Debatte um Konzernverantwortung Holocaust-Vergleich führt zu heftigem Streit bei Katholiken

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25.11.2020

Auch die Schweizer Kirchen trifft die Debatte um die Konzernverantwortung (Symbolbild).
Auch die Schweizer Kirchen trifft die Debatte um die Konzernverantwortung (Symbolbild).
Keystone

In der katholischen Kirche der Schweiz herrscht dicke Luft: Die Debatte um die Initiative zur Konzernverantwortung gerät zu einem veritablen Streit – inklusive Holocaust-Vergleich. 

Die Konzernverantwortungsinitiative sorgt im ganzen Land für erregte Debatten – und einen ungewohnt rauen Ton. Involviert in den Abstimmungskampf sind auch die Kirchen: Während die evangelisch-reformierte Kirche in Nidwalden einen Redaktor aufgrund dessen geplanter Berichterstattung zur Initiative freistellte, wird nun auch in katholischen Kreisen und Medien mit harten Bandagen um Deutungshoheit gekämpft.



Insbesondere ein Holocaust-Vergleich erregt derzeit die Gemüter: «Hätte es damals ein Gesetz zur Konzernverantwortung gegeben, wäre es den Schweizer Banken deutlich schwerer gefallen, Hitlers mörderische Maschinerie zu finanzieren», hatte Raphael Rauch, Redaktionsleiter des Portals kath.ch, in seiner Kolumne geschrieben.

Das Portal, das im Auftrag der Bischofskonferenz (SBK) und der Römisch-katholischen Zentralkonferenz (RKZ) betrieben wird, bekam daraufhin Gegenwind aus den eigenen Reihen der Bischöfe: «Die SBK hat eine gewisse Aggressivität in der Arbeit von Raphael Rauch festgestellt. Sie hat sich deshalb in Gesprächen an die RKZ und schriftlich an den Vorstand des Vereins Katholisches Medienzentrum Zürich gewandt», bestätigte Sprecherin Encarnación Berger-Lobato gegenüber der «Aargauer Zeitung».

«Zum KVI-Kampagnenportal geworden»

Zuvor hatte CVP-Nationalrätin Marianne Binder Rauchs Holocaust-Vergleich scharf kritisiert: «Er geht definitiv zu weit. Er besagt, wer gegen diese Initiative sei, habe eine Denke, die Nationalsozialisten zudient.» Sie erwarte, dass die Bischöfe den Autor kritisieren und sich öffentlich von solchen Verunglimpfungen auf ihrem Portal distanzieren.» Kath.ch sei «zum KVI-Kampagnenportal geworden».



Als «Tiefpunkt einer gehässigen Kampagne» bezeichnete laut «Aargauer Zeitung» auch CVP-Fraktionschefin Andrea Gmür den Vergleich. Er sei «jenseits von Gut und Böse» – und: «Das macht mich sprachlos.» Die Kirche müsse als moralische Instanz klarstellen, «dass eine Kampagne, wie sie zurzeit läuft, nicht akzeptabel» sei.

Zuspitzung nach offenem Brief

Gmür hatte zuvor einen offenen Brief von 35 christliche Frauen initiiert und mitunterzeichnet, die darin die Parteiergreifung der Kirchen für das KVI kritisierten – es sei eine «Triage in ‹gute› und ‹weniger gute›» Christinnen. Richte man sich gegen das KVI, werde man öffentlich angeprangert, sagte Gmür im Interview mit dem Portal kath.ch: «Was momentan abläuft, erinnert an Hexenverbrennungen.» 

Laut Eigenaussage Andrea Gmürs habe es bei dem Interview mit kath.ch Probleme gegeben: So sei auf Bitten, das Wort «Hexenverbrennungen» zu streichen, nicht eingegangen worden. Zuvor hatte ihr Schwager, der Bischof Felix Gmür, ebenfalls auf dem Portal auf den offenen Brief Gmürs reagiert – und von «Kirchen-Bashing» gesprochen.

Die Zuspitzung hält der Direktor des katholischen Medienzentrums Charles Martig laut «Aargauer Zeitung» für «problematisch». Man sei daran, zu klären, «was da genau abgelaufen ist». Massnahmen hinsichtlich arbeitsrechtlicher Fragen habe man noch nicht ergriffen. 

Schweiz trage Mitverantwortung

Raphael Rauch, dessen Chef Martig ist, verteidigt gegenüber der «Aargauer Zeitung» seinen Vergleich: «Der Holocaust hatte viele Unterstützerinnen und Unterstützer in der Schweiz». Hitlers System hätte ohne ausländisches Kapital nicht funktioniert. Hätte das Ausland gehandelt, hätte der Holocaust verhindert werden können. Heute trage die Schweiz eine Mitverantwortung für «das, was in den Ländern des Südens passiert.» 

Die Diskussion um die Konzernverantwortungsinitiative hält er ebenfalls für «aggressiv», sein Portal bemühe sich um Sachlichkeit. Rauch wird zitiert: «Ich bedauere, dass die KVI-Gegner den Dialog mit kath.ch verweigern. So etwas kennt man eigentlich nur von den Neuen Rechten: Anfragen ignorieren, aber sich dann beschweren.»

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