AHV-Reform Frau gegen Frau in der «Arena» – Frau gegen Mann laut Umfrage

von Stefan Michel

3.9.2022

Alt Bundesrätin und Präsidentin von Pro Senectute Eveline Widmer Schlumpf befürwortet die AHV-Reform vehement. Im Gegensatz zur Mehrheit der Frauen.
Alt Bundesrätin und Präsidentin von Pro Senectute Eveline Widmer Schlumpf befürwortet die AHV-Reform vehement. Im Gegensatz zur Mehrheit der Frauen.
SRF

Ein höheres Frauen-Rentenalter und zusätzliche Mehrwertsteuer-Einnahmen – dies sind die beiden Elemente der AHV-Reform. Die neuste Umfrage zeigt: Die Männer sind mehrheitlich dafür, die Frauen dagegen.

von Stefan Michel

Das Konzept der «Arena» zur AHV-Reform war offensichtlich: Alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf (BDP) argumentierte gegen SP-Nationalrätin Jacqueline Badran, Gewerkschafterin Gabriela Medici widersprach Arbeitgebervertreterin Saskia Schenker. Der einzige Mann im Ring war der Jungfreisinnige Matthias Müller. Seine Gegenspielerin war Julia Küng, Co-Präsidentin der Jungen Grünen. Auch die weiteren Voten kamen praktisch ausschliesslich von Frauen.

Dabei zeigte sich: Die Meinungen gehen weit auseinander und folgen den bekannten Linien: SP und Gewerkschaften bekämpfen die Erhöhung des Rentenalters für Frauen, die Bürgerlichen halten diese für notwendig und gerecht. Widmer-Schlumpf, die betonte, als Präsidentin von Pro Senectute an der Diskussion teilzunehmen, nannte sie einen «Akt der Emanzipation» und urteilte: «Damit herrscht in der AHV Gleichberechtigung.»

Für Jacqueline Badran und ihre Mitstreiterinnen bedeutet das zusätzliche Jahr bis zur AHV für Frauen einen Rentenabbau in der Höhe der AHV-Auszahlungen, die sie in diesen zwölf Monaten erhalten hätten. Die Ausgleichszahlungen, welche Frauen gewisser Jahrgänge erhielten, verbesserten die Renten-Situation der Frauen nicht, argumentierten sie.

Badran pochte darauf, dass der Blick auf die Leistungen der AHV allein die Rentensituation der meisten Frauen nicht realistisch abbilde. Die berufliche Vorsorge sei ebenfalls zu betrachten. Und da zeige sich, dass Frauen, die öfter Teilzeit arbeiten und in vielen Fällen weniger verdienen, schlecht dastünden. Die Hälfte der Frauen erhält laut Badran insgesamt 3500 Franken Rente im Monat. «Das ist nicht existenzsichernd», betonte sie.

Dass das Rentensystem der Schweiz Teilzeitarbeitende benachteilige, räumten die Befürworterinnen der AHV-Reform ein. Müller erinnerte Badran daran, dass die gleichzeitige Anpassung von AHV und beruflicher Vorsorge an die Herausforderungen der Zeit 2020 an der Urne gescheitert ist. Darum sei jetzt die AHV zu retten, damit nicht bis in zehn Jahren ein Defizit von 18 Milliarden Franken entstehe.

Hat die Schweiz einen Geschlechtergraben?

Während in der «Arena» in erster Linie Frauen gegen Frauen kämpften, zeigt die jüngste Abstimmungsprognose von «20 Minuten», dass die Abstimmung am 25. September einen Geschlechtergraben öffnen könnte: In der Befragung waren 70 Prozent der Männer für die Erhöhung des Rentenalters für Frauen, 63 Prozent der Frauen aber dagegen.

Die zweite Abstimmungsvorlage im Zusammenhang mit der AHV betrifft die Zusatzfinanzierung der ersten Säule über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Die zusätzlichen 0,4 Prozent belasten eine vierköpfige Familie gemäss Berechnung von SRF pro Jahr mit Mehrkosten von durchschnittlich 273 Franken. Matthias Müller sah es so: «Auf einen Lebensmittel-Einkauf von 100 Stutz bedeutet die Mehrwertsteuer-Erhöhung zusätzliche 10 Rappen. Das ist ein vertretbarer Sanierungsbeitrag.»

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer trägt gemäss Modellrechnungen, die der AHV-Reform zugrunde liegen, mehr als 70 Prozent zur Sanierung bei, oder 12,4 Milliarden Franken bis 2032. Rentenalter 65 für Frauen, statt wie bisher 64, entlastet die AHV-Kasse um 4,9 Milliarden Franken in den nächsten zehn Jahren.

Die AHV-Reform kommt nur zustande, wenn beide Vorlagen, die Erhöhung des Rentenalters und die Anhebung der Mehrwertsteuer, von den Stimmenden angenommen werden. Das Ja-Lager liegt in beiden Abstimmungsfragen vorn, doch der Vorsprung ist zuletzt kleiner geworden, wie die Umfrage von «20 Minuten» gezeigt hat.