Grenzschutz EU will mehr Geld für Grenzen – was kostet das die Schweiz?

Von Anna Kappeler

18.11.2019

Die griechische Polizei patrouilliert mit der Frontex an der griechisch-türkischen Grenze.
Die griechische Polizei patrouilliert mit der Frontex an der griechisch-türkischen Grenze.
Bild: Keystone

Die EU will ihre Grenzen mit mehr Personal schützen – und dafür will sie auch mehr Geld von der Schweiz. Doch bevor die Vorlage hier auch nur ins Parlament kommt, entbrennt darüber bereits eine Debatte.

Die Aufstockung ist massiv: Die EU will den Personalbestand ihrer Grenz- und Küstenschutzbehörde Frontex bis 2027 auf 10'000 Beamte erhöhen – aktuell sind es nur deren 1'500. Die Aufstockung zieht Mehrkosten von zwölf Milliarden Euro nach sich.

Der Ausbau betrifft auch die Schweiz. Als Schengen-Mitglied muss sie das neue Reglement übernehmen. Das kostet: «Gemäss aktuellen Berechnungen werden sich die Beitragszahlungen der Schweiz etappenweise auf bis zu 75 Millionen Franken erhöhen», heisst es bei der Eidgenössischen Zollverwaltung EZV auf Anfrage von «Bluewin». Auch personell hat das Konsequenzen: Die Schweiz entsendet laut EZV voraussichtlich bis zu 75 Experten für Einsätze.



Noch ist unklar, wann das Geschäft über die Frontex-Aufstockung ins Parlament kommt. Bereits sicher aber ist: Die SP wird für Schlagzeilen sorgen. Denn für ein Ja zu den Mehrkosten brauchen Frontex-Befürworter wie CVP und FDP die Stimmen der Sozialdemokraten. Denn SVP und Grüne sind dagegen.

Profit von Rolle als Mehrheitsbeschafferin?

Doch auch die Genossen sind skeptisch. Und wollen von ihrer Rolle als Zünglein an der Waage profitieren ­– durch einen Handel. Nationalrat Fabian Molina (SP/ZH) fordert eine Art Kompensation vom Bundesrat: «Wenn die Schweiz hilft, die Festung Europa auszubauen und illegale Migration zu verhindern, muss sie auf der anderen Seite legale Fluchtwege schaffen», sagt er gegenüber «Blick». Möglich wäre laut Molina etwa eine Wiedereinführung des Botschaftsasyls, mehr humanitäre Visa oder ein Ausbau des Resettlement-Programms.

Zur Erläuterung: Das Botschaftsasyl ermöglichte Ausländern, auf jeder Schweizer Botschaft – egal in welchem Land – ein Asylgesuch zu stellen. Diese Form des Asylgesuchs wurde jedoch 2013 in der Schweiz abgeschafft.

Im Rahmen von Resettlements werden Personen aufgenommen, die das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge UNHCR als Flüchtlinge anerkannt hat. Die Personen weisen eine erhöhte Schutzbedürftigkeit auf, welcher das Erstasylland nicht gerecht werden kann. Im laufenden Jahr sollen hier gemäss Bundesrat 800 Personen aufgenommen werden. Bisher waren aber erst gut die Hälfte dieser Anzahl Flüchtlinge mit dem Programm in die Schweiz gekommen.

SP in «europapolitischem Dilemma»

Doch warum stellt die SP solche Forderungen, die kaum mehrheitsfähig sind? Dazu sagt Molina zu «Bluewin»: «Wir befinden uns in einem europapolitischen Dilemma. Wir sind für Schengen und für eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik. Aber gegen einen Ausbau der ‹Festung Europa›.» Da es bei diesem Geschäft ohne die SP keine Mehrheiten gebe, sei man bereit zu diskutieren. Doch die Zustimmung gebe es nicht gratis. «Deshalb die erwähnten Forderungen.» Das sei der Lösungsvorschlag der SP, so Molina.

Keine Unterstützung von CVP und FDP

Wie stehen die Chancen, dass die Ideen der SP mehrheitsfähig sind? Nichts davon hält CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter, die Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission (APK). «Dieser Kuhhandel mag für die SP national gesehen spannend sein, er macht international betrachtet aber keinen Sinn», sagt sie zu «Bluewin». Die Zusammenarbeit mit der Frontex funktioniere nicht nach dem Prinzip Wunschkonzert. «Wir müssen im Gegenteil der Frontex Sorge halten.»

Die Schweiz habe ein grosses Interesse an einer starken Frontex, auch wenn dieser Ausbau die Schweiz teuer zu stehen komme. «Als Binnenland profitieren wir stark von einer guten Zusammenarbeit mit der EU im Migrationsbereich. Wir müssen uns für allfällige künftige Flüchtlingsströme rüsten», sagt Schneider-Schneiter. Sie könne nicht für die Fraktion sprechen, gehe aber davon aus, dass die CVP die Aufstockung der Frontex unterstützen werde.

Zu den konkreten Ideen der SP sagt Schneider-Schneiter: «Die Wiedereinführung des Botschaftsasyls kommt für die CVP nicht infrage. Ein solcher Alleingang wäre nicht zielführend.»

«Die Arbeit der Frontex macht Sinn»

Das sieht auch FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann, ebenfalls AKP-Mitglied, so: «Für die Forderung der SP habe ich kein Verständnis.» Das Botschaftsasyl sei aus gutem Grund abgeschafft worden. «Es hat sich gezeigt, dass die schweizerische Gesetzgebung in Botschaften schwierig umsetzbar ist, dafür braucht es unsere hiesigen Asylzentren», sagt Portmann.

Auch die FDP werde voraussichtlich die Frontex-Aufstockung unterstützen. Portmann habe mit der APK Frontex-Leute in Griechenland besucht, und gesehen, dass deren Arbeit Sinn mache. «Dank ihnen kommen weniger Migranten in die Schweiz, die wohl keinen echten Asylgrund haben.»

Portmann findet das humanitäre Visum wichtig. «Aber: Wer gemäss Genfer Flüchtlingskonvention an Leib und Leben bedroht ist, bekommt ein solches bereits heute. Die SP jedoch will das Visa auf weitere Gründe ausweiten, da mache ich nicht mit.»

«Menschen dürfen keine Verhandlungsmasse sein»

Zum dritten SP-Vorschlag sagt Portmann: «Beim Resettlement-Programm warten meist Kriegsflüchtlinge in Lagern auf Asyl.» Diese Menschen hätten dazu gemäss der Genfer Flüchtlingskonvention meist eine Berechtigung. «Das Problem hier: Im Gegensatz zur SP möchte die FDP nur Flüchtlinge aufnehmen, wenn sich auch alle anderen EU-Länder mit einem Verteilschlüssel an Aufnahmen beteiligen.» Die Schweiz solle hier nicht im Alleingang vorpreschen, findet Portmann.

Auf diese Aussagen entgegnet SPler Molina: «Selbstverständlich sind auch wir von der SP für einen fairen Verteilschlüssel», sagt er zu «Bluewin». «Aber es kann doch nicht sein, dass man das Leben von Menschen zur Verhandlungsmasse macht.»

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