Eine Frau giesst frisches Wasser in einen Eimer in Leon, Nicaragua. Lateinamerika gehört heute zu den Schwerpunktregionen der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit. Nun will sich der Bund aus dieser Region zurückziehen. (Themenbild)
Solidarisch zu sein, sei im Interesse der Schweiz, sagte Aussenminister Ignazio Cassis vor den Medien. Er präsentierte seine Pläne für die Entwicklungszusammenarbeit.
Rückzug aus zwölf Entwicklungshilfe-Ländern
Eine Frau giesst frisches Wasser in einen Eimer in Leon, Nicaragua. Lateinamerika gehört heute zu den Schwerpunktregionen der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit. Nun will sich der Bund aus dieser Region zurückziehen. (Themenbild)
Solidarisch zu sein, sei im Interesse der Schweiz, sagte Aussenminister Ignazio Cassis vor den Medien. Er präsentierte seine Pläne für die Entwicklungszusammenarbeit.
Der Bund will seine Entwicklungshilfe auf weniger Länder konzentrieren, um mehr Wirkung zu erzielen. Bei den finanziellen Mitteln bleibt er hinter den Vorgaben des Parlaments zurück.
Die grobe Ausrichtung der internationalen Zusammenarbeit für die kommenden Jahre hatte der Bundesrat bereits letzten Herbst festgelegt. Nun haben das Aussen- und das Wirtschaftsdepartement (EDA und WBF) die Strategie ausgearbeitet. Erstmals führen sie dazu eine Vernehmlassung durch.
Damit wolle er eine breite Diskussion ermöglichen und Verständnis schaffen, aber auch die Erwartungen ausloten, sagte Aussenminister Ignazio Cassis am Donnerstag vor den Medien in Bern.
Weniger als 0,5 Prozent des BNE
Für die Jahre 2021 bis 2024 ist ein Gesamtbetrag von 11,37 Milliarden Franken vorgesehen, rund 80 Rappen pro Tag und Einwohner. Das ist zwar etwas mehr als die 11,11 Milliarden Franken, die für die laufende Periode zur Verfügung stehen. Gemessen am Bruttonationaleinkommen (BNE) wird die Schweiz aber voraussichtlich nicht mehr für Entwicklungshilfe ausgeben.
Die Ausgaben dürften sich gemäss dem Bericht zur Vernehmlassung auf rund 0,45 Prozent des BNE belaufen. 2011 hatte das Parlament den Bundesrat beauftragt, die Quote auf 0,5 Prozent zu erhöhen – ein Ziel, das schon in der laufenden Periode nicht wird.
Der Entwicklungshilfeausschuss der OECD hat die Schweiz vor kurzem dazu aufgefordert, ihre Versprechen von 2011 zu erfüllen. Auf die Frage, warum der Bund nicht ausreichend Mittel dafür vorsieht, sagte Cassis, dem Parlament stehe es frei, die Kredite zu erhöhen oder zu senken. «Das wird die politische Debatte sein.»
Geografische Fokussierung
Geografisch will sich Schweiz auf vier Schwerpunktregionen konzentrieren: 1. Nordafrika und Mittlerer Osten, 2. Subsahara-Afrika, 3. Asien (Zentral-, Süd- und Südostasien) und 4. Osteuropa. Im internationalen Vergleich sei die Schweiz heute in vielen Ländern präsent, was das Risiko der Verzettelung mit sich bringe, heisst es im Bericht.
Schrittweise zurückziehen will sich die Schweiz aus der bilateralen Entwicklungshilfe in Lateinamerika. Die Zahl der Schwerpunktländer der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) soll von 46 auf 34 reduziert werden. Vom Ausstieg betroffen sind Bolivien, Haiti, Honduras, Kuba, Nicaragua, Swasiland, Lesotho, Malawi, Sambia, die Mongolei, Pakistan und Aserbaidschan.
Humanitäre Hilfe – etwa nach einem Erdbeben – wird die Schweiz aber weiterhin überall leisten, wie Deza-Chef Manuel Sager betonte. Auch wird sich das Wirtschaftsdepartement weiterhin in manchen lateinamerikanischen Ländern engagieren, in welchen die Schweiz aussenwirtschaftspolitische Interessen verfolgt.
Mehr Mittel gegen Klimawandel
Wo die Schweiz Entwicklungshilfe leistet, entscheidet der Bund anhand von drei Kriterien. An erster Stelle stehen die Bedürfnisse der betroffenen Bevölkerung, an zweiter die Interessen der Schweiz und an dritter der Mehrwert der Schweizer Hilfe im internationalen Vergleich. Der Rückzug hat also auch damit zu tun, dass es den Menschen in manchen Ländern besser geht.
Die thematischen Schwerpunkte sind die Schaffung von Arbeitsplätzen, der Kampf gegen den Klimawandel und die Ursachen von irregulärer Migration und Zwangsmigration sowie das Engagement für Frieden und Rechtsstaatlichkeit.
Zum Klimawandel heisst es im Bericht, bis 2050 drohten 143 Millionen Menschen zu Klimamigranten zu werden. Die Mittel in diesem Bereich sollen von 300 Millionen in der heutigen Periode auf 350 Millionen Franken pro Jahr angehoben werden. Gleichzeitig will sich die Schweiz bemühen, vermehrt den Privatsektor für klimaverträgliche Investitionen in Entwicklungsländern zu gewinnen.
Verknüpfung mit Migrationspolitik
Die strategische Verknüpfung zwischen der Entwicklungshilfe und der Migrationspolitik wollen das EDA und das WBF stärken, namentlich durch die Bekämpfung von Fluchtursachen. Für spezifische Projekte im Zusammenhang mit der Migrationspolitik sind 60 Millionen Franken reserviert.
In den vergangenen Jahren war die politische Forderung laut geworden, Entwicklungshilfe vermehrt in den Dienst der Migrationspolitik zu stellen. Eine strikte Konditionalität lehnt der Bund aber weiterhin ab. Die Verknüpfung bedeutet also nicht, dass die Entwicklungshilfe eingestellt wird, wenn ein Land sich beispielsweise weigert, abgewiesene Asylsuchende zurückzunehmen.
Die Entwicklungshilfe eigne sich nicht als Hebel, um Druck auszuüben, heisst es im Bericht. Die Erfahrung habe gezeigt, dass dies selten die gewünschte Wirkung erzeuge. Drohungen wirkten häufig kontraproduktiv. Zudem bezwecke die Entwicklungshilfe, der Bevölkerung zu helfen.
Alle vier Jahre
Der Bundesrat will dem Parlament die Botschaft Anfang 2020 vorlegen. Das Parlament entscheidet alle vier Jahre über die Mittel für die internationale Zusammenarbeit in Form von mehreren Rahmenkrediten. Die genauen Zahlungskredite werden jährlich im Rahmen des Voranschlags festgelegt.
Von den 11,37 Milliarden Franken für die Jahre 2021 bis 2024 sind rund 6,7 Milliarden für die bilaterale und multilaterale Entwicklungszusammenarbeit vorgesehen.
2,2 Milliarden sollen in die humanitäre Hilfe fliessen, 1,2 Milliarden in die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit und 1 Milliarde in die Zusammenarbeit mit den Ländern des Ostens. Hinzu kommt ein Rahmenkredit für Frieden und menschliche Sicherheit im Umfang von rund 260 Millionen Franken.
Interessierte Kreise können bis zum 23. August Stellung nehmen.
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