Kriegsgeschäfte-Initiative Müssen wir für ein reines Gewissen im Alter auf Geld verzichten?

Von Anna Kappeler

24.11.2020

Unbeschwerter Lebensabend: Der Schweizerische Pensionskassenverband warnt, dass ein Ja zur Kriegsgeschäfte-Initiative sich negativ auf die Altersvorsorge auswirken könne. (Symbolbild)
Unbeschwerter Lebensabend: Der Schweizerische Pensionskassenverband warnt, dass ein Ja zur Kriegsgeschäfte-Initiative sich negativ auf die Altersvorsorge auswirken könne. (Symbolbild)
Bild: Getty Images

Pensionskassen sollen nicht mehr mit Waffenproduzenten wirtschaften: Das will die Kriegsmaterial-Initiative. Heisst das weniger Geld für uns alle im Alter? Pensionskassen-Vertreter nehmen Stellung.

Pensionskassen sollen ihr Geld nicht mehr in Firmen anlegen dürfen, die Kriegsmaterial herstellen. Das will die Initiative zur Kriegsmaterial-Finanzierung, über die wir am 29. November abstimmen. Der Finanzsektor soll so laut Initianten «nachhaltig und ethisch vertretbar» werden.

Der Bund warnt im Abstimmungsbüchlein davor, dass ein Ja die Renditen der Pensionskassen (PK) schmälern würde. Dies würde sich demnach auf alle unsere Renten auswirken. Doch wäre dem wirklich so? Das sagen PK-Vertreter dazu.

Ablehnend gegenüber der Kriegsgeschäfte-Initiative äussert sich Hanspeter Konrad, Direktor des Schweizerischen Pensionskassenverbandes. «Die Altersvorsorge steht ohnehin vor grossen Herausforderungen. Sie darf nicht noch durch sinnlose, bürokratische und teure Verbote zusätzlich belastet werden.»

«Konkrete Zahlen bezüglich Auswirkungen gibt es aufgrund der vielfältigen Branchen-Lösungen nicht.»

Auf die Frage, welcher Betrag den PK fehlen würde, verweist Konrad auf Wirtschaftsminister Guy Parmelin. «Konkrete Zahlen bezüglich Auswirkungen gibt es aufgrund der vielfältigen Branchen-Lösungen nicht.» Auch konkrete Angaben bezüglich Auswirkungen auf die Renditen liessen sich deshalb nicht machen, so Konrad.

«Mehr administrativer Aufwand»

Halb so wild fände eine Annahme der Initiative dagegen Peter Henggeler, ehemaliger Geschäftsführer verschiedener PK wie Globus oder Tamedia. «Ein Ja zur Kriegsmaterial-Initiative würde die PK-Renten nicht wesentlich senken», sagt er. Die PK seien diversifiziert und legten neben Obligationen und Aktien, die bei einem Ja betroffen wären, in Immobilien und alternative Anlagen an. «Eine angepasste Anlagestrategie könnte helfen, die Nachteile der Einschränkung auszugleichen.»



Einen Mehraufwand erwartet jedoch auch Henggeler: «Nach einem Ja müssten die Kassen einen zusätzlichen administrativen Aufwand zulasten der Rendite betreiben.» Nur so könnten sie eruieren, ob eine Firma mehr als 5 Prozent ihres Jahresumsatzes mit der Herstellung von Kriegsmaterial erwirtschaftet. Diesen Prozentsatz verlangt die Initiative.

Das Problem laut Henggeler: «Schon die Definition von Kriegsmaterial ist nicht einfach.» Gerade Elektronik könne oft für mehrere Zwecke – Kriegsmaterial oder anderes – eingesetzt werden. «Wenn eine Firma Teilchen herstellt, die sowohl für die Steuerung von Werkzeugmaschinen als auch für ein Zielsystem eingesetzt werden können, zählt das dann oder nicht?»

Dass die Initiative unnötige Hürden zulasten der Rentenleistungen schaffe, sagt auch Konrad vom Pensionskassenverband. Für kleinere und mittlere Pensionskassen wäre die Umsetzung laut Konrad mit deutlich mehr Aufwand und höheren Kosten verbunden. «Die Verwaltungskosten würden steigen, ohne einen zusätzlichen Nutzen zu stiften.»

Zudem stelle sich die Frage, ob die Verfassungsbestimmungen nach einem Ja überhaupt unmittelbar angewendet werden könnten, sagt Konrad. Laut Gesetzesentwurf blieben nach einer Annahme vier Jahre Zeit, um die neuen Bestimmungen umzusetzen. Dieser Zeithorizont würde die betroffenen Institute laut Konrad «vor grosse Herausforderungen» stellen.

Einzelperson hat kein Mitspracherecht

Als störend könnte es eine Einzelperson empfinden, dass sie kein Mitspracherecht bei eigenen Vorsorgevermögen hat. Dazu muss man wissen: Will jemand in der PK kein Geld von Aktienfonds von Kriegsmaterial-Produzenten, kann er nichts tun. Das ist ein Punkt, den die Initianten ändern wollen.

Was also tun, wenn einer Person mehr Transparenz auf dem Schweizer Finanzmarkt wichtig ist? Ihr bleibt nichts anderes übrig, als sich an den Stiftungsrat der PK zu wenden. Immerhin: Die Hälfte des Stiftungsrates besteht aus Arbeitnehmer-Vertretern – «die Einzelperson und deren Anliegen sind durch diese vertreten», sagt Henggeler.

Und: «Der Stiftungsrat kann schon heute entscheiden, dass die PK freiwillig Rüstungsunternehmen ausschliesst», sagt Henggeler. Viele PK würden auf nachhaltige Anlagen setzen. «Es gibt Organisationen, welche in diesem Bereich gezielt PK beraten und unterstützen, etwa die Ethos-Stiftung, die für Wertpapiere Nachhaltigkeits-Ratings erstellt.»

«Dass nachhaltige Anlagen eine genauso gute Rendite erzielen, diese Aussage finde ich nicht nachvollziehbar.»

Auch Konrad vom Pensionskassenverband sagt: «Die PK nehmen ihre gesellschaftliche Verantwortung bereits freiwillig wahr.» Zwangsvorschriften seitens der Kriegsgeschäfte-Initiative seien weder nötig noch zielführend. Nachhaltige Anlagen stehen allen PK frei, für Henggeler ist aber klar: «Eine gute Rendite zu erzielen, ist das Primärziel des Stiftungsrates. Dass nachhaltige Anlagen eine genauso gute Rendite erzielen, diese Aussage finde ich nicht nachvollziehbar», sagt er.

Marktgerechte Rendite auch ohne Rüstungsindustrie?

Genau das allerdings sehen die Initianten anders: PK könnten ihr Geld auch ohne Rüstungsindustrie investieren – und trotzdem eine marktgerechte Rendite erzielen. Die Initianten verweisen als Beispiel auf die PK der Stadt Zürich, «eine der 300 grössten Pensionskassen der Welt».

Diese schliesst seit 2016 Atomwaffen- und Streumunitions-Produzenten konsequent aus dem Portfolio aus. «Wer in nachhaltige Anlageprodukte investiert, kann sogar mit einer besseren Rendite rechnen: Hätten die Schweizer PK vor einem Jahr einzig in nachhaltige Anlagen investiert, könnte unser Pensionskassen-Vermögen im Durchschnitt pro Kopf 1'000 Franken höher sein», schreiben die Initianten.

Eine Anfrage von «blue News» dazu an die Stadt Zürich blieb unbeantwortet.

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