20'000 Franken Strafe «Nacktselfie-Affäre»: Freispruch und Schuldspruch für Wigdorovits

SDA/tafi

22.11.2019

Der «Gerigate»-Prozess endet Sacha Wigdorovits mit einem teilweisen Freispruch. Das Regionalgericht Berner Jura-Seeland in Biel sieht keine Beweise für eine versuchte Nötigung. Er ist aber schuldig, ein unbefugt aufgenommenes Gespräch gespeichert und weitergegeben zu haben.

Der Zürcher PR-Berater Sacha Wigdorovits hat sich in der sogenannten «Nacktselfie-Affäre» rund um den früheren Aargauer Nationalrat Geri Müller nicht der versuchten Nötigung schuldig gemacht. Er ist aber der Aufbewahrung und Kenntnisgabe unbefugt aufgenommener Gespräche schuldig gesprochen worden.

Dieses Urteil hat ein Richter des Regionalgerichts Berner Jura-Seeland in Biel am Freitag ausgesprochen. Wigdorovits ist zu einer bedingten Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu 560 Franken verurteilt worden, was etwas über 20'000 Franken ausmacht. Das Urteil kann noch angefochten werden.

Es sei nicht erstellt, dass Wigdorovits Druck aufgesetzt habe auf eine Frau aus dem Kanton Bern, der Geri Müller Anfang 2014 in einem Chat unter anderem Nacktbilder von sich zuschickte. Das sagte in seiner fast anderthalbstündigen Urteilsbegründung der Bieler Einzelrichter Nicolas Wuillemin.

PR-Berater hielt sich raus

Zwar sei in einer ersten Phase besprochen worden, wie Geri Müller mithilfe von belastenden Bild- und Tondokumenten zum Rücktritt gedrängt werden könnte. Und Wigdorovits habe der Frau den Kontakt zu Chefredaktoren hergestellt. Doch habe der Zürcher PR-Berater der Frau gesagt, sie müsse selber wissen, was sie wolle. Er halte sich da raus.

Richter Wuillemin zitierte zur Begründung seiner Aussagen ausführlich aus dem Textnachrichtenverkehr zwischen Wigdorovits und der Frau aus dem Kanton Bern. Diese Whatsapp- oder SMS-Nachrichten sind Bestandteil der Gerichtsakten.

Um Ostern 2014 herum beendete Geri Müller den Kontakt zur Frau, worauf diese Kontakt zu Wigdorovits suchte, einem politischen Gegner von Geri Müller. Müller und Wigdorovits vertreten in der Israel-Nahost-Politik ganz unterschiedliche Ansichten.

Geri Müller (links) stand vor fünf Jahren im Mittelpunkt einer Nacktfoto-Affäre. Der Zürcher PR-Berater Sacha Wigdorovits (rechts) musste sich deswegen unter anderem wegen versuchter Nötigung vor Gericht verantworten.
Geri Müller (links) stand vor fünf Jahren im Mittelpunkt einer Nacktfoto-Affäre. Der Zürcher PR-Berater Sacha Wigdorovits (rechts) musste sich deswegen unter anderem wegen versuchter Nötigung vor Gericht verantworten.
Bild: KEYSTONE/Archiv

Kenntnisgabe auch mündlich möglich

Wegen Kenntnisgabe unbefugt aufgenommener Gespräche verurteilte der Richter Wigdorovits im Zusammenhang mit einem Treffen von diesem mit dem Journalisten Patrik Müller. Patrik Müller war 2014 Chefredaktor der «Schweiz am Sonntag», welche Mitte August des genannten Jahres mit einem Artikel zu den Nacktfotos Geri Müllers aus dem Badener Stadthaus die Affäre ins Rollen brachte.

Für Wuillemin gibt es zwar keine direkten Beweise, dass Wigdorovits ein Geri Müller belastendes Tondokument Patrik Müller übergab. Es gebe aber eine Vielzahl von Indizien, so Richter Wuillemin weiter, dass Wigdorovits den Inhalt dieser Aufnahme Patrik Müller mindestens teilweise zur Kenntnis gebracht habe. Das Gespräch hatte die junge Frau ohne Wissen Geri Müllers aufgezeichnet, also illegalerweise.

Es müsse ja nicht sein, dass Wigdorovits das Tondokument Patrik Müller übergeben habe, so der Bieler Richter. Wigdorovits habe den Inhalt des Gesprächs auch einfach erzählen oder das Tondokument abspielen können. Patrik Müller sagte diese Woche vor Gericht, er habe das Tondokument nicht von Wigdorovits erhalten.

Wigdorovits Verteidiger Valentin Landmann argumentierte diese Woche vor Gericht, dieses Tondokument habe der Zürcher PR-Berater aufbewahren dürfen. Denn die Frau habe ihn darum gebeten. Wenn ihr etwas zustosse, sei die Aufnahme gesichert. Für Richter Wuillemin ist das aber kein Rechtfertigungsgrund, weshalb Wigdorovits auch in diesem Punkt verurteilt wurde.

Chat-Partnerin verurteilt

Der Medienrummel und die vielen Diskussionen rund um Geri Müller führten letztlich dazu, dass dieser 2017 als Stadtammann Badens abgewählt wurde. Zu den nationalen Wahlen von 2015 trat er nicht mehr an.

Die ehemalige Chat-Partnerin Müllers wurde im Jahr 2016 von der Staatsanwaltschaft Berner Jura-Seeland per Strafbefehl zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Sie wurde schuldig befunden der Beschimpfung, üblen Nachrede, versuchten Nötigung, Urkundenfälschung und des unbefugten Aufnehmens von Gesprächen. Die Frau akzeptierte den Strafbefehl.

Mit der Herausgeberin der «Schweiz am Sonntag», der AZ-Mediengruppe, einigte sich Geri Müller Anfang 2018 auf einen Vergleich. Der Verlag und Patrik Müller drückten bei Bekanntgabe dieses Vergleichs ihr Bedauern gegenüber Müller aus.

Der Schweizer Presserat befand 2016, die «Schweiz am Sonntag» habe mit ihrem ersten Bericht über die Affäre die Privat- und Intimsphäre Geri Müllers in schwerer Weise verletzt.

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