BundespräsidentinSommaruga reitet die grüne Welle in ihr Präsidialjahr
SDA/tjb
7.12.2019
Simonetta Sommaruga dürfte die nächste Bundespräsidentin werden. In ihrer zweiten Amtszeit wartet mit der Europafrage ein harter Brocken auf sie – und der wird kaum helfen, sie bei der SVP beliebter zu machen.
Am 11. Dezember wird Simonetta Sommaruga voraussichtlich zur Bundespräsidentin gewählt – bereits zum zweiten Mal. Erneut stehen schwierige Gespräche mit der EU an. In den eigenen Dossiers aber hat Sommaruga dieses Mal gute Karten.
Das erste Präsidialjahr absolvierte sie 2015, im Jahr der Flüchtlingskrise. Als Asylministerin im Justizdepartement sah sich Sommaruga mit starkem Gegenwind konfrontiert. Als Umweltministerin im Departement für Umwelt, Energie und Verkehr (Uvek) hat sie derzeit Rückenwind: Mit der Klimabewegung sind Umweltthemen auf der politischen Agenda weit nach oben gerückt.
Sommaruga liess in den vergangenen Monaten keinen Zweifel daran, dass sie die Chance zu nutzen weiss. Im Sommer beschloss der Bundesrat auf ihren Antrag, dass die Schweiz bis 2050 klimaneutral sein soll. Wie sie das Ziel zu erreichen gedenkt, will die Umweltministerin nächstes Jahr aufzeigen.
CO2-Gesetz verschärft
Im Herbst – noch vor den Wahlen – stimmte der Ständerat einem CO2-Gesetz zu, das über die ursprünglichen Vorschläge des Bundesrates hinausgeht. Sommaruga hatte in der Kommission darauf hingewirkt. In der Ratsdebatte nahm sie die Autoimporteure ins Visier – und machte damit deutlich, dass sie die Konfrontation nicht scheut.
Nach dem Wahlsieg der Grünen ist die Ausgangslage für weitere Schritte zugunsten von Umwelt und Klima besser denn je. Manche hat Sommaruga bereits aufgegleist, darunter Massnahmen zur Förderung erneuerbarer Energien und zur Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. Eine Kurskorrektur nahm sie auch in anderen Dossiers vor, namentlich in der Medienpolitik.
Asylsystem geändert
Als Justizministerin war Sommaruga für die schwierigen Themen verantwortlich gewesen, von Asyl bis Zuwanderung. Das hielt sie freilich nicht davon ab, Lösungen zu suchen – und zu finden. Sie war erst ein halbes Jahr im Amt, als sie ankündigte, das Asylsystem neu gestalten zu wollen. Fünf Jahre später sagten 67 Prozent der Stimmenden Ja zur Asylreform, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, gegen den Willen der SVP.
Die breite Zustimmung hatte mit dem austarierten Inhalt zu tun: Die Reform sah raschere Verfahren und gleichzeitig einen besseren Rechtsschutz für Asylsuchende vor. Zum Erfolg trug aber auch Sommarugas Vorgehen bei. Sie hatte zuerst Informationen über Asylsysteme in anderen Ländern gesammelt und von Beginn weg die Kantone und Gemeinden einbezogen.
Linke Anliegen durchgebracht
Die Methode bewährte sich. Inzwischen ist die SP-Bundesrätin dafür bekannt, Projekte sorgfältig aufzugleisen, sich gut abzusichern und die relevanten Akteure frühzeitig einzubinden. Hat sie einmal entschieden, verfolgt sie den eingeschlagenen Weg beharrlich.
Auf diese Weise brachte sie trotz bürgerlicher Mehrheit linke Anliegen wie den Geschlechterrichtwert für grosse Unternehmen und Massnahmen gegen Lohndiskriminierung durch den Bundesrat und das Parlament. Ist die Situation verfahren, bereitet sie das Terrain für den ersten kleinen Schritt.
Geld für Verdingkinder
Für ehemalige Verdingkinder holte sie zunächst eine Soforthilfe heraus, später einen Solidaritätsbeitrag. Vor ihr hatte sich niemand an das Thema gewagt. Die Sache galt als heikel, man fürchtete Entschädigungsforderungen.
Auch im Familienrecht gelangen Sommaruga mehrere Reformen. Das Engagement für die eigenen Projekte hindert sie nicht daran, im Bundesrat Einfluss auf die Geschäfte anderer zu nehmen. In der Öffentlichkeit überzeugt sie mit souveränen Auftritten, im Parlament mit Dossierkenntnis.
Lieblingsgegnerin der SVP
Respekt geniesst Sommaruga sowohl im linken als auch im bürgerlichen Lager. Für die SVP allerdings ist und bleibt sie die Lieblingsgegnerin. «Diese Frau» müsse gestoppt werden, schrieb die Partei einst in einem Inserat.
Sommaruga lässt sich jedoch nicht stoppen. Auf Kritik und Anfeindungen reagiert sie besonnen und betont sachlich. Dass sie sich einmal von einem SVP-Nationalrat dazu provozieren liess, den Saal zu verlassen, sorgte auch deshalb für Wirbel: Es passte nicht ins Bild, das sich viele von ihr gemacht hatten.
Kampf gegen Volksinitiativen
Zur Lieblingsgegnerin der SVP wurde Sommaruga nicht nur wegen des Asyldossiers. In den acht Jahren als Justizministerin musste sie diverse Volksinitiativen aus dem rechten Lager bekämpfen. Die Abstimmung zur Ausschaffungsinitiative verlor sie ebenso wie jene zur Pädophileninitiative.
