Nein zum Mediengesetz«Jetzt rächt sich, dass das Paket immer grösser geschnürt wurde»
Von Andreas Fischer
13.2.2022
Das Medienpaket ist beim Volk mit 56 Prozent der Stimmen durchgefallen. Ein Medien-Experte erklärt, warum er gleichwohl für eine Verfassungsänderung plädiert.
Von Andreas Fischer
13.02.2022, 17:37
Andreas Fischer
Transparenz-Hinweis: Dieser Artikel ist erstmals am 5. Februar erschienen. Heute erscheint er in aktualisierter Form ein zweites Mal.
Das Medienpaket wurde vom Stimmvolk mit 56 Prozent der Stimmen abgelehnt (hier der Abstimmungsticker). Für viele kleine bedrohte Zeitungen könnte das Abstimmungsergebnis das Aus bedeuten, befürchtete Medienwissenschaftler Vincenz Wyss schon vorab im Interview mit blue News. Sie würden von den Grossen gekauft oder einfach verschwinden. Auch im Online-Bereich würden Ressourcen fehlen. «Es wird sich im Markt einiges verändern, ich würde sagen: sicher nicht im Sinne der publizistischen Vielfalt.»
Es müsse daher über Alternativen zum Medienföderungsgesetz gesprochen werden. Der Präsident des Nein-Komitees Peter Weigelt hatte Abo-Gutscheine ins Spiel gebracht: Jeder Bürger soll 300 Franken pro Jahr an die Medien seiner Wahl verteilen können. Für Wyss ist die Idee, dass «die Steuerbürgerinnen und -bürger selbst entscheiden, welche Medien ihr Geld bekommen sollen, ein attraktives Modell.»
Allerdings befürchtet der Medien-Experte, dass von den Gutscheinen vor allem lautstarke Medien profitieren, die durch gutes Marketing in den Köpfen präsent sind. «Dabei ist es manchmal gut, dass ein Medium da ist, auch wenn es nicht jeder kennt. Hauptsache, es schaut genau hin und berichtet kritisch auch in Regionen, in denen man selbst nicht wohnt.»
Reaktionen nach dem Nein zur Medienförderung
Der Zürcher SVP-Nationalrat Gregor Rutz plant nun einen Angriff auf die SRG. Er sagte im SRF, dass ein überparteiliches Komitee an einer neuen Initiative zu den Empfangsgebühren arbeite. Diese sieht die Halbierung der Serafe-Gebühren vor.
Die Gegner*innen und somit heutigen Sieger*innen sehen in der Ablehnung der Vorlage ein Votum gegen einen «Raubzug wohlhabender Verlagshäuser» und eine «noch stärkere Staatsabhängigkeit der Medien». Sollten Bundesrat und Parlament in Zukunft ein neues Mediengesetz diskutieren, stellt der Verein Forderungen: Es dürften nur kleine Medien gefördert werden, die nicht im Besitz von Medienkonzernen seien.
Anders klingt es bei den Gewerkschaften: Nach dem Nein dürfe der unabhängige Journalismus nach deren Ansicht nicht einfach den Marktkräften überlassen werden. Der Trend zur Monopolisierung und zum «Einheitsbrei» werde sich sonst fortsetzen. Sie fordern kantonale Zwischenlösungen und eine neue Vorlage für die Medienförderung.
Der Journalist*innenverband sieht im Volksentscheid ein Signal, dass die Stimmenden statt einer Firmen- eine Journalismusförderung wollten.
Auch die SP ist enttäuscht über das Nein. Sie will im Parlament rasch einen neuen Vorschlag zur Medienförderung machen.
Die Mitte-Partei fordert ebenfalls schnelle Schritte zur Stärkung der Medienvielfalt.
Ein anderes Modell könnte laut Wyss sein, dass das Medienpaket nochmals aufgeschnürt wird. «So könnten die Grossverlage bei einer staatlichen Förderung verpflichtet werden, einen Teil der Gewinne, die sie in anderen Teilen erwirtschaften, in einen Fonds zu stecken.» Aus dem wiederum würden dann kleinere Medien gefördert. Eins ist für Vincenz Wyss jedenfalls klar: «Ganz ohne Medienförderung wird es prekär.»
Die Schweiz habe zwar immer noch «eines der freiesten Mediensysteme». Aber in einer direkten Demokratie müssen sich die Menschen auf jeder Ebene am politischen Prozess beteiligen können, erinnert der Medienwissenschaftler. Um die Bundesebene müsse man sich keine Sorgen machen, «aber schon auf kantonaler Ebene wird es schwierig. Dort gibt es einen Vielfaltsverlust: Das ist gefährlich.»
Nach der Abstimmungsniederlage heute bleibe nichts anderes übrig, «als einen neuen Anlauf für ein Mediengesetz zu starten», sagte Wyss im blue News-Interview. «Was wir jedoch eigentlich bräuchten, ist ein ganz grosser neuer Wurf.» Der Staat müsste klar legitimiert werden, auch im Online- und Privatbereich so zu fördern, wie es heute schon bei Radio und Fernsehen passiert.
Dafür bräuchte es aber eine Verfassungsänderung, weiss Vincenz Wyss. «Aber das würde mindestens zehn Jahre dauern. Bis dann sind manche Zeitungen Geschichte.»
Initiative will Kinder und Jugendliche vor Tabakwerbung schützen
Der Tabakkonsum ist die grösste vermeidbare Todesursache in der Schweiz: So argumentieren Befürworter der Tabakwerbeverbotsinitiative. Die Forschung zeige, dass Kinder und Jugendliche häufiger mit Rauchen beginnen, je mehr sie mit Tabakwerbung in Kontakt kommen.