Die sogenannte Phänotypisierung bei der Aufklärung von Kriminalfällen hat in der Vernehmlassung vor allem aus dem linken Spektrum Kritik ausgelöst. Befürchtet werden zu massive Eingriffe in die Grundrechte sowie ein erhöhtes Risiko für Racial Profiling.
Strafverfolgungsbehörden sollen aus DNA-Spuren künftig Informationen zum Erscheinungsbild eines mutmasslichen Täters respektive des Spurengebers herauslesen dürfen. Die Vernehmlassung zu dieser Gesetzesänderung ist am Samstag abgelaufen.
Die SP will der Gesetzesänderung nur zustimmen, wenn die Methode «wesentlich stärker» eingeschränkt wird als vom Bundesrat vorgesehen. Dieser schlägt vor, dass bei der Fahndung nach dem Täter eines schweren Verbrechens aus den DNA-Proben die Haar-, Augen- und Hautfarbe sowie das Alter und die biogeografische Herkunft der Person ausgelesen werden dürfen. Heute darf nur das Geschlecht bestimmt werden.
Erlaubt sein soll diese Phänotypisierung bei der Aufklärung eines Verbrechens, das mit einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren bestraft wird. Das ist etwa bei Mord, Vergewaltigung, schwerem Raub oder Geiselnahme der Fall.
Deliktkreis enger definieren
Das geht der SP zu weit. Sie fordert eine genauere Regelung, indem in der Strafprozessordnung ein abschliessender Deliktskatalog für die Anwendung der Methode festgeschrieben wird. Zudem soll Merkmal der biogeografischen Herkunft ganz gestrichen werden, weil es kein äusseres Merkmal sei.
Auch die Grünliberalen wollen Einschränkungen. Wie die FDP verlangen sie, dass die Phänotypisierung nur bei Verbrechen gegen Leib und Leben oder die sexuelle Integrität angewandt werden darf. Die FDP begründet dies damit, dass etwa auch Betrug zu den Verbrechen gehört, dieses Delikt aber den schweren Eingriff in die persönliche Freiheit und die Privatsphäre nicht rechtfertige. Die Grünen lehnen die Einführung der Methode gänzlich ab.
Zudem soll etwa aus Sicht der SP, FDP und der Grünliberalen nicht die Staatsanwaltschaft, sondern ein Zwangsmassnahmengericht die Methode anordnen müssen.
Höheres Risiko für Racial Profiling
Befürchtet wird von den genannten Akteuren zudem, dass gerade wegen der Bestimmung der Hautfarbe das Risiko von Racial Profiling steigt (Generalverdacht zulasten von Menschen mit gewisser Hautfarbe). Die Schweizerische Kriminalistische Gesellschaft (SKG) weist in ihrer Stellungnahme aber darauf hin, dass die Phänotypisierung nicht nur der Aufklärung von schweren Straftaten, sondern auch dem Schutz der Unschuldsvermutung nicht involvierter Personen dient.
Auf der anderen Seite begrüsst etwa die CVP die Änderungen grundsätzlich. Heikel seien jedoch die unterschiedlichen Vorhersagegenauigkeiten. Gemäss dem Bundesamt für Polizei kann etwa die Haarfarbe Blond mit 69 Prozent Sicherheit bestimmt werden, während die Vorhersagegenauigkeit bei schwarzer Haarfarbe bei 87 Prozent liegt. Und weisse und sehr dunkel pigmentierte Haut kann mit 98-respektive 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit bestimmt werden, während der Wert bei Mischhaut bei 84 Prozent liegt.
Die CVP betont zudem, dass die Subsidiarität der Methode immer gewahrt werden müsse. Das heisst, dass die Methode nur dann angewendet wird, wenn klassische Quelle wie Zeugenaussagen oder Kameraaufnahmen fehlten. Die Grünliberalen fordern, dass dies im Erlasstext explizit erwähnt wird.
Merkmale abschliessend definieren
Grundsätzlich einverstanden mit den Anpassungen ist auch die SVP. Die Sicherheit in der Schweiz würde dadurch «nachhaltig verbessert». Die Partei scheint es zudem zu begrüssen, dass künftig mit der Weiterentwicklung der Technik etwa auch die Gesichtsform und die Körpergrösse bestimmt werden können.
Genau aus diesem Grund beantragen die Grünliberalen die Ergänzung im Gesetz, dass es sich bei den bis jetzt definierten Merkmalen um eine abschliessende Auflistung handelt. Es sei sachgerecht, wenn das Gesetz erneut angepasst werden müsse, wenn die Phänotypisierung auf weitere Merkmale ausgeweitet werden solle.
Auch die FDP fordert diese explizite Nennung im Gesetz. Zwar würde das Gesetz dann immer der Wissenschaft hinterherhinken. Allerdings sei dieser zeitliche Nachteil zugunsten des Schutzes der Grundrechte in Kauf zu nehmen.
Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) sieht dies anders. Sie will offen lassen, dass bei technischen Weiterentwicklungen auch andere phänotypische Auswertungen gemacht werden können.
Verwandtenabgleich soll geregelt werden
Mit der Gesetzesänderung soll auch der Abgleich einer Spur mit Verwandtschaftsbezug explizit geregelt werden. Solche Recherchen dürfen gemäss eines Bundesgerichtsentscheids aus dem Jahr 2015 bereits angeordnet werden, der Bundesrat will sie nun gesetzlich Regeln.
Dabei kann mit einer erweiterten Suche geprüft werden, ob im System Profile sind, welche zum gesuchten Profil eine nahe Verwandtschaft aufweisen, wenn ein regulärer Suchlauf mit einem DNA-Profil aus einer Tatortspur keinen exakten Treffer im System liefert.
Hierzu verlangen die Grünliberalen eine Präzisierung. Es müsse geklärt werden, ob dabei auf externe DNA-Profilsammlungen zurückgegriffen werden darf, etwa auf die Sammlung von privaten Genealogie-Plattformen. Ausländische Strafverfolgungsbehörden haben dies gemäss der Partei in der Vergangenheit gemacht.
Unterschiedliche Meinungen bei Löschfristen
Mit der Revision sollen schliesslich die Löschfristen für DNA-Profile vereinfacht werden. Auch dieser Punkt bietet Diskussionsstoff: So will die SVP die Löschfrist auf 40 Jahre anheben, wenn ein Täter zu einer Freiheitsstrafe zwischen drei und zehn Jahren verurteilt wurde. Sollte die Freiheitsstrafe mehr als zehn Jahre betragen, soll die Löschfrist mindestens 50 Jahre betragen.
Die SP auf der anderen Seite erachtet Löschfristen von länger als 20 Jahren als unverhältnismässig. Die Schweizerische Kriminalistische Gesellschaft empfiehlt eine Erhöhung der Löschfristen auf 30 Jahre.
Die Grünliberalen fordern zusätzlich eine Ausnahmeregelung, damit keine Löschung erfolgt, wenn diese im Einzelfall nicht sachgerecht ist – dies beispielsweise wegen fortbestehender Gefährlichkeit einer verurteilten Person.
Über die Gesetzesänderung wird als nächstes das Parlament debattieren. Hintergrund der Revision ist der Vergewaltigungsfall von Emmen im Jahr 2015. Zur Aufklärung der Tat wurde an 372 Männern ein DNA-Test durchgeführt. Der Fall des Massen-DNA-Tests bot Anlass, die gesetzlichen Grundlagen an die neuen wissenschaftlichen Möglichkeiten anzupassen.
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