Die Kehrtwende gelang mit der Durchsetzungsinitiative, welche das Stimmvolk nach einem heftigen Abstimmungskampf deutlich ablehnte. In der Bilanz zu ihrem ersten Präsidialjahr hatte Sommaruga an die Mitteparteien appelliert, klare Grenzen gegen «rechts aussen» zu setzen und in Abstimmungskämpfen für Rechtsstaatlichkeit und Völkerrecht einzustehen.
Schwierige Beziehungen zur EU
Sommarugas bisher grösste Niederlage ist das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative, das allerdings eher dem Gesamtbundesrat als ihr angelastet wurde. Sie hatte versucht, die negativen Folgen der Zuwanderung offen anzusprechen. Die Annahme der Initiative führte zu Problemen mit der EU, die Sommarugas erstes Präsidialjahr prägten.
Lange wurde um eine Lösung gerungen, doch liess sich der Konflikt zwischen Bundesverfassung und Personenfreizügigkeitsabkommen nicht auflösen. Das Parlament entschied schliesslich zugunsten des Abkommens. Im zweiten Präsidialjahr dürfte es nicht einfacher werden: Erhofft wird von Sommaruga nichts Geringeres als ein Durchbruch beim blockierten Rahmenabkommen, gegen das auch ihre Partei grosse Vorbehalte hat.
Begonnenes zu Ende führen
Sommaruga war am 22. September 2010 im Alter von 50 Jahren in den Bundesrat gewählt worden, als Nachfolgerin von Moritz Leuenberger. Das Engagement bei der Stiftung für Konsumentenschutz hatte der Pianistin 1999 den Sprung von der Exekutive der Berner Vorortsgemeinde Köniz in den Nationalrat ermöglicht. 2003 gelang es ihr, Berns bürgerliches Bollwerk im Ständerat zu sprengen.
In der Landesregierung musste Sommaruga zunächst gegen ihren Willen das Justiz- und Polizeidepartement übernehmen. Dennoch versuchte sie nicht, es bei der ersten Gelegenheit wieder loszuwerden: Was sie aufgegleist hatte, wollte sie zu Ende führen. Im Umwelt- und Infrastrukturdepartement hat sie gerade erst angefangen.
Sie ist die strahlende Siegerin der Wahlen: Grünen-Präsidentin Regula Rytz. Ihre Partei kann den Wähleranteil mit 13,2 Prozent verdoppeln, sie ist erstmals stärker als die CVP.
Bild: Keystone/Peter Schneider
Auch GLP-Chef Jürg Grossen gehört zu den grossen Gewinnern: Seine Partei gewinnt ebenfalls massiv Wähleranteile hinzu und voraussichtlich neu Sitze zusätzlich erhalten.
Bild: Keystone/Anthony Anex
SVP-Präsident Albert Rösti ist der grösste Verlierer der Wahlen vom Sonntag: Seine Partei büsst zwölf Sitze im Nationalrat ein. Und auch Petra Gössis FDP muss Verluste hinnehmen, wenn auch in geringerem Mass: minus vier Sitze im Nationalrat.
Bild: Keystone/Peter Klaunzer
Immerhin ein kleiner Trost für Rösti: Er wurde mit den meisten Stimmen in den Nationalrat gewählt. 128'252 Stimmen konnte der landesweite Stimmenkönig auf sich vereinen.
Bild: Keystone/Anthony Anex
Christian Levrat muss gleich zwei Niederlagen verkraften: Zum einen büsst seine SP Wähleranteile und damit vier Sitze im Nationalrat ein, zum anderen kann er seinen Ständeratssitz im Kanton Freiburg nicht im ersten Anlauf verteidigen.
Bild: Keystone/Cyril Zingaro
Zu den grossen Verlierern zählt die BDP – im Kanton Graubünden hat Duri Campell seinen Sitz verloren, und auch in anderen Kantonen büsste die Partei Sitze ein. Damit kommt die Partei, die sich einst von der SVP abgespaltet hat, künftig nicht mehr auf Fraktionsstärke.
Bild: Keystone/Gian Ehrenzeller
Eine eigentliche Sensation schaffte Mathias Zopfi im Kanton Glarus: Der 35-jährige Grüne gewinnt das Rennen um einen Sitz im Ständerat gegen den amtierenden SVP-Politiker Werner Hösli.
Bild: Keystone/Handout
Und gleich noch eine Überraschungssiegerin der Grünen: Céline Vara zieht für den Kanton Neuenburg in den Ständerat ein. Der Sitzgewinn der 35-Jährigen Politikerin geht zulasten der SP.
Bild: Keystone/Jean-Christophe Bott
Freuen kann sich auch Magdalena Martullo-Blocher: Die SVP-Frau kann ihren Bündner Nationalratssitz problemlos verteidigen. Ihr Parteikollege Heinz Brand dagegen verliert sein Mandat in der grossen Kammer.
Bild: Keystone/Gian Ehrenzeller
Monika Rüegger heisst die strahlende Siegerin der SVP im Kanton Obwalden: Sie holt für ihre Partei nach acht Jahren den Sitz im Nationalrat zurück, zudem ist sie die erste Frau, die der Innerschweizer Kanton nach Bern schickt.
Bild: Keystone/Urs Flüeler
Mit Hans-Ulrich Bigler, hier ein Archivbild, verpasst ein prominenter FDP-Vertreter die Wiederwahl: Der Präsident des Gewerbeverbands fällt nach vier Jahren wieder aus der grossen Kammer.
Bild: Keystone/Anthony Anex
Auch bei der SP hat der Sitzverlust bekannte Namen getroffen, allem voran Gewerkschafter Corrado Pardini. Der Nationalrat, auch hier auf einem Archivbild, hat die Wiederwahl verpasst.
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