Pestizide Chemie-Konzerne sollen Studien zurückgehalten haben

mmi

1.6.2023

Pestizid-Hersteller müssen Studienergebnisse melden, wenn diese nachteilige Wirkungen aufzeigen. Einige von ihnen haben sich daran nicht immer gehalten (Symbolbild).
Pestizid-Hersteller müssen Studienergebnisse melden, wenn diese nachteilige Wirkungen aufzeigen. Einige von ihnen haben sich daran nicht immer gehalten (Symbolbild).
Markus Zeh

Pestizide sind wirkungsvoll gegen Schädlinge, aber wahre Chemie-Spritzen. Deshalb müssen Folgen der Mittel in Studien erforscht werden. Eine Recherche zeigt nun, dass Hersteller solche Ergebnisse zurückgehalten haben.

mmi

1.6.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Pestizidhersteller, darunter Syngenta und Bayer, haben über 20 Jahre lang Studienergebnisse zurückgehalten.
  • Die Studienergebnisse sind erschreckend: Sie zeigen bei Laborratten veränderte Bewegungsfähigkeit sowie verzögerte Entwicklung der Geschlechtsorgane.
  • Die Pestizide, die die Vorwürfe betreffen, kommen in der Bekämpfung von Schädlingensbefall bei Obst und Gemüse zum Einsatz.

Für viele Landwirte sind Pestizide ein Segen. Denn mit Pflanzenschutzmittel, wie sie bei den Herstellern heissen, können sie Schädlinge von ihren Obst- und Gemüse-Kulturen fernhalten.

Doch viele sehen den Einsatz kritisch, denn nicht immer ist klar, was genau die chemischen Mittel bei welchen Organismen auslösen. Deshalb gelten für die Bauern bei der Anwendung strenge Vorschriften und ebenso bei den Herstellern selber. Diese sind verpflichtet, mögliche Gefahren zu erforschen und zu melden.

Wie eine neue Recherche von «SRF Investigativ» in Zusammenarbeit mit Journalisten von «The Guardian», «Der Spiegel» und «Le Monde» zeigen, haben die Chemie-Unternehmen Bayer und Syngenta Studienergebnisse zurückgehalten, die eine mögliche toxische Wirkung auch an Menschen nachgewiesen hätten.

Erschreckende Ergebnisse

Ob absichtlich oder nicht, lässt sich bis dato nicht sagen. Bei Pestiziden übliche DNT-Studien kosten die Hersteller Geld und Zeit. Es ist deshalb plausibel, dass sie das Melden der Ergebnisse nicht einfach vergessen haben. Eine Aufstellung nicht eingereichter DNT-Studien zeigt, dass sieben von neun für die Hersteller negative Resultate aufweisen.

Auf den Missstand ist Axel Mie von der Medizinischen Fakultät der Universität Karolinska Institutet in Schweden gestossen. Dem Forscher ist aufgefallen, dass in den USA wesentlich mehr DNT-Studien eingereicht werden als in der EU und der Schweiz. Konkret heisst das: Ein Viertel der Studien, die anfangs der 2000er Jahre durchgeführt worden sind, sind nicht eingereicht worden.

Deren Ergebnisse sind erschreckend: Unter den getesteten Pestiziden ist beispielsweise das Mittel Abamectin, das unter anderem für den Schädlingsbefall bei Obst und Gemüse eingesetzt wird. Es hat laut einer Studie die Bewegungsfähigkeit und Gehirngrösse bei Laborratten verändert. Ausserdem zeigten die Tiere eine verzögerte Entwicklung der Sexualorgane.

Laut EU-Recht wären die Chemie-Konzerne wie Bayer, Syngenta, IKS und Nissan Chemical Corporation verantwortlich gewesen, die Testergebnisse bei der Zulassung einzureichen – was laut Rechercheergebnissen eben nicht passiert ist. 

Grenzwerte deutlich herabgesetzt

Auf Anfrage der Behörden haben diese die Studien nachgereicht. Und: Der Grenzwert für den Einsatz dieser Pestizide ist nochmals deutlich gesenkt worden.

Aus internen Dokumenten der EU-Kommission geht hervor, dass man ernsthaft besorgt sei, dass die Ergebnisse absichtlich zurückgehalten worden sind.

Die Chemie-Konzerne hingegen streiten die Vorwürfe ab. Syngenta etwa schreibt in einer Stellungnahme, dass die besagten Studien die besonderen Anforderungen des US-Rechts erfüllen sollten. Bayer gibt an, jede Studie eingereicht zu haben – die betroffenen Studien hätten allerdings keine neuen Ergebnisse gebracht.

Die EU hält laut SRF fest, dass jede Studie eingereicht werden müsse, die nachteilige Effekte nachweise.