, kann er nicht abschätzen: «Ich wirte im St. Gallerhof seit 26 Jahren, aber das ist alles noch völlig neu.» Vorerst wird Spirig nur drei von acht Mitarbeiter*innen von der Kurzarbeit abmelden. «Dann müssen wir schauen, wie sich alles entwickelt.»
«... sonst müssen wir wieder ganz schliessen»
Sandra Brunner, Geschäftsführerin im Restaurant Calanda in Chur, sieht das ähnlich: «Ich nehme das nicht euphorisch, sondern mit gemischten Gefühlen auf», erklärt sie. Noch sei nicht definitiv entschieden, aber man fasse erst einmal eine Teilöffnung ins Auge: Die Terrasse mit 120 Plätzen soll jeweils von Freitag bis Sonntag geöffnet werden.
Die Temperaturen seien oft noch kühl, begründet Brunner, «da wissen wir noch nicht, wie lange es die Leute draussen aushalten». Ausserdem gelte weiterhin Homeoffice-Pflicht, weshalb unter der Woche mit keinen Gästen über Mittag zu rechnen sei. Ihr Fazit: «Mit einer Teil-Öffnung können wir erst einmal leben. Aber wenn es nicht rentiert, müssen wir halt wieder ganz schliessen.»
GastroSuisse fordert vollständige Öffnung
Die Befindlichkeit der Gastronom*innen spiegelt sich auch in der Reaktion von GastroSuisse wider: Der Bundesrat habe zwar «ein erstes Signal in die richtige Richtung» ausgesendet, teilte der Schweizer Branchenverband am Mittwoch mit, er gehe jedoch nicht weit genug. «Nur eine vollständige Öffnung der Restaurants kann schlimmeren Schaden im Gastgewerbe verhindern.»
Besonders störend findet der Verband, dass die Restaurant-Innenräume geschlossen blieben, gleichzeitig der Besuch von Kinos und Fitnessstudios aber wieder erlaubt werden. «Für den Branchenlockdown gibt es keinen nachvollziehbaren Grund», findet GastroSuisse-Präsident Casimir Platzer daher.