Grundsatzurteil Bundesgericht befiehlt einheitliche Regeln beim Unterhalt

SDA

9.3.2021 - 12:00

Das Bundesgericht passt seine Rechtssprechung bei Unterhaltszahlungen an. (Archivbild)
Das Bundesgericht passt seine Rechtssprechung bei Unterhaltszahlungen an. (Archivbild)
Bild: Keystone/Laurent Gillieron

Geht eine Ehe in die Brüche und das Paar hat Kinder, wird Unterhalt fällig. Das Bundesgericht verordnet hier nun schweizweit einheitliche Regeln, wie dieser berechnet wird. Demnach ist es neu im Grunde allen zuzumuten, wieder das eigene Geld verdienen zu müssen.

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Künftig muss der Unterhalt für Kinder und Ex-Partner nach einer Trennung von allen Gerichten mit der gleichen Methode berechnet werden. Das hat das Bundesgericht entschieden – es gibt auch seine frühere Praxis zur Frage einer «lebensprägenden Ehe» auf.

Mit den am Dienstag veröffentlichten Urteilen setzt das Bundesgericht den unterschiedlichen Berechnungsmethoden der kantonalen Gerichte für den familienrechtlichen Unterhalt ein Ende. Damit will es mehr Rechtssicherheit schaffen, wie es in einer Medienmitteilung schreibt.

Künftig wird die Höhe der Unterhaltsleistungen mit einer zweistufigen Methode mit Überschussverteilung berechnet. Dabei wird zuerst das Gesamteinkommen von Eltern oder Ehepartnern errechnet. Auch Einkommen der Kinder werden berücksichtigt.

Anschliessend wird der Bedarf aller Betroffenen festgestellt. Besteht nach der Deckung dieser Beträge ein Überschuss, wird dieser gemäss dem konkreten Einzelfall ermessensweise vom Gericht verteilt.

Kinder zuerst

Kann mit dem Gesamteinkommen nicht der Bedarf aller Betroffenen befriedigt werden, hat das Bundesgericht eine Prioritätenliste aufgestellt. An erster Stelle steht dabei der Barunterhalt für minderjährige Kinder, an zweiter Stelle der Unterhalt für die Betreuung der Kinder.

Dann folgt die Zuteilung eines allfälligen ehelichen oder nachehelichen Unterhaltsanspruchs eines Ehegattens. Und zuletzt steht der Unterhalt für volljährige Kinder.

Das Bundesgericht ruft in einem der Urteile in Erinnerung, dass der Geldunterhalt für ein Kind und die Betreuungsleistung für ein Kind gleichwertig sind. Übernimmt ein Elternteil die Betreuung, muss er nicht für dessen Kosten aufkommen.

Von diesem Grundsatz kann gemäss Bundesgericht jedoch ganz oder teilweise abgewichen werden, wenn der betreuende Elternteil finanziell deutlich besser gestellt ist.

«45er-Regel» aufgegeben

Ausgedient hat mit den neuen Urteilen des Bundesgerichts die «45er-Regel». Diese besagt, dass einem Ehegatten der Wiedereinstieg ins Berufsleben nicht mehr zuzumuten sei, wenn er während der Ehe nicht berufstätig war und im Zeitpunkt der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts oder der Scheidung das 45. Lebensjahr erreicht hatte.

Neu geht das Bundesgericht stets von der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit aus. Allerdings muss eine solche Möglichkeit tatsächlich bestehen. Sind kleine Kinder zu betreuen, wird die Zumutbarkeit verneint.

Für die Beurteilung im Einzelfall müssen die Gerichte verschiedene Kriterien wie das Alter, die Gesundheit, bisherige Tätigkeiten einer Person und deren Flexibilität berücksichtigen. Eine Rolle spielt auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt.

«Lebensprägende Ehe»

Das Bundesgericht hat zudem die starren Regeln für die Bestimmung einer sogenannten «lebensprägenden Ehe» abgeschafft. Bisher wurde eine solche nach einer Ehedauer von zehn Jahren angenommen oder unabhängig von der Dauer der Ehe bei einem gemeinsamen Kind. Eine lebensprägende Ehe begründete den Anspruch auf die Weiterführung des bisherigen Lebensstandards.

Neu gilt eine Ehe als lebensprägend, wenn ein Ehegatte seine ökonomische Selbständigkeit aufgibt, sich stattdessen um den gemeinsamen Haushalt und die Kinderbetreuung kümmert und nach langjähriger Ehe nicht mehr an seine frühere berufliche Stellung anknüpfen kann. In einem solchen Fall ist die Scheidungsrente unter Berücksichtigung des Einzelfalls zeitlich angemessen zu befristen.

Urteile 5A_907/2018, 5A_311/2019, 5A_891/2018, 5A_104/2018 und 5A_800/2019