Tauwetter Wie sich das derzeit gute Verhältnis Schweiz – USA erklärt

Von Anna Kappeler

25.7.2019

Der amerikanische Botschafter in der Schweiz, Edward McMullen, beim Test des F-35-Kampfjets von Lockhead Martin im Juni auf dem Militärflugplatz in Payerne.
Der amerikanische Botschafter in der Schweiz, Edward McMullen, beim Test des F-35-Kampfjets von Lockhead Martin im Juni auf dem Militärflugplatz in Payerne.
Bild: Keystone

Die Schweiz und die USA sind sich gerade aussergewöhnlich nah, ein Freihandelsabkommen wird konkreter. Was das mit Kampfjets zu tun hat, und welche Rolle der amerikanische Botschafter sowie Präsident Trump dabei spielen.

Im Unterschied zu vielen anderen Ländern unterhält die Schweiz seit geraumer Zeit ein gutes Verhältnis zu den USA. Und sogar mit einem Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten könnte es plötzlich schnell gehen. «Ich gehe davon aus, dass ein Verhandlungsmandat nach der Sommerpause vorliegen sollte», sagt FDP-Nationalrätin Christa Markwalder (BE). Sie ist Präsidentin der parlamentarischen Freundschaftsgruppe Schweiz – USA und sitzt zudem in der Aussenpolitischen Kommission (APK).

Überhaupt sei das schweizerisch-amerikanische Verhältnis so gut wie schon lange nicht mehr, ja von «einer neuen Qualität». Markwalder: «Gerade unter den Vorzeichen der ehemals schwierigen Beziehungen wegen der ganzen Banken- und Steuergeschichte ist das nicht selbstverständlich.»



Beim zuständigen Wirtschaftsdepartement heisst es dazu: «Die Schweiz und die USA führen momentan exploratorische Gespräche.» Es gebe keinen Zeitplan für deren Abschluss. «Ein neuerlicher Anlauf für ein Freihandelsabkommen hängt vom generellen Interesse der USA zur Aufnahme solcher Verhandlungen ab», sagt Pressesprecherin Evelyn Kobelt. Zudem käme es auf die zentralen Themen an sowie auf die politische Unterstützung für ein solches Projekt in der Schweiz. Die Trump-Administration ihrerseits soll laut NZZ in den nächsten Wochen entscheiden, ob sie mit Bern verhandelt. Die Zeitung bezieht sich auf bundesratsnahe Quellen.

«Wir sind auf bestem Weg»

Auch SVP-Ständerat Hannes Germann (SH), der sowohl in der APK wie auch in der Wirtschaftskommission WAK ist, sagt: «Ja, wir haben gewisse Signale etwa von der amerikanischen Wirtschaft, die auf eine Verbesserung hindeuten.» In der Sommersession hat nach dem Ständerat auch der Nationalrat eine Motion angenommen, welche den Bundesrat beauftragt, beim Freihandelsabkommen vorwärtszumachen. Die Landesregierung befürwortete das, wie sie als Antwort auf den Vorstoss schrieb.

«Wir sind auf bestem Weg», sagt Germann. Naiv sein dürfe man aber nicht, die Amerikaner würden immer auch eigene Interessen vertreten. Nach dem Scheitern des Abkommens von 2006 sei gleichwohl «jetzt wieder ein Zeitfenster da, das es zu nutzen gilt». Vorverhandlungen müssten nun angegangen werden.

«Wir sollten nun also vorwärts machen, solange Donald Trump Präsident ist.»

Was das genau heisst, formuliert Markwalder so: «Es ist super für die Schweiz, dass der amerikanische Botschafter in der Schweiz, Edward McMullen, direkten Zugang zu Präsident Trump hat. Wir sollten nun also vorwärts machen, solange Donald Trump Präsident ist.»

US-Aussenminister Mike Pompeo mit seinem Schweizer Amtskollegen Ignazio Cassis diesen Juni in Bellinzona.
US-Aussenminister Mike Pompeo mit seinem Schweizer Amtskollegen Ignazio Cassis diesen Juni in Bellinzona.
Bild: Keystone

Die guten Beziehungen sehe man laut Markwalder nur schon daran, wie viele hochrangige Besuche die Amerikaner in den letzten eineinhalb Jahren der Schweiz abgestattet hätten. Zur Erinnerung: Am World Economic Forum WEF 2018 besuchte Präsident Trump die Schweiz, nun im Mai empfing er Bundespräsident Ueli Maurer im Weissen Haus. Das Freihandelsabkommen war bei Maurers Besuch Thema, wie dieser sagte. Er habe positive Signale dazu erhalten.

