Fall BrianUNO-Sonderberichterstatter will Antworten vom Bund
olgr, sda
20.8.2021 - 12:37
Der UNO-Sonderberichterstatter für Folter will sich wegen den Haftbedingungen für den jungen Straftäter Brian ein weiteres Mal bei der Schweiz einschalten: Er fordert eine ernsthafte Untersuchung durch den Bund statt einer einfachen Antwort von der Zürcher Justiz.
olgr, sda
20.08.2021, 12:37
20.08.2021, 13:40
SDA
Er werde in den kommenden Tagen ein entsprechendes Schreiben an die Schweiz richten, bestätigte Sonderberichterstatter Nils Melzer am Freitag gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA einen entsprechenden Bericht der «NZZ».
Der Bund müsse die im Raum stehenden Vorwürfe seriös abklären. Dazu sei er völkerrechtlich verpflichtet, sagt der Schweizer Jurist. Er versteht seine Rolle als «Linienrichter», der die geltenden internationalen Richtlinien überwacht: Bei einem Verstoss sei er verpflichtet, einzugreifen.
«Einzigartig und sehr einschränkend»
Im Fall von Brian, der anfänglich unter dem Pseudonym «Carlos» bekannt wurde, kritisiert Melzer die Haftbedingungen. Auf seinem Twitteraccount verweist er auf die von der Schweiz unterstützten Nelson-Mandela-Regeln. Nach diesen sind «Langzeit-Einzelhaft» – die Absonderung einer Person von mehr als 22 Stunden am Tag an 15 aufeinanderfolgenden Tagen – verboten.
Das Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung des Kantons Zürich hat in seiner Stellungnahme die bei Brian angewandte Einzelhaft jedoch als gesetzeskonform und nicht vergleichbar mit der im Schweizer Rechtssystem unbekannten Isolationshaft bezeichnet.
Die Zürcher Behörden räumten zwar ein, dass die Haftsituation «einzigartig und sehr einschränkend» sei. Gleichzeitig legten sie ausführlich dar, welche Kontakt- und Beschäftigungsmöglichkeiten Brian geboten würden. So könne er beispielsweise telefonieren und Besuch empfangen.
Melzer fordert unabhängige Untersuchung
Diese Antwort enttäuschte Melzer. Brian befinde sich seit mehr als drei Jahren in Einzelhaft, mehr als 15 Tage würden als grausam, unmenschlich und erniedrigend gelten, hält er auf Twitter fest. «Die Pflicht der Behörden ist die Einhaltung des Verbotes, nicht die Rechtfertigung von Ausnahmen.»
Zudem kritisiert der UNO-Sonderberichterstatter, dass die Antwort nicht vom Bund kam, sondern vom für die Haftbedingungen zuständigen kantonalen Amt. «Das ist, als würde man bei einem Prozess einfach die Sicht des Verdächtigten übernehmen», sagte er der «NZZ».
Er verlangt deshalb weiterhin eine «seriöse Untersuchung» und fordert, dass die Haftbedingungen von Carlos so rasch als möglich «an die völkerrechtlichen Mindeststandards angepasst werden».
Obergericht setzt sich mit Haft auseinander
Das Zürcher Obergericht wird sich – unabhängig von Melzers Schreiben – ein weiteres Mal mit den Haftbedingungen auseinandersetzen müssen. Das Obergericht hatte die Verlängerung von Brians Sicherheitshaft unzureichend begründet, wie aus einem in dieser Woche veröffentlichten Urteil des Bundesgerichts hervorgeht.
Eine Verlängerung der Sicherheitshaft sei allenfalls zulässig, auch wenn das Haftregime nicht sofort gelockert würde, hielt das Bundesgericht fest. Das strikte Regime verlangt laut Bundesgericht aber eine vertiefte Auseinandersetzung.
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