Job, ÖV und Konzerte Kommt die Impf-Pflicht durch die Hintertür?

Von Julia Käser

31.12.2020

Noch gibt es in der Schweiz nicht genug Impfstoffe, die Diskussion über Privilegien für Geimpfte läuft aber bereits auf Hochtouren. 
Noch gibt es in der Schweiz nicht genug Impfstoffe, die Diskussion über Privilegien für Geimpfte läuft aber bereits auf Hochtouren. 
Bild: Keystone

Die Frage ist derzeit in aller Munde: Dürfen Personen, die gegen Corona geimpft sind, künftig privilegiert werden? Heikel wäre das nicht nur aus Datenschutzgründen – deshalb werden vom Bund klare Regelungen gefordert.

Brauche ich künftig eine Corona-Impfung, um ein Fussballstadion oder ein Flugzeug betreten zu dürfen? Seit der Impfstoff von Biontech und Pfizer in der Schweiz zugelassen wurde, ist eine Debatte über mögliche Diskriminierungen von ungeimpften Personen entbrannt. Die Verunsicherung ist gross – und die datenrechtliche Lage heikel.

Klar ist: Ein Impfobligatorium ist in der Schweiz nicht vorgesehen. Was staatliche Leistungen betrifft, dürfen Geimpfte also nicht anders behandelt werden als Ungeimpfte. Das bestätigte Susanne Kuster, die stellvertretende Direktorin des Bundesamts für Justiz (BJ), an einer Medienkonferenz vom 22. Dezember. Auch ein Impfregister, wie Spanien es plant, schloss der Bund zuletzt aus.

Weit weniger deutlich präsentiert sich die Situation im privaten Raum. Für gewisse Unternehmen ist bereits jetzt klar, dass sie auf eine Impfpflicht setzen wollen – so etwa die australische Airline Qantas. Sobald ein Impfstoff verfügbar sei, würden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Airline angepasst, kündigte Qantas-Chef Alan Joyce bereits Ende November an. 

Keine Impfpflicht auf den Schienen – dafür in der Luft?

Auch in der Schweiz denken erste Veranstalter darüber nach, künftig bei jedem Eintritt einen Impfnachweis zu verlangen. Diese würde ihnen vor allem die aufgrund der Pandemie abhandengekommene Planungssicherheit zurückbringen. 

Grundsätzlich steht einer solchen Pflicht Stand jetzt erst einmal nichts im Wege. Solange nichts anderes geregelt sei, habe jede und jeder die Freiheit zu entscheiden, mit wem ein Vertrag abgeschlossen werden soll, sagt Ingrid Ryser, Informationschefin des BJ, auf Anfrage von «blue News». 

«Im Verhältnis zwischen privaten Personen – also etwa bei einem Coiffeur- oder Restaurantbesuch und bei Grossveranstaltungen – gilt das Prinzip der Privatautonomie», so die Rechtsanwältin. Konkret bräuchte es also gesetzliche Regelungen, um Ungleichbehandlungen in diesem Rahmen auszuschliessen.

Aber auch hier gibt es Ausnahmen: Eher nicht möglich ist eine Impfpflicht  im ÖV, wie Martin Dumermuth, Direktor des BJ, anlässlich der ersten Impfstoff-Zulassung in der Schweiz vor den Medien sagte. Denn dort gelte eine Transportpflicht. Heisst: Die SBB ist im Gegensatz zur Swiss dazu verpflichtet, sämtliche Personen zu transportieren. 

Gesetzliche Regelungen gefordert

Anders als Qantas scheint die Swiss die Einführung einer solchen Pflicht nicht zu erwägen. Der scheidende Chef Thomas Klühr machte gegenüber SRF deutlich, es sei Sache der Politik und nicht der Airlines, Impfpflichten zu verlangen. Auch der Eidgenössische Datenschützer Adrian Lobsiger sieht die nationale Politik in der Pflicht. Bis flächendeckend geimpft werde, müsse der Bund klare Regeln schaffen. 

Laut dem Bundesamt für Justiz ist es noch zu früh für allgemeingültige Antworten, ob und in welchem Kontext Ungleichbehandlungen von geimpften und ungeimpften Personen zulässig sein könnten. «Das hat unter anderem damit zu tun, dass es noch viele offene Fragen zur Impfung gibt», so Ryser.

Einen Schritt weiter scheint man in Deutschland zu sein. Laut dem «Spiegel» werden in unserem Nachbarstaat gesetzliche Massnahmen geprüft, wie die besagte Ungleichbehandlung durch die Privatwirtschaft ausgeschlossen werden könnte. 

Datenschützerische und medizinische Einwände

Heikel ist ein potenzielles Privileg für Geimpfte allemal. «Es geht hier um Gesundheitsdaten, die besonders geschützt sind und nicht ohne Weiteres herausverlangt werden dürfen», sagt Ryser. Unbedingt zu beachten seien deshalb datenschutzrechtliche Grundsätze.

Darauf macht auch Datenschützer Lobsiger aufmerksam. In einem Interview mit dem «Blick» gibt er an, eine digitale Impfausweispflicht verstosse seiner Meinung nach gegen das Datenschutzgesetz. Abweisen könne ein Wirt einen ungeimpften Gast jedoch dann, wenn dieser die anderen Gäste störe. 

Auch ein medizinisches Argument spricht gegen die Privilegien für Geimpfte: Gemäss dem deutschen Robert-Koch-Institut (RKI) ist noch nicht einmal geklärt, ob geimpfte Personen tatsächlich nicht mehr ansteckend sind. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schliessen nicht aus, dass diese zwar selbst nicht erkranken, die Viren aber dennoch weitergeben können. 

Im schlimmsten Fall droht die Kündigung

Etwas klarer ist die Situation schliesslich bei den Arbeitsverhältnissen. Auch diese basieren auf einem Vertrag. Dass darin eine Impfpflicht festgeschrieben wird, hält Arbeitsrechtsprofessor Roger Rudolph von der Uni Zürich zwar für unwahrscheinlich. Wie er zu SRF sagte, ist eine Impfpflicht am Arbeitsplatz dennoch nicht ausgeschlossen.

Möglich sei eine Verpflichtung über das Weisungsrecht, mit dem der Arbeitgeber Anordnungen über das generelle Verhalten am Arbeitsplatz erlässt. Denkbar ist, dass vor allem Arbeitnehmende, die in engem Kontakt mit älteren oder gefährdeten Personen stehen, auf diese Weise einer Impfpflicht unterstellt werden. Wer sich einer solchen Weisung widersetzt, riskiert laut Rudolph seinen Job und muss im schlimmsten Fall mit einer Kündigung rechnen. 

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