Im Juni weilte Aussenminister Mike Pompeo im Rahmen einer Europareise drei Tage in der Schweiz und besuchte Bern sowie das Tessin. «Ich habe ihm das Bundeshaus gezeigt», sagt Markwalder. Sie fügt hinzu: «In Deutschland blieb Pompeo auf der Reise übrigens nur gerade einige Stunden.» Natürlich sei die Schweiz klein verglichen mit den USA, aber die Schweiz sei immerhin die sechstgrösste Direktinvestorin in den USA.

«Das ist eine zwiespältige Nachricht»

Auf wenig Begeisterung stösst die Freihandels-Diskussion auf der linken Seite. APK-Mitglied und SP-Nationalrat Fabian Molina (ZH) sagt: «Die Beziehungen zu den USA sind sicher besser, aber das ist eine zwiespältige Nachricht. Trump und die Schweizer Bürgerlichen sind gerade daran, internationale Standards zu unterlaufen – und das schadet der Schweiz.» Die Trump-Strategen wollten gezielt bilaterale Beziehungen zu Ländern stärken, die wie die Schweiz nicht in der EU sind. «Trump will bündnisartige Abkommen, die die USA stärken.»

Die Schweiz ihrerseits versuche laut Molina ein Machtspiel gegen die EU. «Würden wir vor der EU ein Freihandelsabkommen mit den USA abschliessen, wäre das ein hämischer Fingerzeig, dass es auch ohne EU und direkt mit den USA ginge.» Ein Freihandelsabkommen ohne Efta-Beteiligung fände Molina aber «grundfalsch». «Damit zentrale Standards eingehalten werden, sollte für ein solches Abkommen der EU der Vortritt gelassen werden.» Sie habe schlicht eine grössere Verhandlungsmacht als die kleine Schweiz allein. «Die Schweiz könnte folgen.»

Bis zu einem Abkommen ist es ein weiter Weg. 2006 war es die Schweiz, welche die Verhandlungen abgebrochen hat, weil sich die Bauern querstellten. Heute sagt Bauernpräsident und CVP-Nationalrat Markus Ritter (SG): «Da so vieles noch unklar ist, bleibt mein Puls in dieser Frage auf Normalniveau.» Für Ritter wäre es am einfachsten, die Landwirtschaft aus einem Freihandelsabkommen ganz auszuklammern. «Für uns Schweizer Bauern ist es wichtig, dass unsere heimische Qualität geschützt wird und der Grenzschutz intakt bleibt.» 

«Trump braucht die Elektoren aus den Rüstungsindustrie-Staaten»

Doch auch Ritter, der ebenfalls in der WAK sitzt, sagt: «Ich bemerke, dass sich Botschafter McMullen und die Amerikaner aktuell enorm Mühe geben, die Schweiz zu umwerben.» Ritter hat dafür eine Erklärung: «Die Charmeoffensive hat viel damit zu tun, dass die Amerikaner eine Chance sehen, der Schweiz Kampfjets verkaufen zu können.» Das sei nachvollziehbar, habe McMullen doch beste Kontakte direkt zu Präsident Trump. «Und für Trump wiederum wäre ein Erfolg für die Rüstungsindustrie in seinem kommenden Wahlkampf sehr wichtig. Trump braucht die Elektoren aus den Rüstungsindustrie-Staaten.»



Mc Muellens Vergangenheit bei Boeing

Für SP-Politiker Molina ist das eine schlüssige Einschätzung. Kaum ein anderer Auftrag garantiere so viel Geld auf einmal wie Rüstungsgeschäfte. Trumps ganze Politik sei stark auf die grosse und wichtige Rüstungsindustrie ausgerichtet. «Dass McMullen und die USA ihre Kampfjets anpreisen wollen und auch deshalb freundschaftlich zur Schweiz sind, leuchtet vollkommen ein.» McMullen sei früher bekanntlich Waffenlobbyist bei Boeing gewesen. «Zufall, dass Boeing uns nun den F/A-18 Super Hornet andrehen will?»

FDP-Nationalrätin Markwalder sagt: «Die Amerikaner schauen natürlich auf ihre Interessen, das wird auch bei der Beschaffung der Kampfjets so sein. Persönlich wurde ich bisher nicht darauf angesprochen.» Auch für SVP-Ständerat Germann ist klar: «McMullen ist ein Amerikaner, der amerikanische Interessen vertritt. Die Kampfjets spielen da als ein Faktor von vielen sicher hinein.»

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